Der Mann merkte wie es ihm immer schwerer wurde ihr nicht zu antworten oder wenn die verwendeten Worte so knapp wie möglich zu halten. Er hätte ihr nicht antworten dürfen, denn nun schien es ihm unmöglich aufzuhören. Er zwang sich regelreicht die Augen geschlossen und das Gesicht zur Decke gewandt zu lassen, aus Angst der Mann hinter der Scheibe würde in seinem Blick die Wahrheit sehen. „Sicher,“ beinah hätte er aufgelacht. „Sicher in einen Keller gesperrt und jetzt in diesen Raum.“ Seine Gedanken durchwanderten die Halle, in welcher er die letzte Zeit lebte, tastete sie ab und griff nach der Jacke. Sie lag immer noch dort, wo er sie abgelegt hatte und in ihr das Foto. Er wollte es so gerne an seinem Körper tragen, doch dort war es nicht sicher. Es wäre nie bei ihm sicher. Sie hätte es behalten sollen. Jetzt roch die ganze Halle nach ihr, was ihn zusätzlich verrückt werden ließ. Vielleicht war es Zufallen, dass sie beiden noch vor ein paar Sekunden den gleichen Gedanken hatten, nur das sie ihn ausgesprochen hatte. Mit ihr hier eingesperrt wurden zu sein, bedeutete viel mehr ihre Sicherheit. Nun konnte weder er noch sie verletzt werden. Für eine Stunde waren sie in Gedanken frei.

Liron betrachtete die Frau vor ihm ausdruckslos, ehe er ihr Halsband los ließ, jedoch noch an Ort und Stelle verharrte. „Nein, ist es nicht.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen, doch dieses Mal war es echt und gedankenversunken. „Du bist nicht die Erste. Da gab es schon einmal jemand.“ Die dunklen Augen waren unbewusst zum Boden gewandert, allerdings hob Liron sie nun wieder, um die Hündin grinsend anzusehen. „Ich werde mein Bestes geben, Gideon davon abzuhalten, mich noch einmal hier rein zu stecken.“ Damit drehte er dem Hund den Rücken zu und ging zwei Schritte, zurück in die Dunkelheit. Plötzlich hielt er in der Bewegung inne, als sei ihm noch etwas eingefallen. „Ach und, wenn dir so heiß ist, liegt das bestimmt nicht nur an dem Namen, Hexe.“ Sprach er ihn absichtlich ein weiteres Mal aus. „So ist das nun mal mit dem Feuer. Es macht einen doch fast unwiderstehlich.“ Er würde wohl oder übel auf ihre Späße eingehen müssen, immerhin musste er zugeben, dass sie es schaffte, ihn damit abzulenken. Jedoch würde ein längeres nachdenken über diese Tatsache, seine vermeintlich gute Laune nur zu schnell wieder verschwinden lassen.

April sah auf, während sie die Beine an den Körper zog und die Arme um sie schlang. "Ja, sicher.", wiederholte sie entschieden. Er tat beinahe so, als würde er sie nicht im geringsten ernst nehmen, als würde er sie auslachen. "Ich kann dich sehen, ich könnte mich vor dich stellen, ich könnte dich beschützen. Ich weiß, dass es dir gut geht, dass dir in diesem Moment keiner mehr etwas antut.", verteidigte sie ihren Gedanken. Schmollend vergrub sie ihr Gesicht in den Knien, nur noch die hellen Augen auf Arved gerichtet. "Das ist mehr als ich in den vergangenen Monaten von mir behaupten konnte. Viel mehr sogar. Ich war mit der Schuld ganz allein, ich war Schuld an deinem Tod. Ich kann mir das nicht verzeihen, niemals. Selbst mit deinem Leben bleibt dieses Gefühl der Schuld. Aber ich werde alles dafür tun, dein Leben jetzt zu bewahren. Und das kann ich am besten, wenn ich an deiner Seite bin." Zumindest war dies eine Seite der Betrachtung. Die andere Seite war das stete unvernünftige Verlangen nach seiner Nähe. Nicht aus schuld, sondern aus Liebe.

