April presste sich unwillkürlich noch fester an ihn. "Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich komm schon klar. Ich bin lange genug ohne Jungs klar gekommen.", wimmerte sie. Es tat so weh, dass er sie so angelogen hatte, und doch konnte sie nicht ohne ihn. "Ich brauche dich nicht!"

"Wenn das so ist, dann lass mich los und ich gehe. Aber ich werde nie richtig gehen können. Das hast du mir gerade klar gemacht. Was für ein Beschützer wäre ich, wenn ich wegen so einem Streit dich alleine lassen würde? Dann hätte mein Leben auch keinen Sinn mehr. " er gab sie wieder frei und trat einen Schritt zurück.

Sie sah ihn weinend an, dann wandte sie den Blick ab, da sie seinen Anblick keine Sekunde länger ertragen konnte. "Du solltest nicht hier sein.", schluchzte sie. "Du sagst doch, du bist nicht mein Sese." Ihr ganzer Körper bebte und zitterte. Wieso ausgerechnet sie?

Arved nickte, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, er hätte seine Meinung geändert. "Ich weiß, ich bin nicht der Sese den du liebst. Dennoch bin ich JETZT dein Sese, was bedeutet, dass ich JETZT für deine Sicherheit zuständig bin. Ob du willst oder nicht. Du kannst mich verfluchen oder so oft anschreien wie du willst, doch das wird nichts daran ändern, dass ich dich beschützen werde." versprach er hiermit, auch wenn es daran nichts zu wackeln gab. Er verneigte sich dezent, bevor er weiter sprach. "Ich werde jetzt gehen und einen Arzt zu dir schicken, bitte lass dich verarzten." bat er sie freundlich.

April schüttelte den Kopf. "Ich brauch keinen Arzt.", behauptete sie stur. "Ich brauch meine Mum. Und Johann. Gib mir meine Mum und Johann." Wenigstens denen konnte sie vertrauen. "Und dann geh zu hodge und gratulier ihm. Sag ihm, er hat nun, was er will. Er hat gewonnen." Mit jedem Wort nahm ihre Stimme an Kälte zu und letztlich sah sie ihn auch wieder an. "Wenn du einzig und allein mein sese bist, dann hast du gefälligst meine Befehle zu befolgen."

"Das werde ich." damit drehte er ihr den Rücken zu und ging zur Tür. Sie hatte recht. Er hatte einen unverzeihlichen Fehler begannen und um nun weiterhin an ihrer Seite bleiben zu dürfen, muss er gehorchen. "Ich werde sofort alles in die Wege leiten." er schloss die Tür. Doch statt gleich seinen Befehlen nach zu kommen, hielt er inne. Erst jetzt erlaubte er seinem eigenen Körper aufzuatmen und Schwäche zu zeigen. Ohne groß zu zögern zog er die Glasssplitter aus seinem Fleisch. Es nahm eine kurze Zeit in Anspruch, doch mit einem klirren fiel auch die letzte Scherbe zu Boden. Ausdruckslos betrachtete er die blutverschmierten Handschuhe und zog sie kurzerhand von seinen Händen. Es gab keine Zeit länger zu trödeln. Er musste ihre Mutter anrufen, einen Arzt kontaktieren und mit Soshi klären, ob Johann Faraway eher vom Unterricht kommen könnte.

April sah ihm stumm nach. Sie sollte ihn nicht mehr an ihr Herz lassen und ihn auch nicht ansehen. Sie sollte ihm nur noch seine Befehle geben, so wie er es wünschte. Dann könnte sie sich vielleicht etwas neuem zuwenden, dass weniger weh tat. In ihrer Brust brannte bei diesem Gedanken ein schmerz, der sich anfühlte als würde jemand ihr seinen knorrigen Finger in die Brust bohren, so stark, dass er ihre.haut durchdrang und ihr Herz zerschmetterte. Er liebte sie nicht, weil sie nur eine lüge kannte. Sie liebte nur, was et vorgab zu sein. Er warf ihr Oberflächlichkeit für etwas vor, dass er als seinen Tiefgrund ausgegeben hatte. April konnte einfach nicht aufhören zu weinen, sie war verloren ohne diesen Lügner, doch er hielt sie nicht mehr fest. Eigentlich sollte er genauso verkümmern wie sie, doch dem schien nicht so. Was hatte er einmal gesagt? Verliert ein sese seine Aufgabe, ist er nutzlos. Er würde daran zugrunde gehen. Aufgescheucht sah sie sich um und griff nach einer großen Scherben, die nach ihrem Ausbruch auf dem Fensterbrett gelandet war. Kurz betrachtete die scharfen Kanten, dann hielt sie die Spitze auf ihre pulsader. Sie wollte doch nur, dass er spürte wie sehr sie litt. Sie legte an, atmete tief durch, aber ihre Hand zitterte zu stark. Zweiter Versuch. Erneut versuchte April den Mut dazu aufzubringen, doch sie brachte es nicht übers Herz. Alles tat weh, überall war Blut und es war seine schuld, doch sie wusste, dass sie ihn irgendwo in sich noch immer liebte und deswegen könnte sie ihm niemals einen ähnlichen schmerz wie sich zumuten. Man bekämpfte Feuer niemals mit Feuer.

