Kyle
Ich hatte mir vorgenommen, Mira ein neues "Bühnenoutfit" zu schenken. Irgendwas an ihr brachte mich einfach dazu, ihr zu vertrauen. Ich hätte es ja einfach gekauft und ihr gegeben, aber wenn ich ihre Größe falsch geschätzt hätte... ich habe gehört Frauen reagieren auf so etwas allergisch. Das Gespräch gestern mit Mr. "Ich-komme-aus-Paris-und-biete-Ihnen-eine-Karierre-dort" entwickelte sich schnell in ein Gespräch mit Mr. "Ich-will-nur-billig-Kunstwerke-kaufen-und-teuer-zuhause-verkaufen". Nunja, sicher bietet sich eines Tages eine noch bessere Gelegenheit, um groß rauszukommen. Ich trage heute eine teure Jeans und eine elegante Lederjacke. Elegant sehe ich immer noch aus, aber sicher normaler als gestern in meinem Armani. Ich denke Mira wird das etwas angenehmer sein. Als ich so die Straße entlanglaufe und den Pfützen vom gestrigen Regen ausweiche, sowie den vielen Passanten auf dem Gehweg, fällt mir auf, was für eine verrückte Situation das doch eigentlich ist. Ich gehe mit einer wildfremden Straßenmusikantin einkaufen. Warum? Als ich ihre Stimme zu einem melodischen Lied mit einprägsamen Rhythmus höre, erinnere ich mich, warum. Sie erinnert mich an mich selbst, als ich meine Bilder auf dem Flohmarkt verkaufen wollte. Die Leute kamen überraschenderweise und das war wohl der Anfang meiner Karriere.
Ich stehe nun hinter einer handvoll Menschen die sich um Mira versammelt haben und miteinander reden. Sie stehen dort, genießen die Musik, aber dennoch ignorieren sie Mira. Und ihren leeren Gitarrenkoffer sowieso. Ihre Stimme hat so etwas vertrautes! Ich warte, bis das Lied zu Ende ist und dann dränge ich mich zwischen den Menschen zu Mira durch. "Wunderbar!", rufe ich und applaudiere laut. Als Einziger, verständlich. Ich drehe mich wieder zu den Menschen, die mich anglotzen. "Sie könnten ruhig auch mal klatschen, oder der Dame wenigstens ein paar ihrer schmutzigen Quarters geben. Aber nein, Sie stehen hier natürlich nur rein zufällig herum, und gehen ganz unauffällig, wenn sie fertiggesungen hat!" Die Menschen schauen mich verdutzt an und ich wette, dass auch Mira das tut. Ein kleiner Junge tritt hervor und hält mir zwei kleine Münzen aus seiner Hosentasche hin. Ich lache und führe ihn zu dem Gitarrenkoffer. "Noch jemand?", frage ich. Ein paar Menschen treten tatsächlich hervor und schmeißen Kleingeld und einige Scheine in den Koffer, bevor sie leicht beschämt weitergehen. Dann drehe ich mich wieder zu Mira. Ja, sie schaut tatsächlich so verdutzt, wie ich es mir erhofft hatte. Mit einem breiten Grinsen sage ich: "Packen Sie mal bitte Ihre Sachen zusammen. Ich habe eine kleine Überraschung für Sie."

Kyle.
Das hatte ich erwartet, also sagte ich bestimmt: "Nehmen Sie´s mir nicht übel," Wie hieß sie noch gleich? "Mara..." Ihrem Blick zufolge war das nicht ihr Name, aber ich sprach weiter: "aber in diesem Aufzug würden Sie tatsächlich als Prostituierte durchgehen. Ich gehe jetzt diese Straße entlang und dann nach links. Dort ist eine Modeboutique. Ich weiß ja selbst kaum, warum ich das tue, aber dort werde ich Ihnen... Kann ich eigentlich "du" zu dir sagen? Ich spreche dich ja sowieso immer mit deinem Vornamen an..." Wieder sprach ich ohne eine Antwort abzuwarten einfach weiter. "Nun, dort bekommst du was ordentliches zum Anziehen. Grundsätzlich bin ich ja ein Fan von Kleidern. Sie betonen unheimlich stark die Taille der Frau." Da sprach wieder der Künstler in mir. Ich blickte nach oben. "Aber bei diesem Wetter erscheint mir das unpassend, nicht? Nun dorthin werde ich nun gehen. Und du kannst mir folgen, oder du lässt es bleiben. Ich werde dich weder dazu zwingen, noch mit einem Lieferwagen in den Puff verfrachten." Bevor sie sich überlegen kann, ob sie mitkommen möchte, oder nicht, laufe ich schon die Straße hinab ohne mich umzublicken. Ein Grinsen umspielt meine Lippen-ich weiß, es klingt mies, aber es macht Spaß sich so machtvoll zu fühlen. Und vielleicht ist es auch ein bisschen das hübsche Mädel auf der Straße? Ach Quatsch!