"Du verlässt mich doch nicht, oder?", schluchzte die Blonde dramatisch. "Also hast du bereits eine andere? Was ist mit unserer Beziehung? Ich meine, hat es denn zwischen uns nicht", ein breites grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, aufgrund des folgenden Witzes, "gefunkt?" Wieder schnipste sie mit den Fingern ein paar Funken und griente den Mann an. "Wir haben doch schon so viel gemeinsam erlebt, teufelchen. Du, ich, sadistische fesselspiele, der Schein des Feuers, der Sorgerechtsstreit um unser kleines Mädchen... Wirst du mich denn nicht vermissen?" Jammernd fasste sie sich als Herz und sah ihn an, als hätte sie es wirklich getroffen, doch eine wirklich gute Schauspielerin war sie nicht.

Ja, sie dachten tatsächlich das gleiche. „Dann kann ich ja in Ruhe schlafen.“ Kommentierte er ihre Worte mit einer Lüge. Als könne er jetzt schlafen. Sein letzter Schlaf lag über drei Monate hinter ihm, wie sollte er nun sorgenfrei ruhen? Zu Beginn der Folterungen hatte er tatsächlich jede freie Minute genutzt um dem Schlaf nachzugeben und seinem Körper ruhe zu gönnen, doch um so stärker waren die Qualen, als er wieder geweckt wurde. So versuchte er wach zu bleiben, Gideon bereits zu erwarten, sich mit aller Kraft gegen die eigene Erschöpfung zu wehren. Danach musste sich sein erschöpfter Körper die Ruhe gewaltsam holen, in dem er den Schwarzhaarigen ohne Vorwarnung in die Bewusstlosigkeit schickte. Am Ende lernte er auch diesen Schutz seines Körpers abzustellen, sodass er die freie Zeit mit anderem verbrachte, als schlafen. Mit denken. Auch wenn seine Gedanken nicht weit kamen oder nicht mussten. Es reichten ein paar Ebenen in Richtung der Oberfläche nach oben, eine einzelne Person und ein Name. Er hatte das Gefühl, dass er jedes Mal, wenn er die Augen schloss und sich der Erschöpfung hingeben würde, ein Stück mehr von April verlieren. Als könne er dadurch nie wieder zu ihr zurück. Aus Angst etwas zu verpassen. Aus Angst sie zu verpassen.

„Mach dir nicht ins Hemd.“ Da war wieder das genervte brummen von Liron. „Das ist ja kaum auszuhalten.“ Er war den Weg wieder zurück gegangen, von dort wo er gekommen war, sodass er sich nun gegen die kalte Wand lehnte. Mit verschränkten Armen atmete er tief durch und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Es machte kaum einen Unterschied, ob er die Augen schloss oder offen behielt. Die Dunkelheit blieb und mit ihr die Stimme eines jammernden Hundes. „Ein Maulkorb wäre jetzt praktisch.“ Murmelte er. Gideon schien tatsächlich von ihm etwas zu erwarten, man konnte sich auch nicht gerade schwer sein Gesicht vorstellen, wenn Liron ihm die enttäuschende Nachricht überbringen würde. Er hatte nichts herausfinden können, es wäre sinnlos und er würde hier nicht wieder rein gehen. Nur, wenn er richtig lag, dann hatte Gideon nicht vor ihn vor dem Auslaufen der Stunde hier ausholen. Er würde hier so lange feststecken, wie April oben in dem gleichen Raum wie der andere Hund eingesperrt war.

