Grace
Ich sah auf die Zimmertür. Soweit ich das mitbekommen hatte, musste das hier nun meine "neue Wohnung", mit meinem eigenen Zimmer und allem drum und dran. Ich war lange weg gewesen. Vieles hatte sich hier inzwischen geändert. Wieso ich weg war, wusste ich inzwischen schon gar nicht mehr. Nur, dass ich Chiara jetzt wohl eine Erklärung schuldig war. Ich öffnete das Zimmer und betrachtete es. Es war sehr schlicht eingerichtet. Ein riesiges Bett stand in der Mitte und neben diesem war ein sehr großer Schreibtisch. Genug Platz für alle möglichen Sachen also. Einen Kleiderschrank und ein Regal waren auch noch vorhanden, ebenso eine Pinnwand an der Wand. Ich nickte mir kurz selbst zu und schritt dann in den Raum hinein, schloss die Tür hinter mir und ging zielstrebig auf das Bett zu, nur um mich Sekunden später auf eben jenes fallen zu lassen. Ich dachte nach. "Wieso war ich weg gewesen?", murmelte ich leise und wieder kam ich zu dem Schluss, dass ich es einfach nicht mehr wusste.

Ich blieb einfach auf dem Bett liegen und gab mich meinen Gedanken hin. Die Sache mit Philippe... Der Ball.. Chiara.... Vergangenheit und Zukunft. Einfach alles. So exzessiv hatte ich längere zeit nicht mehr nachgedacht, und ich wusste auch wieso. Es bereitete mir höllische Kopfschmerzen. Und das war nicht gut. Außerdem bekam ich Hunger. Oder auch Durst, wie man wollte. Aber ich wollte einfach nicht aufstehen, das Bett war gerade so bequem.

Und jetzt, wo ich hier schon ein wenig lag, hörte ich laute Musik. Sehr laute Musik sogar. Und diese Musik hörte sich ganz nach Chiara an. Sofort war ich wie ausgewechselt, ich war aktiv und hellwach und war schon dabei aufzustehen. Doch dann fiel mir ein, was ich eigentlich machen wollte. Genau, ich wollte zu Chiara. Aber was sollte ich ihr sagen? "Hey, schön dich mal wieder zu sehen, tut mir leid, dass ich so lange weg war?" Und damit soll alles wieder gut sein? Wohl kaum. Ich konnte wirklich nicht einfach so in ihr Zimmer platzen ohne einen festen Plan. Aber was für einen Plan denn? Es war wirklich sinnlos, was ich hier zusammendachte. Also entschied ich mich einfach, zu ihr zu gehen und ihre Reaktion abzuwarten. Womöglich brachte sie mich einfach um, aber selbst das sollte mir dann recht sein. Also lief ich aus meinem eigenen Zimmer heraus und steuerte sofort die Tür an, aus der die laute Musik dröhnte. Kurz davor blieb ich stehen, atmete einmal tief durch und hämmerte gegen die Tür. Ich wollte nur sichergehen, dass sie das auch hörte.

Ana? Corona? ..Ach ja, die anderen beiden Mädchen hier. Da ich jedoch weder Ana, noch Corona war, klopfte ich erneut lautstark gegen die Tür und wollte ebenso lautstark zu sprechen beginnen. Doch meine Stimme versagte mehr, als dass sie laut war, sodass es nur ein leises Gemurmel war, nicht mehr und nicht weniger. Und da ich mir sicher war, dass Chiara nichts davon verstanden hatte, entschied ich mich einfach dafür, diese Tür zu öffnen. Und genau das tat ich dann auch...

Und gerade als ich die Tür aufriss, wusste ich nicht mehr, was ich tun sollte. Sowohl Chiara, als auch ich standen nur da und starrten uns gegenseitig an. Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und Tränen bildeten sich in meinen Augen. Wie sehr ich sie vermisst hatte. Entgegen unserer Starre löste ich mich aus meiner Bewegungsunfähigkeit und lief auf Chiara zu, nur um sie Sekunden später einfach in den Arm zu nehmen. Sie war größer als ich, aber das machte so gut wie nichts aus. Es war schön, sie einfach umarmen zu können, auch wenn sie es sichtlich noch nicht ganz realisiert hatte.

Ich war so glücklich. Nichts, aber auch rein gar nichts hätte diesen Moment zerstören können. Sie fragte mich etwas, doch ich konnte ihr nicht antworten. Ich war zu überwältigt von allem was gerade hier los war. Ich wollte Chiara schon gar nicht mehr loslassen, so sehr hatte sie mir gefehlt. Und anstatt auf ihre Frage zu antworten, brachte ich nur ein leises "Ich hab dich so vermisst." raus. Dann sah ich zu ihr hoch und musste grinsen.

Ich konnte nicht mehr aufhören zu grinsen. "Nie wieder...", murmelte ich und schüttelte den Kopf. "Du bist so verrückt...", sagte ich dann noch, als ich realisierte, was sie da gerade als erstes gesagt hatte. Dann mussten wir beide auch schon lachen. Es war schön, ihr freudiges Gelächter zu hören, das tat unheimlich gut. Langsam ließen wir uns gegenseitig wieder los und ich sah ihr in die Augen. Und dann strahlte ich wieder vor Freude.