Derek:
Nach langer Zeit löste sie die Umarmung. Ihre Augen schauten mich dankbar an. 'Ich danke dir...' ,dachte ich. Schnell wischte ich meine Träne weg. "Ich verstehe dich auch...", sagte ich einfühlsam. Und das meinte ich ehrlich. Sie war die erste bei der ich das Gefühl hatte ihr voll vertrauen zu können. Ich würde ihr alles erzählen können. Vorsichtig nahm ich sie an der Hand und half ihr aufzustehen. "Und jetzt?", wollte ich wissen. Sicher würde sie sich noch in der Bücherei umsehen wollen. Ich würde sicher warten, alle Bücher mit herum tragen. Auch wenn der Stapel noch so schwer sein mochte. So etwas hatte ich noch nie getan. Das würde ich auch nur für... für Freunde tun. Ja, Marin oder Siana, wie man sie auch nennen mochte, war meine Freundin. Von nun an und für immer.

Siana
Er half mir, aufzustehen und fragte mich, was wir jetzt tun sollen. Ich sah mich um. So viele wunderbare alte Bücher mit ausgefransten Buchrücken, vergilbten Seiten und dem einzigartigen Geruch nach... nach alten Büchern eben. Seine Hand umschlang meine noch immer, aber das war alles andere als unangenehm. "Zeig mir deine Lieblingsbücher!", schlug ich vor. "Zeig sie mir alle und ich werde sie lesen. Ich bin verrückt nach alten Geschichten. Ich finde es faszinierend, wie Leute Wörter in Geschichten verwandeln können und Gefühle in Wörter." Ich blicke kurz auf unsere Hände, nur für einen ganz kurzen Augenblick und muss dann Grinsen.

Derek:
Schnell ließ ich ihre Hand los. Meine Lieblingsbücher? Ich hatte noch nie besonders viel gelesen, denn niemand hatte mir jemals etwas vorgelesen. "Ich habe keine...", gab ich bedauernd zu. Sie las also gerne. Und singen konnte sie auch. Das hatte ich vorher gehört, als ich mit meinem Schmetterling auf mich aufmerksam gemacht hatte. Diese Bücherei war wirklich zauberhaft. Man konnte die Macht der vielen Bücher spüren. Diese vielen geschriebenen Geschichten, viele Eindrücke und auch Erinnerungen der Autoren. Nun teilte auch ich eine Erinnerung mit dieser Bibliothek. Eine der wichtigsten und schönsten meines Lebens. Vielleicht würde sie mir eines ihrer liebsten Bücher zeigen. "Welches Buch magst du denn besonders gerne?", wollte ich wissen. Als ich die Frage stellte, lächelte ich zurückhaltend. Es war ein echtes Lächeln, und das fühlte sich verdammt gut an.

Siana
Ich erwiderte sein Lächeln. Er liest also nicht so viel. Umso besser, denke ich, dann kann ich ihm noch all die schönen Geschichten meiner Lieblingsautoren auf die Nase drücken. Aber zuerst will ich ihn etwas fragen. "Hast du selbst eine... eine Geschichte, die du mir erzählen möchtest?", frage ich ihn und lege meinen Kopf etwas schief.

Derek:
Ich seufzte. es war nur fair, wenn ich ihr die Geschichte meiner Vergangenheit erzählte. Das war ich ihr schuldig und ich vertraute ihr. "An jenem Tag wollten meine Eltern mit mir an einen See fahren zum Baden. Das war, als ich 10 Jahre alt war...", erzählte ich, "...Mein Vater verlor die Kontrolle über das Auto und es raste in die Felswand. Eine Explosio setzte das Fahrzeug in Brand. Und mit ihm meine Eltern. Ich musste alles mitansehen. Bis zum bitteren Ende. Ich sah wie meine Eltern zu Staub zerfielen, sah wie die Asche meiner Eltern im Wind verwehte. Ich weiß immer noch ganz genau wie sie geschrien hatten. Sehe vor meinen Augen wie die Flammen aggressiv auf sie einschlugen, nur nicht auf mich. Ich wurde von den Flammen verschont und später von Polizisten im verbrannten Rumpf des Autos gefunden. Bis heute kann sich keiner der Menschen erklären wie das passieren konnte.... Ich verbrachte meine Kindheit in einem Waisenhaus, nicht weit von hier. Jeden Tag dachte ich nach, warum die Flammen mich verschont hatten. Bis in die Nacht verfolgten mich meine Erinnerungen. Jede Nacht träumte ich den gleichen Traum. Bis-", ich stockte, "...bis ich meinen ersten Schmetterling zauberte. Von diesem Moment an wusste ich warum das geschehen war. Warum meine Eltern sterben mussten, nur ich nicht..." Die ganze Zeit über hatte ich an eine der Wände in der Bibliothek gestarrt. Nunn schaute ich wieder in ihre Augen. Zum ersten Mal hatte ich jemandem meine oersönliche Geschichte erzählt.