Angespannt beobachtete April den jungen Mann, doch sie antwortete nun nicht mehr. Ihre Gedanken hingegen kreisten einzig und allein um ihn. Sie liebte eine Illusion, dem war sie sich nun bewusst, doch irgendwo in ihm steckte sicherlich noch ihr Arved. Er hatte so viel Leid ertragen müssen, dass sie nur sich selbst die Schuld vorwerfen konnte. Vielleicht hätten sie nicht weglaufen dürfen, oder aber sie hätten schneller laufen müssen. Letztlich war immer sie das Hindernis, deswegen war sie nun die, die Leiden musste. Aber sie war auch die, die nun für beiden zu kämpfen hatte. Gedankenverloren sah sie ihn an. Da sie unterhalb der Scheibe saß, würde man sie sicherlich nicht sehen. Hier war sie sicher und ungestört. Hier konnte sie auf ihn aufpassen. Einige Zeit lang sah sie ihn an, doch als er sich nicht regte, vermutete sie dass er schlief. Und so schloss auch sie die Augen, denn für einen Moment brauchte sie keine Angst mehr um ihn haben.


"Einen Maulkorb?" Keye zuckte gelassen mit den Schultern. "Wer darauf steht." Langsam zog sie sich in ihre Ecke zurück. Langsam verging ihr der Spaß daran, ihn zu ärgern, weil er nicht mehr so schön darauf ansprang. wieso schickte Gideon ausgerechnet diesen Kerl ohne Ambitionen.

~
Er hatte aufgehört mit zählen, wie oft er schon ein Auge geöffnet hatte, nur um sich zu versichern, dass sie immer noch dort saß, wo sie sich vor Minuten hingesetzt hatte. Auch wenn er sich anschließend immer wieder dafür rügte, so öffnete sich immer wieder sein linkes Auge, damit er flüchtig ihren Anblick erhaschen konnte. Es reichte sie einfach nur dasitzen zu sehen, damit seine plötzlich aufgetretene Panik wieder verschwand. Lächerlich, betitelte er sich selbst in Gedanken und schloss das grell blaue Auge wieder. Zu Beginn war es die Überraschung, dass sie mit einem Mal schwieg und sogar eingeschlafen zu sein schien, doch am Ende war es einfach nur Neugierde oder Schwäche. Schwäche dem Versuch nicht stand halten zu können. Gerade als es ein wieder einmal kaum aushalten konnte und nachgeben wollte, hörte er das verräterische kirren eines Schlüssel im Schlosses. Damit würde ihre gemeinsame Zeit wohl enden. „Aufwachen, die Stunde ist vorbei.“ Brummte er in Richtung des Mädchens, ohne sich aus seiner Position zu bewegen, nur die Augen hatte er vollständig geöffnet. Auch wenn es dem Mann hinter der Scheibe wahrscheinlich missfallen würde, dass er sie gewarnt hatte, so konnte er es mit sich selbst nichts aus machen, sie unwissend und schlafend auf Gideon treffen zu lassen. „Hallöchen, meine Beiden.“ Lautete die fröhliche Begrüßung, als der weißhaarige Schopf sich durch die nun geöffnete Tür schob. „Und wie war diese Stunde? Verging schneller als gewollt, was?“ scherzte er, auch wenn der Schwarzhaarige im Raum das Gefühl hatte, dass er damit ein weiteres Mal geprüft wurde. Allerdings streckte dieser sich nur und zog danach die Füße vom Tisch, um sich richtig hinzusetzten, beide Ellenbogen auf den Oberschenkeln abgelegt und so nach vorne gelehnt. „Wenigstens hatte ich hier ‘nen Stuhl.“ Lautete seine resignierte Antwort, welche Gideon mit einem schrägen Lächeln zur Kenntnis nahm.