Kyle
Im Eingang der großen "l'amour-boutique" blieb ich stehen und drehte mich mit verschränkten Armen um. Zuerst war es mir etwas peinich, da sie nicht hinter mir war, doch dann sah ich sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite verwirrt durch die Gegend schauend. Sicher war ich etwas zu schnell gelaufen. Ich winkte sie zu mir. Gleich würde es zu regnen beginnen und ich wollte nicht, dass sie noch schlimmer aussah. Schließlich hatte ich ja auch irgendwie einen Ruf zu schützen. Wow! Ich höre mich ja schon an, wie einer dieser abgehobenen Geschäftsfutzis! Nunja, vielleicht war ich das ja auch. Von mir selbst angewidert schob ich den Gedanken beiseite und lächle Mara, nein! Mira, hieß sie! ...und lächle Mira freundlich entgegen als sie die Straße überquert. Ganz der Gentleman lege ich meine Hand auf ihren Rücken und leite sie in den Laden. Sicher fühlt sie sich wie eine Prinzessin bei dem Anblick der Boutique. Das Ambiente hier ist das schönste, das ich je in New York irgendwo gesehen habe. Versteckte Beleuchtungssysteme lassen die Wände in einem seichten Roséton erleuchten. Pflanzen verschiedenster Arten schmücken leere Ecken. Und die Kleider! Alles Designerstücke. Es ist wunderschön hier! Ich atme tief durch und der zarte Duft von Flieder erfüllt meine Nase. Mein Blick fällt wieder zurück auf die kleine Wilde, die ich hierhergebracht habe. Mit einem erfüllten Grinsen sage ich zu ihr: "Such dir was aus, Goldkehlchen!"

Kyle
Fassungslos strahlte sie mich an-dieser Blick. Es war der Blick eines Kindes im Süßigkeitengeschäfts. Strahlend. Fassungslos. Glücklich. "Ja!", sage ich, "du hast die Wahl!- Leder, Cord, Bouclé. Leinen, Samt, Pelz. Spitze! Taft! Seide!" Ein verrücktes Lachen entfährt mir. "Es ist alles da! Such dir was aus!" Ich ziehe meine Kreditkarte aus meinem Geldbeutel und wedle sie vor ihrer Nase herum, als ich zwinkernd hinzufüge: "Und ja keine Bange was das angeht, ja?"

Kyle
Ich folge Mira in die Lederabteilung. Neben der Anzugabteilung bin ich am liebsten hier. Die Lederjacke, die ich momentan trage, stammt auch aus der l'amour boutique. Ich stehe auf der anderen Seite der Kleiderstange, die Mira gerade durchsieht und frage sie zwischen Jacken, Kleidern und anderen Ledersachen hindurch: "Also mein Goldkehlchen, sag mir-Wieso bist du dir nicht sicher, wie du heißt? Ich meine, so etwas sollte man eigentlich wissen!" Während ich auf ihre Antwort warte, begutachte ich eine dunkelbraune Lederjacke mit goldenen Nieten am Bund. Ich frage mich, ob es sich um Echtgold handelt. Schließlich kostete das Ding Tausend Dollar!

Kyle
Es war ihr wohl unangenehm darüber zu sprechen. Um vom Thema abzulenken ging ich um den Kleiderständer herum und sah mir das Kleid an, das sie hervorgezogen hat. "Für meinen Geschmack etwas zu schlicht", murmle ich, "aber jetzt zieh es doch einfach mal an. Da hinten sind die Proberäume." Mit einer eleganten Handbewegung zeige ich zu dem großen Säulenbogen am anderen Ende des Geschäfts. "Nach dir Mira", füge ich noch hinzu.

Kyle
Ich sehe, wie sie aus dem Proberaum läuft. Bei ihrem Anblick verschlägt es mir die Sprache. Ihre langen Haare fallen elegant wie ein Wasserfall von ihrem Kopf. Sie faszinieren mich. Im Spiegel kann ich ihr süßes kleines Lächeln ausmachen, und ihre strahlenden Augen. "So wunderschön!", entfährt es mir verträumt. Ich schüttle den Kopf und füge schnell hinzu: "Das Kleid! Ich meine das Kleid, es ist wunderschön. Es steht dir sagenhaft, Mira!" Ich lächle etwas peinlich berührt. Sie inspiriert mich irgendwie. Das tiefe Blau ihrer Augen. Das satte schwarz des Kleides und das zarte Lila ihrer Haare. Meine Hände schreien nach einem Pinsel! "Nimm es!", sage ich zu Mira. "Dieses Kleid vervollständigt dich. Nimm es."

Kyle
Sie gab mir das Kleid aus dem Proberaum heraus und ich ging zur Kasse. "Danke Lilly", sage ich zur Verkäuferin. Mit aufgesetztem Lächeln antwortete sie: "Nein, ich danke Ihnen Mr.Sherman. Es war wie immer ein Vergnügen, Sie hier zu sehen."Ich stelle mir einfach immer vor, es würde die Angestellten hier wirklich interessieren, dass ICH hier bin. Eigentlich mögen sie ja nur meine Brieftasche... Es wäre aber zu schade um diese Boutique, sich darüber aufzuregen. Lilly steckte das Kleid in eine große schwarze Kartontüte, auf der mit großen weißen Lettern das Logo der "l'amour boutique" gedruckt war. Freundlich verabschiedete ich mich und stellte mich wieder in den Eingangsbereich des Geschäfts, um auf Mira zu warten. Lässig lehnte ich mich an eine der großen Säulen und stellte die Tüte neben mich.