Siana
Es muss schrecklich sein, keine Eltern mehr zu haben. Ich hatte zwar auch nie das Vergnügen einer normalen Familie, aber komplett allein auf der Welt zu sein, gequält mit ständigen Schuldgefühlen... Das muss einfach schrecklich sein. Ein trauriges Lächeln umspielt meine Lippen. Ich könnte ihm sagen, dass alles wieder gut wird, oder so einen Dreck. Aber das wäre gelogen, und ich weiß wovon ich spreche. Stattdessen lege ich meine Hand tröstend auf seine Schulter. Ich weiß wie es ist, immer wieder von seinen Erinnerungen mit den schrecklichsten Bildern konfrontiert zu werden. Unausgesprochen teile ich ihm in meinem Blick mein Mitleid mit. Nach einiger Zeit lasse ich meine Hand von seiner Schulter gleiten und nehme seine Hand. "Na komm, wir müssen mein Lieblingsbuch in dieser riesigen Bibliothek finden.", sage ich. Ohne seine Antwort abzuwarten laufe ich los und ziehe ihn mit mir.

Derek:
Ich spürte, wie leid es ihr für mich tat und schätzte ebenfalls, dass sie es trotzdem nicht aussprach. Ich konnte meiner Vergangenheit nun für die nächste Zeit entfliehen. So viel wusste ich. Marin war meine einzige Hoffnung. Ich spürte das unbeschreibliche Gefühl des Glücks. Verspürte den Drang die Bibliothek mit abertausenden Schmetterlingen in Brand zu setzten. Allerdings würden dann mit den vielen Büchern auch die Bücher verbrennen mit denen sich Marin vor ihrer Vergangenheit fliehen konnte, also tat ich es nicht. Lächelnd ließ ich mich von ihr durch die langen Gänge zerren, die von riesigen Bücherregalen umgeben waren. "Würdest du mir den Titel deines Lieblingsbuches verraten, damit ich dir bei der Suche helfen kann?", fragte ich freundlich und zurückhaltend.

Siana
Ich drehe mich zu Derek um und bleibe kurz stehen. "Es heißt ~Verschwommen~ und müsste eigentlich recht leicht zu finden sein. Der Einband ist hell Türkis gefärbt." Ein kleines Lächeln ziert Dereks Gesicht. Sicher hält er mich für total durchgeknallt. Oh Hoffentlich nicht! Derek ist der einzige Mensch dem ich hier wirklich vertrauen kann. Und bei ihm fühle ich mich einfach wohl. Ich grinse ihn an und frage etwas verwirrt: "Hast du irgendeine Ahnung wie die Bücher hier geordnet sind?" Ein Lacher entfährt mir, während ich mich umsehe. Zuerst zerre ich ihn durch die Regale, aber ich habe nicht einmal eine Ahnung, wo ich suchen soll.

Derek:
Ich hatte noch nie etwas von dem Buch gehört. Möglicherweise lag das auh daran, dass ich so wenig laß. Ich sah mich um und versuchte im Vorbeigehen die Ordnung der Bücher in den Regalen zu erkennen. "Anscheinend sind sie zuerst nach Genre und dann nach Autor geordnet...", murmelte ich. Schließlich lächelte ich sie an. Dieser eine Blick versicherte mir, dass ich ihr vertrauen konnte. Dieses Gefühl war so wundervoll...

Siana
Grinsend schnappte ich mir wieder seine Hand und ging in Richtung "Fantasy-Love Story". Ich brauchte gar nicht weiter nach der Autorin zu suchen. Den türkisen Einband würde ich überall wiedererkennen. "Dort oben!", sage ich und deute auf die oberste Reihe des Regals. "Vielleicht... brauchen wir eine Leiter um da hoch zu kommen." Ich lache. Natürlich brauchen wir eine. Das Regal ist weit über drei Meter hoch!

