Siana
Ich lächelte ihn an. Was er wohl gerade denkt? Ich habe keine Ahnung. Er war so... komplett anders als all die anderen. Aber irgendwie hatte das einen enormen Reiz auf mich. Ich hob das Buch hoch und fragte mit hochgezogenen Augenbrauen: "Soll ich dir ein bisschen daraus vorlesen? Da hinten sind ein paar Sofas." Sicher würde er nein sagen, mir das Buch abnehmen und irgendwo selbst lesen. Wenn überhaupt. Was hab ich mir dabei eigentlich gedacht?

Derek:
Ich sah sie verträumt an. Sie war so besonders. Sie war die einzige, die mich nicht ignorierte. Die einzige, von der ich mir sicher sein konnte, dass sie sich gerne mit mir beschäftigte. "Natürlich...", stimmte ich ihrem Vorschlag zu. Ich nahm sie an ihrer rechten Hand und hob sie hoch. Nur, um sie dann auf das Sofa zu tragen, auf das sie hingewiesen hatte. Anschließend setzte ich mich neben sie und sah sie wartend an. Dabei fuhr ich mir durch die Haare, damit sie meine Augen sehen konnte.

Siana
Ich erschrak etwas, als er mich plötzlich hochhob, aber dann lachte ich, während meine Beine schwerelos in der Luft baumelten. Er setzte mich auf das Sofa und saß dann neben mir, aber nicht ZU neben mir. Er schob die Haare aus dem Gesicht, weshalb ich seine Macht ausstrahlenden Augen sehen konnte, in denen ich mich irgendwie zu verlieren scheinte. Er hob erwartungsvoll die Augenbrauen. Ich schüttelte den Kopf und legte das Buch in meinen Schoß. Ich sah wieder zu ihm und sagte: "Weißt du, es gibt Bücher, die sind so gut, dass du sie jedem vor den Kopf knallst und sagst 'lies das!'. Und es gibt diese Bücher, die sind so wundervoll, dass du sie wie dein intimstes Geheimnis im Herzen trägst und niemanden davon erzählst." Ich strich über den Einband und gab ihm ein schüchternes Lächeln. Ohne etwas weiteres dazu zu sagen, schlug ich das Buch auf und begann zu lesen: "Es war einmal eine wunderschöne junge Meerjungfrau. Sie lebte im größten und weitesten Meer, das die Welt zu bieten hat. Sie war recht glücklich, aber stets herzzerreißend sehnsüchtig. Es gab nichts, was sie sich in ihrem großen weiten Meer mehr ersehnte, als die Begleitung eines Artgenossen..." Ich hatte all die Worte schon so oft gelesen, dass sie mir so leicht von den Lippen flossen, wie das Vater Unser einem Gläubigen. Ja, dieses Buch war sogar wie eine Bibel für mich. Die Geschichte handelt von der einsamen Meerjungfrau, die ihre Welt über Jahre hinweg ihre Welt nach einem Artgenossen absucht, aber nach und nach die Hoffnung aufgibt. Immer wieder schwimmt sie an einen nahezu verlassenen Strand und beobachtet neidisch die Menschen, die in Pärchen und Gruppen in der Sonne baden. Irgendwann beginnt sie sich nach dem Land zu sehnen und wünscht sich nichts lieber, als ein Mensch umgeben von lauter Artgenossen Zu sein. Und auf supermagische Märchenart erfüllt eine Fee ihren Wunsch für herrliche 28 Tage. In dieser Zeit verliebt sich die Meerjungfrau, die ab da immer die Frau genannt wird, unsterblich in einen jungen Mann, genannt "Jüngling". Nach der Frist der Fee bettelt "die Frau" die Fee an, sie für immer in einen Menschen zu verwandeln. Um das ganze etwas abzukürzen, die Fee macht sie für immer zu einem Menschen, danach stellt sich heraus, dass ihr Jüngling sterbenskrank ist. Er stirbt nach etlichen super traurigen Seiten, die mich fast immer zum Weinen bringen. Bei der Stelle, wo sie seine Hand am Sterbebett hält und ihn anfleht, bei ihr zubleiben, liefen mir einige Tränen die Wange hinab, aber ich las einfach weiter, bis zum Ende, wo die Frau, wieder allein in ihrer Welt auf der Klippe steht und sich nach dem Meer sehnt. "Dies ist nicht meine Welt', flüsterte die Frau", las ich, "'dennoch wurde sie so einsam wie meine echte.' Sie trat ihren letzten Schritt, hinaus aus ihrer zweiten Welt, in Richtung ihrer ersten Welt und landete in einer dritten." Es mag das 100. Mal sein, dass ich dieses Buch las, aber es war auch das 100. Mal, dass ich mit Tränen in den Augen von dieser letzten Seite aufsah.

