Arved's Blick wurde mit einem Schlag kühler, auch wenn man die Entschuldigung in ihnen dennoch deutlich sehen konnte. Er hätte es ihr gerne erspart, doch scheinbar könnte er es ihr nicht länger vorenthalten. "Es tut mir leid, dich wahrscheinlich erwidere ich diese Liebe noch nicht einmal ansatzweise so intensiv wie du. Wenn du also eine klare Antwort auf die Frage: ob ich dich liebe, hören willst, dann lautet diese: Nein." diesmal schluckte er nicht und auch hatte er nicht lange für die Wörtersuche gebraucht, er hatte sie sofort parat. Ohne dass er sie vielleicht abschwächen könnte waren sie zwischen seinen Lippen hervor geflossen. War damit seine Rolle als Secret Service und als Beschützer verwirkt?

Für einen kurzen Moment starrte sie ihn entgeistert an, dann verschwamm ihre Sicht, da tränen ihre Augen fluteten. Wieso hatte er sie immer angelogen? Das machte alles nur noch schlimmer. Was hatte er ihr noch alles erzählt, das wohl eine lüge war. Leise begann sie mit schluchzen. "Du arsch.", presste sie hervor. "Geh! Verschwinde!" Wieso hatte er sie immer geküsst, wieso hatte er ihr erzählt, er würde sie lieben. Sie war nichts als ein Job.

Schon wollte Arved zu einem Einwand ansetzten, doch dann besann er sich eines besseren. Die Hand, die er zuvor zur Faust geballt hatte, ließ er kraftlos neben seinem Körper hängen und sah sie noch einen Augenblick an. "Wie du wünschst." als er sich weg drehte, kam ihm diese Szene ungewohnt vertraut vor. Als hätte er ihr schon einmal den Rücken zugewandt und wäre gegangen, doch was danach passiert war, dies wurde ihm nicht offenbart. Er trat durch die Tür und schloss sie hinter sich. Selbst während des Laufens lagen seine Augen in tiefen dunklen Schatten, sodass selbst das leuchtende Blau seiner Augen darin ertrank. Was war denn los? Er wusste selbst nicht, warum er dermaßen auf ihren Worten reagierte. Sie konnte ihn nicht für immer weg schicken, er war ihr SeSe, er MUSSTE an ihrer Seite bleiben! Dazu war er auch noch selber dran Schuld. Ohne das er es bemerkt hatte, stützte er sich an der Wand ab, da ihm selbst das gehen schwerfiel. Was war das? Warum kam ihm diese Szene und auch der Schmerz in seiner Brust nur so bekannt vor? Oder steigerte er sich da nur hinein? Immerhin konnte sie hier nicht raus, er würde sie wieder finden und zurückholen, doch selbst dieses Wissen mäßigte den Schmerz nicht. Er wollte die Augen schließen, um sich und seinen Körper wieder zu beruhigen, doch kaum umhüllte ihn die Schwärze sah er wieder den Spiegel vor ihn, mitsamt seines Spiegelbildes. Es war wieder der Junge, der den er so sehr hasste. Doch diesmal lagen auch seine Augen in tiefen Schatten und eine einzelne Träne rann seine Wange hinab. Hatte er schon einmal das Gefühl gehabt, sterben zu müssen? Und wenn ja, kannte der Junge da vor ihm das Gefühl? Dort wo er jetzt war, erging es ihm doch bestimmt besser. Genau dort wollte Arved auch hin. Weg von diesen Schmerzen, dorthin wo der Junge jetzt stand, als stummer Beobachter. »Nimm mich mit! Ich kann nicht mehr« rief Arved in Gedanken. »Ich halte diesen Schmerz nicht mehr aus...«

April weinte die ganze Nacht bis sie keine Tränen mehr hatte. Es war der selbe Schmerz, wie der, den sie gespürt hatte, als er sie nicht erkannt hatte. Ein kleines Stückchen Tod, das sich in ihre Seele fraß, bis sie nur noch ein zerfressener Kadaver war mit einem blutenden Herz. Es war nächster morgen, doch erkannte sie keinen Schein der Besserung. Wieso hatte er ihr so viele Hoffnungen gemacht? Er hatte ihr gesagt, dass er sie liebt... Vielleicht hatte er sie auch geliebt, doch hat es verlernt. Wie viele seiner Küsse waren falsch, wie viele seiner Worte? Sie hatte so viele Fragen, die unbeantwortet blieben. Jetzt war Gideon da und Arved weg. Es war vermutlich der schrecklichste Tag ihres Lebens. Hilflos schnaubte sie in das tausendste Taschentuch. Sie hasste Arved dafür, dass er dieses Loch in ihr Herz gerissen hatte, weil sie wusste, es könne keiner stopfen. Keiner außer ihm. Aber wer wusste schon, ob Arved überhaupt sein richtiger Name war. Wie viel wusste sie schon noch von der Wahrheit? Sie schon die Bettdecke beiseite und setzte sich auf das Fensterbrett, ein paar Schritte von ihrem Bett entfernt. Sie blickte aus dem Fenster, doch von der Außenwelt war kaum etwas zu sehen. Das Institut war von Mauern und Hecken von der Straße abgeschlossen. Und so blieb die Realität für sie unerreichbar und unerkennbar. Sie wünschte sich, dass sie niemals auf diese blöden Kräfte gestoßen wäre. Daran war nur dieser Secret Service schuld.