Arved schleppte sich den letzten Flur bis zum Ausgang hin. Er Hatte alles so getan wie es ihm aufgetragen wurde. Zu erst hatte er April's Mutter angerufen, danach mit Soshi geredet. Auch Hodge hatte er aufgesucht. Jeder, mit denen er persönlich geredet hatte, hatte ihn auf sein aschpfahles Gesicht hingewiesen. Zum Glück verdeckte das Jackett den Rücken gut genug und auch das Blut trat nicht zu stark nach außen. Soshi hatte ihm versprochen, dass er sofort sich zur Schule begab und mit dem Lehrern reden würde. Hodge dagegen hatte wie immer das kühle Gesicht und selbst als Arved nach der Bedeutung dieser Worte gefragt hatte, drehte der ältere Mann bloß den Rücken zu und schickte ihn weg. Dieser Mann machte ihn noch wahnsinnig.
Jetzt begab er sich zur Loby um auf die Mutter von April in Empfang nehmen zu können und sie zu April zu führen.

Wenig später wurde die Tür zur Eingangshalle geöffnet und Mrs honderway wurde von einem Sicherheitsmann herein begleitet. Ihre Haare waren wüst und nur halbherzig zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Sie sah abgespannt und gehetzt aus. Sie vermisste ihr mädchen, durfte sie nicht einmal regelmäßig sehen. Nach dem Anruf war sie sofort von der Arbeit her gefahren, weshalb sie noch die helle Kleidung einer Krankenschwester trug. "Arved." Erleichtert lief sie auf den Jungen zu und griff beide Hände. "Wie geht es dir? Wie geht es dir? Du siehst so blass aus. Es ist so schön dich einmal wieder zu sehen."

Arved nickte der jungen Frau kurz bemessen zu und deutete ihr mit einer Handbewegung ihm zu folgen. "April fühlt sich in diesem Moment sehr einsam und wünscht sich Ihre Anwesenheit." antwortete er, bemüht nicht allzu sachlich zu klingen. Er war nur noch ein Schatten der befehle ausführen musste. Zu etwas anderem waren die SeSe's doch auch gar nicht gedacht, oder? Das mit den Gefühlen war doch eh nur im Weg. Sie alle hier hatten eine zweite Chance bekommen, in der sie unschuldige Kinder bzw. Jugendliche vor einem ähnlichen Schicksal wie den ihrem zu bewahren. Jetzt war es genauso, wie es sein sollte. Nun hatte er auch keinerlei Grund sich weiterhin zu verstellen. Bei dem Gedanken, fragte er sich selbst wie viel verschiedene Personen er innerhalb dieser kurzen Zeit überhaupt erschaffen hatte. Was war davon eigentlich noch er selbst? Der Arved, der die Drecksarbeit verrichtete? Oder eher der, der alles für das Mädchen mit dem feuerrotem Haar machen würde? Beide müssen nun nicht länger existieren. Nun ist nur noch der eine Arved da. //So ein Schwachsinn!// rief es in ihm. //Als könntest du dich jetzt so einfach wieder du selbst werden!//

Mrs honderway runzelte die Stirn. "Wenn sie sich so einsam fühlt, warum ist sie dann nicht bei dir?" Sonst hatte ihrer Tochter das wohl auch immer gereicht. "Ist ihr etwas passierte? Ist sie krank? Schwanger? Kommt sie mit den Leuten hier nicht klar? Du hast mir doch gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen brauch, dass sie hier in Sicherheit ist." In ihrer Stimme schwang unterschwellig Panik mit. "Ich habe so lange nichts von ihr gehört..."

