Raviva sah auf ihr Telefon. Drei verpasste Anrufe. Mehr nicht. Sie hatte das Telefon wochenlang nicht bei sich und das war alles. Wie erbärmlich. Sie öffnete die Anrufsliste und im nächsten Moment erblasste sie. Drei. Anrufe. An dem Tag des Anschlags. Drei. Anrufe. Unterdrückte Nummer. Drei. Anrufe. Von ihm.
Das Handy entglitt ihren Fingern, doch sie konnte sich nicht rühren. Dieser Typ hatte sie angerufen!

Lain lehnte sich über den Tisch, mit dem Plan ihrer Lage. Neben ihm stand Sunnyboy und redete auf ihm ein wie es am besten wäre. In dem Moment, wo Lain's Gedanken abglitten hörte er ein dumpfes Geräusch ganz in der Nähe. Er entdeckte Raviva, wie sie wie erstarrt einfach nur da stand. Schnell richtete er sich auf und drehte sich zu ihr um. "Raviva?!" rief er ihr zu. Seine Worten von einem warmen Wind zu ihr getragen. Hinter ihm hielten die Männer verzweifelt die Blätter fest, damit sie nicht davon flogen. Lain hielt sich mit der Hand den Pony aus den Augen. Was war denn auf einmal los mit ihr?

Leise drang ein Ruf an ihre Ohren, doch sie regte sich noch immer kaum. Ungläubig schüttelte sie den Kopf, dann sah sie zu Lain. In ihrem Blick lag Verzweiflung, Angst, aber auch Verwirrung. Schnell bückte sie sich nach ihrem Handy und hob es vom Boden auf, dann lief sie schnell los. Es war als würde sie beobachtet werden. Er und diese anderen irren. Sie waren überall. Aber wieso ausgerechnet sie. Vollkommen durch den Wind hetzte sie durch den Wald, obwohl sie nicht wusste wohin.

Verdattert sah Lain ihr nach. Was war jetzt in sie gefahren?! "Hey!" rief er über seine Schulter. "Kümmern Sie sich um den Plan, bis man die letzten Beide Bomben gefunden hat, haben sie noch zeit. Auch muss jeden Moment einer meiner Leute hier ankommen. Machen Sie gefälligs etwas geistreiches." mit diesen Worten kehrte er dem Sunnyboy den Rücken und sprintete Raviva hinterher. Verdammt, was machte sie denn? Vorallem was machte ER?! Warum lief er ihr jetzt nach? Er wollte doch Nr. 2 besiegen!

Raviva stürmte in einen kleinen abgelegenen Pavillon. Verzweifelt sank sie auf eine Holzbank und starrte das Display an, bevor sie erneut in Tränen ausbrach. Erst die Sache mit der Bombe nur kurz zuvor und jetzt das. Es war einfach zu viel für sie.

Lain war ihr den ganzen Weg bis zu dem Pavillon gefolgt. Nach Luft schnappend stützte er sich an der hellen Säule ab. "Meine Fresse, was rennst du denn wie eine angestochene? Was ist passiert?"

Überrascht sah Raviva auf. "Lain!", schluchzte sie unter Tränen. "Ich bin total überfordert..." Sie hielt ihm ihr Handy hin. "Er hat angerufen. An dem Tag des Anschlags. Dieser dreckskerl hat mich angerufen und dann versucht mich in die Luft zu sprengen! Wieso?!"

"Wer?" fragte er, da er im Moment nicht ganz mit kam. Nachdem er sich von der Säule abgedrückt hatte, ging er zu ihr und nahm das Handy entgegen. An dem Tag des Anschlags? Wie verrückt, suchte Lain nach dem Tag mit einem Anschlag. Lange dauerte es nicht, allein das aussehen ihres Handys verriet es ihm. Der Anschlag also. Sein Anschlag. Mit dieser Erkenntnis, rief er sich jedes Details dieses Tages ins Gedächtnis. Irgendwas war schief gegangen, das Gefühl verfolgte ihn selbst bis zum heutigen Tag. Mit einem Blick auf das Display, erhielt er sofort die Antwort, Was. Unwillkürlich wurde er blass und starrte die dreimal angezeigte Rufnummer. Das konnte nicht sein!

"Der Bombenleger, der uns zuvor das Leben zur Hölle gemacht hat. Er hat zu mir Kontakt aufgenommen. Immer und immer wieder. Er hat uns immer überwacht. Aber das... Wieso ruft er mich an und spreng mich dann in die Luft?!"