Arved ging mit gemächlichen Schritten, aber dennoch zügig durch den langen Flur. Er konnte sich an keine Einzelheiten der gestrigen Nacht erinnern, doch irgendwie schien er wohl auf Flo getroffen zu sein, denn an diesem Morgen fand er sich eindeutig in dessen Wohnung wieder. Kaum hatte er die Augen auf geschlagen, wurde er mit Fragen bombardiert, was denn geschehen sei und wie es April ging. Doch Arved wich jeder Frage bloß aus und murmelte was von, er müsse sich beeilen rechtzeitig da zu sein. Er hatte sich dabei ertappt, wie er den Gedanken gehegt hatte, nicht nach unten zu gehen. Sie wollte ihn doch nicht sehen. Flo musste ihm versprechen, Hodge kein Wort zu verraten, damit es nicht noch mehr unangenehme Ereignisse gab, wobei er ganz klar Aprils Wohl im Kopf hatte.
Nun lief er den Flur entlang, richtete sein Jackett und hielt vor der Tür, wohinter April sein sollte, inne. Während er mit einer Hand an die Tür klopfte, balancierte er auf der anderen ein silbernes Tablett, mit einem üppigen Frühstück drauf. "April?" rief er vorsichtshalber. "Ich komme jetzt rein." er wollte schon die klinke runter drücken, dich schnell besann er sich eines besseren und wartete brav darauf rein gerufen zu werden. Doch wenn nicht, dann sah die sache schon wieder anders aus.

Alice horcht auf, als die Stimme ertönte, doch da sie sofort erkannte, wer dort wartete, antwortete sie nicht. Sofort spürte sie wieder die Tränen in sich aufsteigen und ihr Herz begann wieder stärker zu schmerzen. Wie konnte sie nur auf ihn hereinfallen? Sie wusste nicht mehr, woran sie glauben sollte. Obwohl sie wusste, dass es nichts nützte, versuchte sie gegen die Tränen anzukämpfen. Könnte man ihr nicht einfach wieder so eine Spritze wie am Vortag verabreichen? Die hatte wenigstens ihre blöden Gefühle weggesperrt. Konnte man sie nicht einfach einschläfern, wie ein Tier? Sie war sowie so an diesem Ort gefangen, obwohl sie komplett nutzlos war. Stur starrte sie aus dem Fenster heraus. Das war nicht ihr Arved, das hatte er selbst gesagt. Ihr Arved war tot.

Arved wusste das April da war, auch wenn sie nicht antwortete. Er könnte keinem erklären warum, doch er konnte ihre Anwesenheit in diesem Zimmer eindeutig fühlen. Da er ihr genügend Zeit zum reagieren gelassen hatte, öffnete er nun die Tür. Kaum trat er in den Raum, suchte sein Blick alles nach ihr ab, bis er sie auf dem Fenster entdeckte. "Guten Morgen, ich habe das Frühstück mitgebracht." klärte er sie auf. Er schloss die Tür und ging zu dem recht kleinen Tisch an der Wand, wo er begann das Geschirr und der Rest für ein üppiges Frühstück von dem Tablett auf den Tisch umsortierte. "Zu dem habe ich mir von Johann Faraway das Versprechen eingeholt, das er nach Beendigung des Schultag hier her kommt und dir alles erzählt, was du für den nächsten Tag brauchst." fuhr er mit seiner Erzählung fort, als wäre nichts geschehen. Auch wenn das nicht der Wahrheit entsprach. Das Gespräch gestern, hatte deutliche Spuren hinterlassen und er würde mit Freuden eine Wiederholung aus dem weg gehen.

Stur blickte sie aus dem Fenster. "Gut, jetzt verschwinde. Ich brauch dein blödes Essen nicht und noch mehr Versprechen, die etwas mit dir zu tun haben brauche ich auch nicht. Und ein guter Morgen ist das schon gar nicht!" Ihre Stimme wurde nach und nach lauter, ehe sie beinahe schrie. Er könnte doch nicht einfach so tun als wäre nichts. Sie hatte ihm viel verziehen, viel Schmerz akzeptiert. Aber nun wusste sie nicht einmal mehr, wer dieser Junge war.

"April." setzte Arved an, bemüht eine möglichst ruhige Stimme zu haben. "Es hat doch keinen Sinn, nicht weiter darüber zu streiten. Ich werde nie verschwinden können, immerhin werde ich immer an deiner Seite sein." erinnerte sie daran. Jedes seiner Wörter wählte er mit bedacht und versuchte nun wirklich, sie aufzuheitern oder wenigstens zu beruhigen. Denn jedes ihrer lauten Wörter, schneideten tief, er wusste nur noch nicht genau was sie da eigentlich zerschnitten.