Noch bevor Gideon seinen Kopf durch den Türspalt des Verhörraumes gesteckt hatte, hatte er eine andere Person aus ihrer auferlegten Pflicht befreit, allerdings einige Etagen tiefer. Liron hatte zu diesem Zeitpunkt, als der Mann die grelle Beleuchtung schlagartig angestellt hatte, auf einen Stuhl gesessen. Er hatte die Arme verschränkt und den Kopf in den Nacken fallen lassen, als wolle er die Decke betrachten. Liron musste bei der abrupten Helligkeit in der Halle die Augen zusammen kneifen, ehe sie sich ganz langsam an das Licht gewöhnten. „Und? Wie ist es euch ergangen?“ fraget Gideon neugierig, offensichtlich erwartungsvoll, was Liron alles herausgefunden hatte.
„Ätzend.“ Brummte dieser jedoch nur und erhob sich leise ächzend. Er konnte es kaum erwarten hier endlich raus zu kommen. Den Rest der Stunde hatten sie nur damit verbracht, sich gegenseitige zusammenhangslose Kommentare jeweils an den Kopf zu werfen oder über Sachen zu diskutieren, die völlig irrelevant waren. Doch am Ende, hatte niemand die Fragen des anderen beantwortet. „Kann ich jetzt endlich nach oben?“ fragte der jüngere der beiden Männer, während er den Stuhl lautstark über den Boden zur Wand schleifte. „Natürlich.“ Erhielt er die gewünschte Antwort von Gideon. „Die Stunde ist vorbei und für heute kann ich euch auch entlassen.“ Liron registrierte die Freigabe mit einem Nicken und folgte dem Mann zur eisernen Tür. Rückblickend war diese verbrachte Stunde reine Zeitverschwendung und völlig überflüssig gewesen. Diese Hündin gehörte beseitigt, wie all die anderen Köter aus dem Zwinger. Und dazu zählt auch dieser, nach welchen sich April nach all der Zeit immer noch sehnte.

Verschlafen blickte April auf, bevor bereits Gideons unangenehme Stimme ertönte. Sie verzog das müde Gesicht zu einer Grimasse, doch ihr Blick schnellte direkt wieder zu Arved, welcher nach wie vor auf dem Stuhl saß. Mit schweren Gliedern und einem schmerzenden Hintern erhob sich die Rothaarige. Jede Bewegung wirkte nun schwerfällig. Es war nicht so, als hätte sich die Stunde für sie gelohnt, jedoch war die Tatsache, dass sie Arved nun zurücklassen musste, ungeheuer belastend. Kurz rieb sie sich die Augen. „Ist es schon vorbei?“ Von ihr aus hätte es für ewig so sein können, denn so hatte sie ihr Leben für geringe Zeit unter Kontrolle. „Er muss doch jetzt nicht zurück in diese grässliche Zelle, oder?“

Keye saß wieder allein in der Dunkelheit. Viel hatte sich nicht geändert. Als Gideon ihren Teufel abgeholt hatte, konnte sie ihm geradeso an den Kopf werfen, dass er ihr ruhig öfter so einen pflegeleichten Beistand schicken konnte. Dem Feuerteufel selbst hatte sie nur geraten, ihr das nächste Mal Wasser mitzubringen. Diese Höflichkeit sollte doch sogar jemand wie er haben. Im Nachhinein war das sicherlich nicht die beste Verabschiedung, allerdings die amüsanteste. Es schien so, als müsste sich der Weißhaarige demnächst mehr ins Zeug legen. Mit so einem mickrigen Untertan, würde er niemals an seine Ergebnisse gelangen.

Gideon setzte eine betrübte Miene auf. „Tut mir leid, aber genau dorthin wird er zurück kehren müssen.“ Verkleidete er seine Antwort mit einer gespielten Entschuldigung. „Er hat ja doch keinen anderen Platz. Dort gehört er hin.“ Noch während er sprach tauchte hinter ihm im Türrahmen der zweite, etwas größere Mann auf, die dunklen Augen sofort auf seinen Gefangenen gerichtet. Ein strenger Blick und ein knappes Nicken, sofort erhob sich der schwarzhaarige vom Stuhl und ging mit zwei Schritten in Richtung Tür. „Außerdem,“ fuhr Gideon unbeirrt mit seiner Erzählung fort. „Würde es weder ihm, noch dir, eine angenehme Nacht verschaffen, wenn er bei den anderen Jägern schlafen würde. Die sind immer so nachtragend.“ Sichtlich amüsiert über die Vorstellung, was passieren würde, kehrte er seine Aufmerksamkeit zu dem Hund. „Wollen wir dann?“