(Zeitsprung)
Siana ---------> Zimmer 307

(von Zimmer 307)-----------> Schulbibliothek
Siana
Im Türrahmen blieb ich erst einmal stehen. So früh war ich noch nie in der Bibliothek. Es war recht finster und sah unglaublich unheimlich aus. Es gab nur ein großes gedimmtes Fenster ganz am Ende der riesigen Halle. Durch dieses drangen graue Lichtfäden, die schwarze Schatten hinter den hohen Regalen aufsteigen ließen. Plötzlich gingen all die grellen Lichter gleichzeitig an und ich wirbelte erschrocken um. Aber da war keiner an einem Lichtschalter. Nunja, es gab ja nicht mal einen Lichtschalter. Mir schauderte und ich ich spürte Angst in mir hochsteigen. Das Taschenmesser klappte in meiner Handtasche auf und ich lief langsam in den Raum hinein. Plötzlich begann ich herzhaft zu lachen. Über mir an der Wand blinkte ein kleines weißes Gerät-ein Bewegungsmelder! 'Du ließt zu viele Horrorgeschichten', sagte ich mir insgeheim. Ich klappte das Messer wieder zu und schreitete den breiten, endlos scheinenden Gang der Bibliothek hinab. Ich drehte mich und summte mittelalterliche Tanzmusik vor mich hin. Ich schloss die Augen und wirbelte herum. Als ich gegen einen Stuhl stoß, begann ich zu kichern. Gott sei Dank ist außer mir keiner hier! Im Kopf ging ich die Regale der Bücher durch, deren Anordnung mir bis ins kleinste Detail bekannt war. Die Genre, die Autoren, einige Titel. Ich legte meine Ballerinas ab und legte mich auf das kuschlige rote Sofa in einem etwas versteckten Teil der Bibliothek. Auf dem kleinen Beistelltisch sind drei große Bücherstapel. Alles Bücher die ich mir einmal vorgenommen hatte, zu lesen. Ich ging sie durch und beim letzten, ganz unten blieb mein Finger hängen. Ein türkiser Einband, das Wort "verschwommen" mit goldener Farbe auf der Titelseite. Mein Lieblingsbuch! Das letzte Mal habe ich es hier Derek vorgelesen. Am Anfang des Schuljahres... Vorsichtig wälzte ich die anderen Bücher weg und nahm mir das Buch. Eigentlich wollte ich den Tag nicht weinend beginnen, aber dennoch begann ich zu lesen... 'Es war einmal eine wunderschöne junge Meerjungfrau. Sie lebte im größten und weitesten Meer, das die Welt zu bieten hat...' Es dauerte nicht lang, da war ich schon mitten in der Geschichte - kleine Tränen, die meine Wange entlanglaufen...

