Sie schmunzelte. "Ich glaube, wenn man sieht, was um einen herum passiert, ist es weniger beängstigend." Sofort ging auf seine Geste ein und folgte ihm. Ein letztes Mal sah sie sich in der Halle um. "Ihr geht nicht gerade zimperlich vor, was? Kämpft ihr hier unten viel?" Sie fragte sich, weshalb er wohl zu Gideon gestoßen war und ob er auch ein, wie es andere bezeichneten, 'Mutant' war, so wie sie. So schrecklich viele Fragen blieben in ihrem Kopf unbeantwortet und sie fühlte sich dümmer als je zuvor.

"Keine Sorge, auf dem Weg zu mir, lass ich dir dein Augenlicht." versprach er ihr, als er ihr die Tür aufhielt, damit sie durch gehen konnte. Als sie das kämpfen ansprach blickte er zurück zu der Halle. "Hier unten bekommt es keiner mit, also bietet es sich an. Aber diese Halle ist nur eine von vielen hier unten." klärte Liron April auf. "Morgen wirst du entweder in dieser oder in einer etwas kleineren trainieren." fügte er den Satz an seiner Erklärung an.

"Vielen Dank dafür schon einmal im Voraus. Du hast keine Ahnung, wie unheimlich das war." Kurz sah sie noch einmal zurück. "Achso.", murmelte sie auf seine Erklärung hin und trat dann aus dem Raum. "Hat es einen Grund, weshalb mich Gideon zu dir schickt? Bist du ein großes Tier in dieser ganzen Geschichte hier? Oder bist du ein kleines Tier und ich noch so viel kleiner, dass es egal ist." Hoffentlich beleidigte ihn diese Frage jetzt nicht.

Liron führte sie in eine weitere Halle, doch hier lag alles im Dunklen. Nur dunkle Schatten beweisen, dass dieser Raum mehr zerfallen war, als die restlichen. Das einzige, was zu funktionieren schien, was der rote Lasten-Aufzug in der Mitte. Genau zu dem ging der junge Mann nun und schob die zwei Gitter zur Seite. Als sie ihn die Frage für den Grund stellte, musste er unwillkürlich laut los lachen. "Mir wäre es nur recht, wenn dich irgendein kleines Tier bekommen würde, aber nein. Es war klar das Gideon dich zu mir schickt." nach einer kurzen Pause fuhr er fort: "Ich bin das erste Mitglied, was sich Gideon zugelegt hatte, nachdem er von den Hunden weg kam."

Skeptisch betrachtete sie den Lastenaufzug. Nun, hier sah nichts besonders ordentlich aus. Sie hatte zu viel riskiert, um sich von soetwas einschüchtern zu lassen, also trat sie ein. Immerhin musste sie ja auch hier runter gekommen sein. Wie tief unter der Erde sie wohl waren? "Der erste, der sich Gideon angeschlossen hat, hm?" Kurz musterte sie den jungen Mann noch einmal. "Darf ich fragen, wieso du hier bist?"

Liron schloss die zwei Gitter wieder und drückte auf einen der Knöpfe an dem kleinen Schaltpult seitlich von ihm. Mit einem dauerhaften zischen hob sich der Aufzug und brachte sie gar nicht mal so langsam nach oben. "Vielleicht aus einem ähnlich Grund wie du und Gideon. Ich will den ganzen Kontern nur zu gerne in den Arsch treten. Das machen viel zu wenige, meiner Meinung nach." nun richtete er seine Augen auf April. "Und du? Ich meine, man bekommt schon so etwas zu Ohren, aber warum willst du genau auf einmal alles dort zerstören? Immerhin hast du doch dort gelebt."

April zögerte. "Ich habe nach und nach begriffen, was dort wirklich vorgeht. Wie viel auf lügen basiert. Und bei der Vorstellung, wie viel mein Leben bereits von schlichten Lügen des Instituts beeinflusst wurde, wurde mir schlecht. Mein eigener Sese hatte mich betrogen, gesteuert von Sese. Ich konnte ihn nicht einmal mehr ins Gesicht sehen. Für den Rest meines Lebens meine Freiheit einbüßen für Verräter, das wollte ich nicht." April sah Liron an. "Warst du auch einmal im Institut gefangen?"

Liron hielt den Aufzug an, als sie das Erdgeschoss erreicht hatten und öffnete auch hier wieder die Gitter. Doch diesmal konnten sie offen stehen bleiben, also ging er geradewegs zu dem großen Tor, was nach außen führte. "Ich weiß nicht, ob es so spannend ist die ach so tragische Vergangenheit zu erzählen, aber wenn du es unbedingt wissen willst." er hielt inne und wartete auf sie. Während er sprach wirkte es fast so, als wäre es ihm bereits egal geworden, was damals mit ihm gewesen war. Immerhin hatte er es geschafft es zu ändern. "Ich war in der Generation, wo die Institutionen versucht haben geborene »Mutanten« als Hunde auszubilden. Ich hätte also irgendwann irgendeinen reichen Schnösel beschützen müssen." verächtlich verzog er eine Grimasse. "Als Gideon zu der Zeit ausgestiegen ist, hat er die Einrichtung wo neue SeSe erschaffen und ausgebildet wurden komplett zerstört. Mich hat er noch mit genommen, doch auch nur weil ich ihm damals fast schon angefleht habe mit kommen zu dürfen." aus der Grimasse wurde ein breites grinsen und schon ging Liron wieder, zielstrebig zu dem schwarze Motorrad auf dem steinernen Platz, los.