"Wieso kann er nicht zu mir?", fragte sie naiv, obwohl sie die Antwort bereits kannte. "Liron könnte -", sie unterbrach sich selbst. Fragend blickte sie zur Tür. "Wo ist Liron?", folgte die wichtigere Frage. Wieso versuchte sie überhaupt noch Gideon von Arved zu überzeugen. Es ging ihm gut und solange sie sich nicht zu Nahe kamen, gäbe es auch keine Probleme. Zögernd sah sie zu Arved. Wieder kam der Drang in ihr auf, ihn zu berühren. Er ließ sich einfach nicht niederringen. Sie winkte alle vorherigen Fragen ab. "Egal. Ihr wolltet gehen und ich wollte mich verabschieden." Mit gesenktem Kopf streckte sie dem jungen Mann die Hand für einen förmlichen Händedruck hin. "Wir werden uns sicherlich nicht sobald Wiedersehen, bitte Pass auf dich auf." Sie hoffte so sehr, dass er diesen sinnlosen Akt der Höflichkeit hinnahm, ohne darüber nachzudenken. Nur so könnte sie ihn zumindest ein einziges Mal berühren.

Alles Schrie in dem Angesprochen die Hand zu ergreifen, doch er selbst weigerte sich seine eigene auszustrecken. Wenn er sie auch nur einmal berühren würde, reichte seine innere Kraft nicht dafür aus, sie wieder los zu lassen. Er wollte die ausgestreckte Hand auch bereits ignorieren, als er von der Seite eine Ermunterung erhielt. „Jetzt verabschiede dich endlich.“ Gideon sah den Schwarzhaarigen mit großen, auffordernden Augen an. Der Hund betrachtete wieder das Mädchen, dann die Hand und wieder das Mädchen. „ich geb mein bestes.“ Brummte er zum Abschied und wandte sich zum gehen, durch diese Tat waren auch die umstehenden Männer dazu angehalten aus den Türrahmen zu treten, sodass sie ihm für einen winzigen Augenblick den Rücken zudrehten. In dieser Zeit hatte der Schwarzhaarige die Hand gehoben und ihre nur flüchtig, jedoch sanft, berührt, ehe er seine Hand schnell in seine Hosentasche vergrub. Draußen im Flur zog Gideon den Hunde Peiniger zur Seite, bemühte sich jedoch darum so laut zusprechen, dass die Umstehenden ihn dennoch verstehen konnte. „Und? Wird er heute schlafen können?“ ein knappes Kopfschütteln, dann drehte sich der Weißhaarige auch schon wieder zu den restlichen. Der Hund wusste sofort was dieses Schütteln bedeutete. Er hatte einen Fehler gemacht. Ein Nicken in seine Richtung signalisierte ihm, dass er nun wieder ‚Nach Hause‘ ging. Er folgte dem grob gebauten Mann den Flur entlang, ein leises Lächeln auf den Lippen, ab den Zeitpunkt wo es keiner mehr sehen konnte. Er hatte es gewusst. Die Stelle, welche kurz ihre Haut berührt hatte, brannte. Brannte wie Feuer, welches sich mit den Flammen in seinem Herzen vereinte.

Das Mädchen sah verdutzt auf seine Hand, während ihm langsam mehr und mehr rote Strähnen in das Gesicht fielen. Er hatte tatsächlich die Hand berührt. Seine Berührung löste in April wieder die Wärme aus, nach der sie sich so lang gesehnt hatte. Kribbelnd und brodelnd wanderte das Gefühl ihre Fingerspitzen hinauf weiter in ihren Körper. Bilder von ihnen Beiden tauchten in ihrem Kopf auf, als sei es ein kurzer Blick in ihre gemeinsame Zeit. Ihr Kopf zuckte hoch. Wieso hatte er das getan? Sie stürzte dem Trupp hinterher und erstarrte, als sie das Urteil des stillen Beobachters erfuhr. Sie ballte die warme Hand zur Faust, damit dieses warme Gefühl nicht gleich entwich. Hilflos sah sie dem Schwarzhaarigen hinterher, der sich seinem Schicksal ergab und zurück in die dunklen Gewölbe musste. "Arved", April glaubte, sie hätte es nur gedacht, doch tatsächlich war der Name ihren Lippen in der Verzweiflung entflohen. Wieso verlor sie nicht die Hoffnung? Immer wenn sie beinahe aufgab, gab er ihr wieder etwas zum hoffen. Und dann wurde er ihr erneut aus den Händen gerissen. "Bitte, Er hat doch nichts falsch gemacht. Gideon, bitte!", rief sie verzweifelt den Männern hinterher.