Aprils Kopf fuhr herum. "Sag mir wie! Wie soll ich dir je wieder Vertrauen können?! Du küsst mich, sagst mir, dass du mich liebst! Und dann stellt sich alles nur als Jux raus?! Nichts davon meintest du ernst! Ich weiß nicht, was ich dir glauben soll, wenn du es nur zurecht biegst! Du tust mir weh! Immer und immer wieder tust du mir weh, ohne es zu merken. Es wäre nicht so schmerzhaft gewesen, wenn du von Anfang an die Wahrheit gesagt hättest! Du warst davor mal so wundervoll! Ach halt! Das warst ja gar nicht du! Laut deinen Worten bist du ja nicht einmal Arved. Du bist nicht mein sese!"

Der schwarzhaarige Junge erstarrte mit einem Schlag. Er hatte die Wörter selbst gebraucht, deswegen verstand er seine eigene Reaktion noch weniger. Doch in diesem Moment war er unfähig sich zu bewegen. Diese Worte hatten getroffen. Stimmt ja, er war nur Jemand mit ähnlichem Aussehen, sonst nichts...
"Da hast du wohl recht..." diesmal klang seine Stimme gen Ende brüchig und heißer. "Verzeiht, dass ich Euch belästigt habe." er brauchte mehrere Anläufe, ehe er seine Beine zum laufen bringen konnte. Mit halbwegs festem Gang konnte er das Zimmer verlassen, auch die Tür zu schließen schaffte er. Er würde so gerne zusammen brechen, so gerne alles vergessen, noch mal von vorne anfangen... Er wollte diesen Schmerz nicht fühlen! Er wollte April nicht solche Wörter sagen hören! Doch er ging ohne wanken, ohne schwache Glieder den Flur entlang. Wenn der Schmerz nötig war, dann sollte es so sein. Er hatte April Qualen zu verantworten und nun musste er dafür büßen. Dennoch, irgendetwas in ihm schien wohl in diesem Moment zersprungen zu sein.

Als Arved den Raum verlassen hatte, konnte sich april ihren Gefühlen wieder hingeben. Verzweifelt hielt sie sich den Kopf und raufte sich schluchzend das rote Haar. Neben sich hörte sie etwas knacken und knirschen. Es Waren die Fensterscheiben im gesamten Raum, die anfingen Risse zu bekommen. Erschrocken riss sie die Augen auf, doch es wahr schon zu spät, um etwas zu tun. Es war wie ein Kurzschluss. Jede Glühbirne süzersprang und ihr grelles Licht erlosch, jede Fensterscheibe zerbarst in tausend Stücke, das Glas, gefüllt mit Wasser, auf ihrem Nachtisch fiel in sich zusammen. Jeder Spiegel, jede Glasschicht eines Bilderrahmens, alles zerfiel in tausend Teile. Ein erschrockener Schrei entfuhr ihr und sie versuchte schnell ihren Kopf zu schützen. Es war als würden ihre eigenen Schuldgefühle versuchen die Scherben zu lenken, denn diese donnerten mit enormer Kraft auf sie hinab. Schmerzhaft dissen die scharfen Kanten ihre Haut auf oder bohrten sich sogar tief hinein. Gideon, Arved, Glas. Was sollte noch passieren?

Arved spürte denn Schmerz kaum. Er hatte sich nicht getraut April direkt zu berühren und so stützte er sich neben ihr an der seitlichen Wand ab. Was hier gerade passierte, war ihm persönlich immer noch unklar. Er hatte nur auf einmal das laute klirren gehören und ehe er sich versehen hatte, war er zurück zu April gerannt. Arved hatte sie nicht vor allem abschirmen können, doch er hatte zum Glück den größten Teil abfangen können. Er sah auf April herab. "Geht es dir gut?" verlangte er aufgeregt zu wissen, aus Angst sie könnte lebensgefährlich verletzt worden sein. Wie sein eigener Körper aussah, war in diesen Moment zweitrangig. Er könnte sich noch so stark mit April streiten, er würde nie zu lassen, dass ihr etwas passiert, ob sie nun wollte oder nicht. Das war mit der einzige Punkt, bei dem es ihm egal war, was ihr frühere SeSe getan hatte. ER ließ sie nicht alleine zurück!

April rührte sich für ein paar Sekunden nicht, dann brach sie in Tränen aus. Es tat so weh. Bevor die Tränen Ihre sich verschleierten, konnte sie nur noch die Scherben und das Blut sehen, das an einigen stellen hervorquoll. der scherbenregen hörte auf als plötzlich ein Schatten über ihr auftauchte. Im nächsten Moment schlang sie die Verwundeten Arme um den Jungen und begann einer seiner Brust zu schluchzen. "Ich hasse dich.", winselte sie immér wieder. "Ich hasse dich so sehr."

Auf Arved's Gesicht zeigte sich ein wenn auch bitteres und gequälten lächeln. "Also geht es dir gut..." er wusste nicht genau warum, doch seine Stimme wurde am Ende des Satzes brüchig bis sie ganz aussetzte. "Wir sollten dich schleunigst zu einem Arzt schaffen... oder eher einen herholen." überlegte er schon weiter. Auch er beugte sich dezent nach unten und legte ihr die Arme um, auch wenn es schmerzte.