Die Fassade drohte zu bröckeln. Was hatte er sich damals nur gedacht? Während er das Display weiter anstarrte, durchlebte er den Tag ein weiteres Mal. Sie sollte eigentlich gar nicht in dem Gebäude sein, doch aus irgendeinem Grund war sie wieder hinein gerannt. Er wollte ihr Folgen, doch er hatte es nicht geschafft sie davon abzuhalten. Bomben sind gnadenlos. Sie lassen sich selbst durch verzweifelten Schreien nicht erweichen und halten ihre Deadline gnadenlos ein. Genau das hatte er an ihnen doch auch so geliebt und liebte es immer noch so. Doch nicht an diesem Tag. Dreimal. Dreimal hatte er vergeblich versucht sie zu erreichen. Er vermutete, dass es damals die pure Angst war, die er gespürt hatte. Die Angst wieder jemanden zu verlieren, der ihm vielleicht wieder wichtig geworden war.
Er musste nur jetzt den Blick heben, um eine stumme Bestätigung zu erhalten. Er würde wieder Angst haben. Er hatte sie auch in dieser Minute, was selbst sein Blick verriet. Er hatte Angst, dass er Raviva zu nah an sich heran gelassen hatte und er wusste es. Er wusste, dass es zu spät sich dagegen zu wehren. Sie hatte ihn bereits erreicht, den Punkt in ihm, der noch wirklich er selbst war.
Schnell verdunkelte Lain den Handy-Display und trat dicht vor Raviva. Er zog sie auf die Beine und schloss sie in seine starken Arme. "Du brauchst keine Angst zu haben." sprach er mit ruhiger Stimme auf sie ein. "Vielleicht hat es gar nichts zu bedeuten. Vielleicht war es nur wieder einer seiner kranken Spiele."
Wie sollte er jetzt je wieder in seine andere Rolle schlüpfen? Wie sollte er jetzt je wieder seinem eigentlichen Job nach gehen, ohne sich darum zu sorgen, dass es wieder so enden würde. Verdammt, unwillkürlich knirschte er mit den Zähnen. Wie hatte Raviva es geschafft? Es geschafft, so weit zu ihm durch zu dringen. "Wie hast du es geschafft... " murmelte er leise.

Raviva erwiderte die Umarmung und krallte sich an dem Stoff seines Hemdes fest. "Ich versteh einfach nicht wieso?", schluchzte sie haltlos. "Er hat alles kaputt gemacht. Er hat mir mein Baby weggenommen." Bei der Erinnerung daran schluchzte sie noch stärker. Sie erinnerte sich an jede schmerzhafte Sekunde dieses Tages, dieses Momentes. Jeden Tag durchlebte sie es ein weiteres mal und es hörte einfach nicht auf. Sie wollte nie Kinder, die sie enttäuschen oder in Gefahr bringen, den sie nichts bieten könnte. Doch, dass man ihr dieses Entscheidung entrissen hatte und ihr das Baby stahl zerstörte sie innerlich. Neben ihrem Ohr hörte sie Lain knirschen, ihn etwas murmeln. Wie meinte er das? "Was geschafft?", presste sie leise vor.

"Nichts" lautete seine ausweichende Antwort. Auch er legte seine Arme um ihren Körper. In Gedanken war er immer noch zwischen der Frage, was jetzt werden sollte und dem hier und jetzt. "Raviva... Hasst du Menschen wie den, der für das hier verantwortlich sind?" hörte er sich sagen. Er wusste selbst nicht genau, was für eine Antwort er erwartete. Natürlich, hasste sie sie. Außerdem könnte das auch nichts mehr ändern. Doch die Worte konnte er nicht mehr zurück nehmen, wie sehr er es auch wollte.

Raviva nickte leicht. "Ich hasse sie so sehr. Sie nehmen den Menschen alles. Sie nehmen mir alles. Meine Eltern, mein Kind, mein Dach über dem Kopf. Was wenn sie mir auch noch dich stehlen? Dann hätte ich nichts mehr. Und sie scheinen immer über alles bescheid zu wissen." Ihre Arme schlungen sich noch etwas fester um ihn. "Sie dürfen dir nicht zu nahe kommen."

"Mach dir darüber keine Sorgen." denn das sind sie schon längst, beendete er den Satz in Gedanken. Dafür ist es fast 10 Jahre zu spät. Seine Hand strich rhythmisch über ihren Rücken, um sie von ihrer Anspannung zu lösen. "Jetzt steht erstmal an erster Stelle, den Kerl JETZT zu übertreffen und die Bomben hier zu lösen."

Raviva seufzte leise und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Sie kam mit diesem Druck nicht mehr klar, es wurde einfach zu viel. "Nun geh schon. Du hast eine Bombe zu entschärfen.", murmelte sie. "Sonst werden nich mehr verletzt. Ich komm schon klar."