Gideon erhob jedoch kein weiteres Wort, sodass keiner der beiden Männer innehielt. Sie verschwanden durch die Tür nach draußen und aus ihrer Sicht, ehe sich der Weißhaarige mit bedauernden Augen zu April umkehrte. "Tut mir leid, aber wenn sein Aufpasser etwas gefunden hat, dann wird es wohl stimmen. Die genauen Einzelheiten werde ich dir wohl erst das nächste Mal zukommen lassen können." es war sichtbar, dass diese Entschuldigung kein bisschen ernst gemeint war. "Diese Nacht wird wohl für euch beide etwas länger. Am besten, das sagst du Liron auch gleich noch mal. Apropos, wo bleibt er denn?"
Wie auf Stichwort wurde die Tür zu diesem Flur erneut geöffnet und der Dunkelhaarige trat herein. Die Hände in den Hosentaschen und ein ernstes Gesicht, doch kaum traf sein Blick April's Anblick erweichte sich sein Gesicht. Gideon hatte ihn mit zu sich nach oben genommen und versichert, dass er sie nun endlich wieder sehen durfte, doch die Bedingung war, erst herein zu kommen, wenn der Hund gegangen war. "Da bist du ja." begrüßte der Ältere ihn.
"Was kam raus?" fragte Liron, ohne auf die Begrüßung nennenswert einzugehen. "Er war unartig." seufzte sein gegenüber.

Verzweifelt blickte April Liron entgegen. Sie wollte ihm berichten, was geschehen war, doch noch wollte sie nicht die Hoffnung aufgeben, etwas an Arveds Schicksal ändern zu können. Er wäre wieder ganz alleine unten im Keller und wieder einmal wäre es ihre Schuld. Vielleicht hatte sie zu viel geredet oder das falsche gesagt, aber es lag sicherlich nicht an ihm. "Gideon!", flehte sie verzweifelt und kam auf ihn zu. "Er hat nichts falsch gemacht! Er hat kaum ein Wort mit mir geredet! Bitte, stoppe all das! Bitte, ich flehe dich an, tu ihm nicht weh. Tu ihm das nicht schon wieder an." Sie blickte sich hilfesuchend um. Langsam wurde ihr klar, dass Gideon den Welpen mit ihr eingesperrt hatte, um ihn zu bestrafen. Es war kein Test, war es sicher nicht, es war nur der Vorwand, dem hilflosen Welpen Schmerzen zuzufügen.

"Wie soll ich es denn stoppen, meine Kleine?" fragte der Mann, als würde er sich tatsächlich nach einer Lösung sehnen und sich nicht nur noch mehr daran ergötzen. "Die Beiden sind längst im Aufzug. Ich habe ihn den schlüssel gegeben." mit besorgtem Gesicht, legte er den Kopf schräg und sah April an, dabei hob er die Hand und legte sie ihr kurz auf die Schulter. "Es tut mir leid, aber ich kann da nichts mehr machen." es war eine Lüge, dass wusste er sowie auch Liron, welcher sich bis dahin nicht von seinem Fleck gerührt hatte. Vielleicht lag es daran, dass er die Situation immer noch nicht ganz verstand. Ging es wieder um den Köter? Was hatte er denn gemacht?Doch erhielt für seine unausgesprochenen Frage keine Antwort. Er brauchte auch keine Antwort mehr. Nein, er erhielt viel mehr. Denn mit Gideons folgenden Worten, wusste er nicht nur Bescheid, auch wusste er was auf sie zukommen würde. "April, ich würde dir nahe legen, lieber jetzt schon zu gehen." Schlagartig war sein gesamtes Gesicht zu einem unnatürlich breiten grinsen verzogen. Voller Freude und Genuss. "Du wirst diese Nacht nicht viel schlafen können. Aber das kennst du ja bereits."