"Das heißt, du solltest ein Sese werden, obwohl du das überhaupt nicht wolltest?" Ungläubig sah sie Liron an. Wollte Arved denn ursprünglich überhaupt ein Sese sein. "Aber eine Ausbildung muss doch für jeden Teilnehmer Gründe haben." Immer mehr Abgründe taten sich vor ihr auf, einer tiefer als der andere. Sie hatte sich nie für dumm gehalten und doch musste sie feststellen, wie naiv sie seit Arved die Welt betrachtete. Nun stand sie vor der Realität, ohne sie verstehen zu können. Allein der Gedanke daran machte sie wütend. Sie wurde verblendet und für dumm verkauft.

Liron hatte sich in Zwischenzeit auf sein Bike geschwungen und sah April nun mit erhobener Braue grinsend an. "Wer hat dort gelebt, ich oder du?" doch er gab ihr die Antwort, sonst würde die Frage nur immer wieder kommen und dann hatte er noch net größeren Haufen zu beantworten. "Die Generation von Gideon und von einer Menge anderen, hatten keinerlei Wahl. Sie wurden von dem alten Sack gezwungen. Immerhin erhält nicht jeder Mörder eine so schöne zweite Chance außerhalb dem Knast. Auch zu dem Zeitpunkt wo ich dort war, wurden die Kinder gezwungen, also machte es kaum ein Unterschied. Doch uns wurde damals gesagt, dass sie uns helfen werden, dass wir mit uns selber besser klar kommen können." Liron endete mit seiner Erzählung, in dem er April betrachtet. Hatte sie davon gar keine Ahnung?

"Oh." April schluckte. Wieso wusste sie von all dem nichts? Sie kletterte hinter ihm auf das Rad. "Hat der Service dich seit dem schon einmal gefunden? Würden sie dich töten, wenn sie dich fänden oder erneut rekrutieren?" Unweigerlich musste April daran denken, was wohl passierte, wenn man sie finden würde. Würde man sie umbringen oder würde man sie packen und ins Institut zurück zerren, wo man sie mit Medikamenten voll pumpte, bis sie gehorsam wurde? Bei zweiterem würde Gideon wohl erst ihre Mutter und dann sie umbringen, selbst wenn sie sich im Moment gar nicht an Gideon erinnern könnte.

"Es ist nicht gerade schwer, uns nicht zu finden" lachte er. "Dein kleines Institut wurde mehrere Male von uns schon attackiert und jedesmal habe ich darauf geachtet, das sie mitbekommen, dass ich noch lebe." er setzte sich den schwarzen Helm über die zerzausten Haaren. "Ich können mich nicht mehr einfach so töten. Das hat das Dasein, an Gideon's Seite zu gute. Man lernt sich zu wehren." erst erzitterte der Motor nur, dann heulte er auch schon los. "Diesmal gut festhalten." wies er sie an und schon fuhr das Bike los. Er kullerte langsam von dem Platz aus einer Ausfahrt, lenkte auf die große Straße ins Stadtinnere und beschleunigte das Motorrad, sodass sie in einer ähnlich schnellen Geschwindigkeit wie auf den Hinweg, zurück zur Stadt führen.

April versuchte sich an den Weg zu erinnern, den sie langfuhren, doch es war zwecklos. Sie erkannte kaum etwas wieder, obwohl sie geglaubt hatte die Stadt gut zu kennen. Sie hatte noch mehr Fragen, doch der Lärm des Bikes und auch des restlichen Verkehrs hätte vermutlich alles übertönt. Wieder preschte ihr der Fahrtwind entgegen, da er schrecklich schnell fuhr, und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich abermals an ihn festzuklammern und ihr Gesicht in seine Jacke zu drücken, bis er endlich hielt.

Liron brachte April fast ins Zentrum, wo ein fast schon gläserner Wohnungskomplex in den Himmel in den Himmel schoss. Wenn man ihn wahrscheinlich musterte, würde man nie drauf kommen, dass er in solch einen luxuriösen Komplex wohnte. Der junge Mann zog sich den Helm vom Kopf und richtete seine Haare wieder, in dem er lediglich den Kopf kurz schüttelte. "Da wären wir. Absteigen." wies er sie an. "Hier wirst du wohl für ne Weile bleiben müssen."

Staunend sah sie zu dem Haus, während sie vom Motorrad abstieg. "Und hier wohnst du?" Verwundert sah sie den Jungen Mann an. "Auffällig unauffällig, findest du nicht?" Leise kicherte sie. Dieses Haus war unglaublich! Aber das müsste doch auch unglaublich teuer sein. Wie konnte er sich das leisten? Aufgeregt fuhr sie sich durchs rote Haar. "Wie genial."