Derek:
Ich wusste endlich, dass ich glücklich sein konnte. Ich lächelte sie an, doch sie sah mir enttäuscht entgegen, weil nirgends eine Leiter zu finden war. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich wurde ein wenig verärgert und auf einmal kam Feuer aus meinen Händen. Vollkommen unkontrolliert. Das Gute war aber, dass es nichts in Brand setzte. Endlich hatte ich eine Idee, wie ich das Buch beschaffen konnte. "Mach mich wütend.", befahl ich ihr. "Egal wie."

Siana
Plötzlich schossen Flammen aus seinen Händen und ich erschrak. Dann bat er mich ihn wütend zu machen. Ich war etwas verwirrt. Was hatte er vor? "O-okay...", sagte ich. "Also..." Was könnte ich sagen, um ihn zu beleidigen? Etwas über seine Familie? Nein, das würde ich nie und nimmer übers Herz bringen. Ich schluckte. "Du hast so ein hässliches Gesicht!", log ich. "Und deine Haare! Wer hat dir das denn angetan?" Ich fühlte mich schrecklich dabei. "Ich hasse deine Art. Und alles was dich ausmacht! Und es macht mich eifersüchtig, dass du ein Elementenbändiger bist! Aber so ein unfähiger Elementenbändiger! Mit deinen nichtigen Feuerschmetterlingen da!" Er muss wissen, dass ich lüge. Oder? Ich fühlte mich wie die Idioten aus den anderen Schulen, die mich beleidigten, weil ich so anders war. Und so zurückgezogen. Ich unterdrückte erfolgreich meine Tränen und starrte ihm mit verschränkten Armen an.

Derek:
"Danke, danke...", grinste ich sie an. Ich hoffte, dass sie es nicht ernst gemeint hatte, wurde aber dennoch wütend. Umso wütender ich wurde, desto mehr Feuer entwickelten meine Hände und irgendwann hatte das Feuer so viel Kraft, um meinen Körper anzuheben. Hoffentlich würde sie keine Angst bekommen... Ich steigerte mich immer und immer mehr in ihre Beleidigungen hinein. Vergrößerte meine Wut. Meine Haare hingen mir über die Augen, sodass sie meine wütenden Blicke nicht sehen konnte. Ich wollte nicht, dass sie mich so sah, denn schließlich empfand ich alles andere als Hass auf sie. Das Feuer fühlte sich gut an... Ich realisierte gar nicht, wie weit oben ich bereits war und schaute hinauf zu dem Buch. Vorsichtig griff ich mit einem Finger danach, damit ich es nicht verbrannte. Ich warf es hinunter und rief "Fang!" hinterher. Hoffentlich landete es nicht auf dem Boden.

Siana
Von wegen unfähiger Elementbändiger! Verblüfft starre ich ihn an, während er umzüngelt von riesigen Flammen aus seinen Händen in die Höhe schwebt. Ich war viel zu fasziniert, um wegzurennen und fast hätte ich verpasst, dass das Buch auf mich zufog, doch kurz bevor es auf dem Boden aufprallte, fing ich es noch auf. Ich stand immer noch wie angewurzelt dran. Ist das gerade wirklich passiert? Ich habe es nie geschafft, mich mit Wasserstrahlen mehr als zehn Zentimeter vom Boden abzuheben. Ich sah zu ihm auf und sagte kleinlaut: "Das war alles nur gelogen, Derek. Das weißt du doch, oder?"

Derek:
"Mhm....", murmelte ich einfach nur, denn ich war zu beschäftigt mit dem Feuer und wollte sie ganz sicher nicht verletzten. Wie machte ich das jetzt nur? Langsam drehte ich meine Handflächen, sodass die Kraft des Feuers in andere Richtungen ging. Mit der Zeit schwebte ich bedächtig nach unten und beruhigte mich. Ich lächelte und pustete dabei meine Haare aus dem Gesicht, sodass ich Siana sehen konnte. Wie sollte ich jetzt eigentlich zu ihr sagen? Ich beschloss sie weiterhin Siana zu nennen, damit mir vor den anderen nicht ihr richtiger Name entwischte. Ihre Augen glitzerten nahezu. Sie waren so wunderschön... Ganz anders als meine... Sie war das Gegenstück zu mir... Gedämpft landete ich auf dem Holzboden der Bibliothek und lächelte sie liebevoll an. Ich hatte wirklich genug geredet für heute...