"Tu das nicht... Bitte...", winselte April nur abermals und brach nun in stumme Tränen aus. Zitternd sah sie in die Richtung, in die Arved verschwunden war. Wie viel würde er dieses Mal vergessen? Sie selbst könnte es kaum ein weiteres Mal überstehen. Schluchzend blickte sie in das grässliche mark erschütternde Grinsen. Es war ein Grinsen, das sie im Schlaf verfolgen würde. Ein Grinsen, dass sie auf dich unbegreifbar schmerzliche Nacht vorbereiten sollte. "Er steht doch auf deiner Seite..." Langsam verloren sich die Worte in ihren Tränen und sie vergrub das Gesicht in den Händen,um die Tränen zu stoppen und die grausige Fratze nicht länger ansehen zu müssen. "Bitte.." Die Erinnerung an die vorherigen Schmerzen in ihrer Zelle ließen sie in Panik verfallen, ihr Herz raste wie verrückt. Es war als würde noch vor dem eigentlichen Schmerz ihre Seele mit dem Zerfall beginnen und eine brennende Qual in ihrem Herzen auslösen. Wieder hatte sie das Leid Arveds zu verantworten und kein Flehen half, sobald die Entscheidung gefallen war.

Liron drückte sich an Gideon vorbei und nahm April schützend in den Arm, als würde er damit das kommende Unheil abwenden können. Sein Blick galt dabei jedoch Gideon, welcher sich nun aufrichtete, unfähig das Grinsen los zu werden. „Er ist ein Hund, April. Er ist nur hier um zur Unterhaltung zur dienen. Hunde werden nie auf unserer Seite stehen.“ Klärte er das Missverständnis und stemmte währenddessen die Hände in die Hüfte. „Was macht ihr mit ihm?“ fragte nun Liron, zwischen seinen Brauen hatte sich eine tiefe Falte gelegt. Er ahnte was kommen würde und jegliches hoffen auf ein mildes ende war vergebens. Nicht bei Gideons momentanes Erscheinen.
„Das obliegt den beiden da unten.“ Schob der Weißhaarige die Verantwortung von sich.
„Dann lass es gut sein. Du hast sie drei lange Monate gequält. Allmählich sollte das doch an Reiz verloren haben.“ Als Antwort erhielt Liron ein kurzes Kichern. „Ich bitte dich, Liron. So etwas verliert niemals an Reiz.“