Arved setzte ein beschwichtiges Lächeln auf. "Es ist keines der aufgezählten Dinge. Ich weiß nicht, ob ich es so einfach erzählen soll, vielleicht fragen Sie Ihre Tochter einfach persönlich. Das Problem ist dieses... Ich werde sie wohl nicht mehr trösten können." er hielt vor der Tür des Krankenzimmers, doch bevor er die Tür öffnete, erlaubte er sich direkt in das Gesicht der Frau zu blicken. "Sie wird mir nie wieder vertrauen." er unterdrückte den elenden Ausdruck in seiner Stimme und Blick. In selbstmitleid zu versinken half jetzt auch nicht.

Alarmiert hob Aprils Mutter und sah den Jungen aus ihren großen Ungläubigen Augen an, die an april ebenso markant waren. "Wie...? Arved, was ist passiert? Habt ihr euch gestritten? Ist dir etwas zugestoßen? Hängt es mit diesem hodge zusammen?!"

"Nein, es ist meine alleinige Schuld. Kein anderer trägt die schuld, als ich." er machte noch einen Schritt zur Tür und öffnete sie dann, wobei er zu Mrs. Honderway noch sagte: "Denken Sie daran, wenn sie April sehen und hören was geschehen ist." damit stand die Für offen. Er machte einen Schritt in das Innere des Raumes. "Deinem Wunsch entsprechend habe ich deine Mutter angerufen. Sir ist nun hier." kündigte er an.

Als die Tür geöffnet wurde, ertönte ein helles klirren. Vor Schreck hatte April die Scherbe fallen gelassen, die sie schon seit geraumer betrachtete. Sie drehte sich um und sah ihre Mutter an, die sich ganz schockiert in dem zerstörten Raum umsah. "Mum...", winselte sie und wieder stiegen die Tränen hoch. Sie sah zu Arved. "Geh.", befahl sie ihm, mehr brachte sie im Moment nicht raus. Mrs honderway bahnte sich einen Weg durch die Scherben und kam auf ihre Tochter zu. "April, du blutest.", hauchte sie. "Was ist passiert?"
Sofort brach das rothaarige Mädchen lautstark schluchzend in Tränen aus. Liebevoll Strich ihre Mutter ihr durchs Haar. "Shhhhhh, alles wird gleich wieder gut. Ich bin da."
Kurz sah sich die Frau um, dann stand sie auf und durchwühlte sämtliche Schubladen, bis sie eine Pinzette fand. Sie machte den Platz vor April auf dem Fensterbrett frei, kehrte die Scherben an der Stelle vorsichtig weg. "Shhhhh", wiederholte sie besänftigend und nahm den Arm des zitternden Mädchens, um sie von ihrer Schmerzen zu befreien. "Ganz ruhig. Was ist denn passiert."
"Er hat mich angelogen.", schluchzte sie. "Der Arved, der mich liebt und den ich liebe, ist schon lange tot. Er hat nur gelogen. Alles hier war eine einzige lüge." Winselnd begann sie ihrer Mutter die ganze Geschichte zu erzählen und als sie fertig war, blickte sie ihre Mutter an. Trotzdem das Gesicht ihrer Mutter zum Teil im Schatten lag, sah sie die Tränen in ihren Augen. Die Geschichte war tatsächlich länger als gedacht, denn inzwischen waren alle Scherben aus ihrer Haut entfernt und ihre Mutter begann die Wunden mit Pflastern zu bedecken. "Oh, April. Ich hatte mir so gewünscht, dass ihr glücklich werdet."
"ich hasse ihn so sehr und muss ihn trotzdem jeden Tag wieder sehen. Wie soll ich ihm als meinen Beschützer je wieder trauen können?"
"Vielleicht braucht ihr eine Auszeit?"
"So funktioniert das nicht, mum. Das ist das Institut. Und wenn ein sese keine Aufgabe mehr hat, dann wird er... Dann wird er.." Sie brach ab. "Ich will nach Hause, mum."
Bedächtig nickte Mrs Honderway und drückte dann ihre Tochter stürmisch an sich. "Ich werde diesem hodge einmal ordentlich die Leviten lesen. Versprochen. Meiner April tut niemand etwas. Und dann hol ich dich nach Hause. Wir kriegen das schon hin. Mit Arved wird das alles hier nur noch schlimmer. Wir schaffen das, wir kriegen dich unter Kontrolle. Es wird alles gut, das verspreche ich dir."