Derek:
(Zeitsprung) -----> Zimmer 205
-------> Schulbibliothek
Ich kam an der Bücherei vorbei. Wie lange war ich hier nicht mehr gewesen? Ich ging hinein. Es brannte Licht, also musste irgendjemand hier sein. In diesem Teil der Schule war es viel kälter, als sonst überall, warum auch immer. Ich schnippte mit den Fingern und ließ eine kleine Flamme auf meiner Hand tanzen. Das Feuer rief bei mir immer ein Glücksgefühl hervor. Ob es mit jemanden bestimmten zusammenhing, oder einfach nur am Feuer wusste ich nicht... Wo war sie gewesen das letzte halbe Jahr? Ich erinnerte mich endlich an den Abend, an dem ich das letzte Mal hier gewesen war. An diesem Abend hatte ich so viel Kraft gehabt wie noch nie. Und das alles nur wegen ihr: Siana. Wir hatten auf einem der Sofas gesessen... Wo war das noch einmal gewesen? Ich schlenderte auf der Suche nach dem Ort an dem sie mir etwas aus ihrem Lieblingsbuch vorgelesen hatte durch die Bibliothek. War es nicht dort gewesen? Das türkise Buch, dass ich mit Hilfe des Feuers aus dem Regal geholt hatte? Ich hatte nicht einmal eine Leiter gebraucht... Langsam ging ich weiter. Da war es: Das rote Sofa. Es kam mir vor, als würde ich es mir einbilden, denn dort saß Siana und las das Buch... Umso näher ich ihr kam, desto stärker leuchtete die Flamme, die auf meinen Handflächen tanzte. Das musste sie sein. In mir breitete sich ein Gefühl aus, als würden abertausende Schmetterlinge in mir fliegen. Ich zauberte einen Flammenschmetterling herbei und schickte ihn zu ihr, ließ ihn sich auf ihre Schulter setzen. Würde sie ihn bemerken? Würde sie mich bemerken? Vorsichtig kam ich ihr näher.

Siana
Während ich las schien sich die Welt um mich herum zu erwärmen und zu strahlen. Zuerst hielt ich es für die Sonne, die inzwischen den Raum erhellte, aber dann war es plötzlich extrem warm-direkt neben meinem Ohr. Langsam drehte ich den Kopf zur Seite und sah den kleinen Feuerschmetterling auf meiner Schulter sitzen. Ich starrte ihn an, verblüfft dass mir das Feuerwesen nicht wehtut. Doch dann zählte ich Eins und Eins zusammen. "Derek!" Hastig legte ich das Buch zur Seite und rannte, immer noch Tränen in den Augen, mit ausgestreckten Armen auf ihn zu.

Derek:
"Siana", flüsterte ich, noch bevor der Schmetterling erlosch. Ich nahm sie fest in meine Arme, bereit sie nie wieder loszulassen. "Was war los das letzte halbe Jahr?", fragte ich bedrückt. Ich hatte sie so sehr vermisst, und das obwohl ich gerade mal einen Abend mit ihr verbracht hatte. Hatte mich gesehnt nach der Ruhe, der Stärke, die sie ausstrahlte und auch nach ihren großen Augen. Wie würde es nun weiter gehen? Was würde jetzt passieren?

Siana

Vorsichtig löste ich mich aus der Umarmung und antwortete: "Nunja, ich bin in der Junior. Und wenn ich gerade nicht in der Junior bin, bin ich immer nur hier. Weißt du, ich bin recht gut darin nicht aufzufallen." Lächelnd wischte ich die Tränen aus meinem Gesicht. "Ich hab gerade 'Verschwommen' gelesen. Das Buch das ich dir damals vorgelesen habe, weißt du noch?"

Siana
Ich sah auf meine Uhr und bevor er auf meine Frage antworten konnte, rief ich: "Oh nein! Ich muss in mein Klassenzimmer!" Ich sah zu ihm auf und mein Herz hämmerte nervös. Ich zögerte kurz. Doch dann stellte ich mich auf meine Zehenspitzen und küsste kurz seine Wange. Als ich zurücklehnte strichen meine Finger über meine Lippen. Was hab ich getan? Bevor er irgendetwas erwidern konnte, ging ich meinen alten Gewohnheiten nach: Meine Tasche an die Brust gepresst, floh ich.