Einige Etagen tiefer waren die beiden Männer nun wieder in der dunklen halle angekommen. Dem Schwarzhaarigen war bereits wieder die Halskette angelegt wurden und nun wartete er in der Mitte des Raumes, dass es begann. Der andere schaltete ohne Vorwarnung das grelle Licht ein. Anscheinend wollte er ganz genau sehen, was er tat. Wenn der Hund zurück dachte, dann war das helle Licht immer an gewesen, wenn die Schmerzen kamen. Nur die Dunkelheit bedeutete für einen Augenblick Ruhe. „Knie dich hin.“ Lautete der Befehl. Der Angesprochene jedoch hob erst den Kopf, um zu wissen von welcher Seite sein Peiniger kommen würde, als man ihm auch schon in die Kniekehlen trat und er unweigerlich auf die Knie sank. „Erfahre ich meinen Fehler?“ fragte er mit rauer Stimme, den Kopf gesenkt.
Seine Antwort war ein krächzendes Lachen. „Das braucht ein Köter nicht zu wissen.“ Eine große Hand vergrub sich in das schwarze dichte Haar des Hundes und zog dessen Kopf ruppig zurück, in den Nacken. „Doch, einen sag ich dir.“ Eine kurze Pause entstand, da der Mann seine vergilbten Zähne durch ein breites Grinsen zeigte. „Du atmest. Das ist Fehler genug.“ Sein Kopf wurde wieder frei gegeben. „Weißt du, ich hab eine alte Weggefährtin von dir wieder hervorgeholt.“ Mit leeren Augen drehte sich der Kopf des Hundes um und sah in das grinsende Gesicht eines Mannes, welcher mit der Hand den langen Lauf einer schwarzen Peitsche nachfuhr. Ein weiteres Mal wiederholte sich seine Schmerzen und die damit einhergehende Einsamkeit. Er entschuldigte sich in Gedanken bei April, dass er sie davor nicht schützen konnte. Vielleicht war es gut, wenn er alleine war, dann brauchte sie nicht einer Illusion nach zu jagen. Einer Person, welche sich mit jedem Schlag drohte ein bisschen mehr zu verlieren. Doch dieses Mal ließ ihn ein Brennen, die soeben geschlossenen, Augen wieder öffnen. Er hob seine Hand uns betrachtete die Stelle, an welcher sich ihre Hände für einen kurzen Moment berührt haben. Wieder gab sie ihm Hoffnung. Wieder ließ sie diese Finsternis ein bisschen heller leuchten. Lass mich zurückkehren, April. Flehte er sie in Gedanken an und schloss erneut die Augen. Denn ich liebe di- weiter konnte er dem Gedanken nicht folgen, denn das laute schnalzen der Peitsche und der darauffolgende Schmerz raubte ihm den Atem. Es machte es ihm fast unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen. Stattdessen presste er die Zähne aufeinander und bohrte die Fingernägel in die warme Stelle seiner Hand. April…
April, warte bitte auf mich.

Schluchzend lehnte sich das Mädchen an Lirons Schulter. Gideon hatte die Rothaarige erneut betrogen und sie konnte sich nicht dagegen zur Wehr setzen. Niemand konnte das, wenn es um Gideon ging. Die panische Angst in ihr wuchs weiter, ließ sie nun immer stärker Weinen, obwohl noch nichts geschehen war. Das Schluchzen jedoch hielt nicht lange an, denn plötzlich wurde es von einem hohen erschrockenen Quietschen abgelöst, gefolgt von einem Laut, der sowohl an ein Keuchen als auch ein Hilfeschrei klang. Aprils Augen waren in diesem Moment weit aufgerissen und ihre Finger schlossen sich krampfhaft um den Stoff von Lirons Oberteil. Trotzdem klang der Schrei gedämpft, denn das Mädchen hatte in seinem Schmerz direkt in die Schulter gebissen, die ihr zuvor noch als Trostspender gedient hatte. Eilig riss die Weinende den Kopf zurück und schnappte nach Luft, doch nur wenige Sekunden später, folgte ein weiterer qualvoller Schrei, von dessen schmerzlichen Ursprung sie in die Knie gezwungen wurde, da ihre Beine sie nicht tragen wollten. Keuchend versuchte sie gegen den Schmerz anzukämpfen, der ihr in das blasse Gesicht geschrieben war. "Mach das es aufhört!", schrie sie verzweifelt und fiel vorwärts auf alle viere, wo sie innehielt, ehe die Schmerzwelle erneut über ihr zusammen schlug und sie nun beinahe kontinuierlich schreien,weinen und flehen ließ. Ihr Kopf schlug auf dem harten Boden auf, als schließlich auch ihre stützenden Arme nachgaben und sie weg rutschte. Verzweifelt versuchte sie etwas in ihrer Umgebung zu erkennen, doch ihre SIcht verschwommen. Nur Gideons breites Grinsen hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. //Verzeih mir Arved//, dachte sie, denn es war alles ihre Schuld und diese würde sie mit keinem Schmerz der Welt begleichen können.