Nicolas:
Nachdem ich nun wusste, wer ich war, verspürte ich den unaufhörlichen Drang, Blut zu mir zu nehmen. Wie sollte ich das nur anstellen? Gab es noch andere meiner Art, die ich um Hilfe bitten konnte? 'Nein, du bist allein, Nicolas. Du brauchst die anderen nicht.', sagte ich zu mir selbst. Mir ging ein Licht auf und ich machte mich auf in die Stadt. Ich besuchte eine der Frauen, deren Hilfe ich schon oft in Anspruch genommen hatte... "Ich brauche dich, meine Teure.", spielte ich ihr vor. "Ich Liebe dich!", log ich. Es fühlte sich so gut an zu lügen... Besser denn je, denn ich verspürte nicht die geringsten Schuldgefühle. Die Frau, deren Namen ich vergessen hatte, schaute beeindruckt zu mir auf und bat mich nach drinnen. Ich hörte ihr Herz schlagen und sag nahezu wie ihr Blut pulsierte... 'Reiß dich zusammen', ermahnte ich mich. Ich stürzte sofort auf sie zu und küsste sie, wobei sich unbemerkt meine Eckzähne in ihren Lippen verhakten und ich von ihrem Blut kosten konnte. Ich konnte kaum aufhören, sie auszusaugen... Ich küsste sie am ganzen Körper und biss immer wieder in die Adern, die besonders sichtbar waren... Sie ließ sich alles gefallen und als ich fertig und satt war, war sie zwar ein wenig erstaunt, verlor aber kein Wort darüber. "Ich werde jetzt gehen.", verkündete ich. Auf dem Flur begegnete mir ein kleines Mädchen. Sie hatte pechschwarze Haare und die gleichen Augen der Frau, deren Blut ich gerade getrunken hatte. Sie lächelte mich an und ich wusste wessen Lächeln es war: Meines. Wie ich befürchtet hatte, war ich schon längst Vater...

Nicolas:
Ich wusste nicht, was mit den Frauen, deren Blut ich stahl geschah. Ich wusste nicht, ob sie starben oder überlebten... Doch ich konnte nicht anders, als hin und wieder Blut zu trinken. Tagsüber verschanzte ich mich in dunklen Kellern, sodass mich die Detektive und Polizisten nicht fanden und nachts trieb ich mein Unwesen. So wie es schon immer gewesen war, nur, dass die Gerüchte zur Wahrheit geworden waren. Ich war ein waschechter Vampir und konnte somit noch mehr Frauen beeindrucken, als ich sowieso schon tat. Ich schien hypnotisierend zu wirken. Egal auf wen. Niemand nahm mich wirklich normal wahr, sie starrte mich nur mit seelenlosen Blicken an... Niemand traute sich mit mir zu reden...

Nicolas:
Während ich in meinem Keller ein kleines Schläfchen hielt, weckten mich die Kirchenglocken. Ein Flugblatt mit der Aufschrift "Witwe oder Braut?" flog mir entgegen. Ich sah mir die Karikatur an. Es war ganz klar eine Frau mit dunklen Haaren... Enttäuscht stand sie neben einem dieser adeligen Gentleman. Ich überflog die Zeilen und wusste sofort um was es ging. Ravenna sollte einen anderen heiraten... Ich war wohl für sie gestorben... Ich musste zu der Hochzeit. Sonne hin oder her: Ich würde es schaffen, auch wenn ab und zu meine Haut glitzerte... Ich rannte los. Ich rannte dem Lärm der Glocken entgegen. Schneller und schneller. Wenn sie der Heirat einwilligen würde, dann würde ich sie wohl für immer in Ruhe lassen. Sie würde die Kinder dieses Schnösels großziehen und ich musste dabei zusehen. Irgendwann würde sie sterben und ich würde verbleiben.

Nicolas:
Ich rannte den Berg zur Kirche hinauf. So, dass mich nicht ein einziger Mensch wahrnehmen können würde. Ich kam an der Eingangstür an und trat einfach ein. Alle Gäste sahen angespannt nach vorne zum Altar. Alles war weiß... Alles, wirklich alles. Wie grässlich. Ich hörte, wie Ravenna begann ihre Antwort zu stammeln. So würde mich niemand bemerken... Nicht einmal sie... Ich huschte nach vorne und stellte mich neben den gekreuzigten Messias. "Willst du nicht...", murmelte ich bestimmt und würdigte den Bräutigam mit meinen durchbohrenden Blicken. Sie würde doch nicht ernsthaft einen dieser Trottel heiraten!

Nicolas:
"Denkst du ich könnte jemals sterben?", fragte ich sie mit Distanz. Ich spürte nämlich wie ich nach ihrem Blut dürstete. Ich blieb stehen und musterte genau. Sie sah grauenvoll aus in diesem Kleid. Weiß war völlig unpassend für sie. Es ließ sie kraftlos und ausgehungert wirken... Oder war sie das wirklich? "Was hat er dir nur angetan!", stieß ich aus und warf dem Bräutigam einen abstoßenden Blick zu. Dann musterte ich weiter und betrachtete ihren Bauch genauer. Obwohl sie einen weiten Rock trug, sah ich, dass ihr Bauch sich ein wenig wölbte. Ich hatte also wie immer Recht gehabt... "Komm her und lass dich... ", weiter kam ich nicht, denn schließlich konnten mir alle zuhören und mich alle sehen. Was sollte ich nur tun? Viele Menschen würden mich nun wohl verfolgen und jagen...

Nicolas:
Ich lief ihr gemütlich hinterher, was für mich nicht die geringste Anstrengung war. "Sieh doch genau hin: Ich atme nicht.", informierte ich sie sachlich und zupfte vorsichtig ihren Schleier weg. "Scheiß auf den Schleier!", rief ich aus und küsste sie kurz. "Sie durfen den Bräutigam nun küssen.", beendete ich mit einem schelmischen Grinsen. die lächerliche Hochzeitszeremonie. 'Jetzt hör schon au zu weinen!', dachte ich an sie gerichtet, denn ich hatte kein Taschentuch dabei.

Nicolas:
Bestürzt nahm ich sie in meine Arme und versuchte dabei den Geruch ihres Blutes zu verdrängen... Ihre Wärme zu ignorieren...
"Ich weiß, ich weiß...", beruhigte ich sie und tätschelte ihr auf den Rücken. "... Ich hab doch immer Recht."
Ich war einfach zu glücklich, dass sie diesen Schnösel stehen gelassen hatte, der nun wie ein Schwächling im Vergleich zu mir wirkte. Ich streichelte vorsichtig mit meiner rechten Hand über ihren Bauch und fühlte dabei noch ein Herz schlagen. "Du... Du... Musst von mir weg, wenn du willst, dass dein und das Leben des Kindes in Sicherheit ist...!", gestand ich ihr erschrocken und schob sie von mir weg. "Geh!", befahl ich ihr. Womöglich war es doch besser sie würde, um in Sicherheit zu sein, diesen Gentleman von adeligem Engländer heiraten. "Ich... hasse dich nicht, aber du solltest trotzdem gehen..." Warum um alles in der Welt sollte ich ausgerechnet sie hassen?!