-----> Klassenzimmer der Juniors

Verdammt! Sry... :/

Derek:
Natürlich erinnerte ich mich an das Buch! Wie würde ich diesen Abend nur vergessen können? Perplex sah ich ihr nach. Was war das gerade gewesen? Wo ging sie jetzt hin? -In das Klassenzimmer der Juniors... In der Hoffnung sie zwischen all den Regalen zu finden, rannte ich ihr nach. Doch ich fand sie nicht mehr. Sie kannte sich hier wohl besser aus als ich, was mir auch ziemlich logisch erschien. Wohin sollte ich jetzt gehen? In meine Klasse? -Niemals. Ich musste sie sehen. Jetzt. Unser Lehrer würde es schon verstehen, würde ich zu spät kommen... Schließlich verspätete er sich auch ständig.

--------------------->Klassenzimmer der Juniors

---------------->Klassenzimmer der Freshmen Siana
Ich betrete die Bücherei und atme tief durch. Meine Gedanken drehten sich nur um ihn und wenn ich an ihn dachte hatte ich das Gefühl vor Glück umzukippen. Ich lies mich auf dem kleinen roten Sofa im hinteren Teil der Bibliothek fallen und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Nach einigen Minuten hatte ich mich wieder etwas beruhigt und setzte mich auf. Ich schob meine Haare hinter meinen Ohr und stand auf. Wie lange ich noch auf ihn warten musste, wusste ich nicht, aber ich war mir sicher, dass es zum Lesen reichen würde. Allerdings hatte dieses Mädchen mit dem unmerkbaren Namen 'Verschwommen' gegeben, also tanzte ich durch die Regale zu irgendeinem Lied das mir gerade durch den Kopf ging auf der Suche nach einem geeigneten Buch. Es erschien mir, als gehörte diese Bibliothek mir. Es war meine Bücherei. Wenn ich hier war, war ich immer allein. Oder allein mit ihm. Wie auch immer ich es drehte, diese Hallen waren mein Zufluchtsort abseits der riesigen Welt. So fand ich mich nach einiger Zeit singend und drehend umgeben von Liebesroman, bis ich mich außer Puste zwischen den Regalen auf den Boden fallen ließ. Es war als wäre ich ihn einem Rausch, einer Art Liebeswahn, ein Putschmittel für Glücklichkeit. Ich rollte mich auf meinen Bauch und zog das erste Buch heraus, das ich sah und begann zu lesen.

Derek:
----> Klassenzimmer der Freshmen
Ich betrat die Bibliothek und suchte in den Gängen zwischen den riesigen Bücherregalen nach Siana. Sollte ich nach ihr rufen? -Nein, so machten das normale Jungs... Ich lief einfach lautlos weiter, und als ich bei den Liebesromanen vorbeikam, flatterte plötzlich wieder einmal ein Schmetterling aus meiner Handfläche... Diese Schmetterlinge waren langsam nervig und langweilig... Oder nicht? Sie ließen mich Sianas Anwesenheit komischerweise stärker spüren. Jetzt schien sie sich beinahe neben mir zu befinden... Mein Herz wurde so warm, als würde es gleich anfangen zu brennen... "Siana?", flüsterte ich.

Syrena
„Wow“ entfuhr es mir, eine so riesige Bücherei hatte ich noch nie gesehen! Duzende Regale voller Bücher, sowohl neue als auch alte abgegriffene. Ich ging zum ersten Regal und erkannte, dass alle Bücher wohl nach Thema geordnet waren. „Verschwommen“ stand laut Büchereistempel bei Liebesromanen, naja ich hätte es unter Fantasy eigeordnet aber, was solls! Ich summte vor mich hin während ich durch die Reihen lief. Es war so ruhig, ich fand es wunderbar, es ließ einen gekonnt verdrängen, dass es an dieser Schule nicht nur schönes gab.
ich überlegte wie ich Siana sagen sollte, dass ihr Buch wieder hier war. Ich bog in die nächste Reihe ein und schob das Buch behutsam ins Regal.

Syrena
ich drehte mich um und ging. Ich musste mich richtig zusammen reißen um mir nicht einen Stapel Bücher mitzunehmen, aber ohne mich konnte Seyia nicht ins Zimmer, als ging ich allerdings nicht ohne einen sehnsüchtigen Blick zurück zuwerfen.
----> Zimmer 306