April hob eine braue, als Gideon den Satz mittendrin abbrach. Schnell legte sie einen Schritt zu, damit sie dem Jungen Mann folgen konnte, da dieser sich bereits zum Gehen gewandt hatte. Ein letztes Mal sah sie fragend zu Liron. "Einen Spiegel?" Doch schon kam die erste Ecke und die Sache erübrigte sich. "Gideon, was meint Liron damit?"

"Der Kerl hat Spaß daran, mir meinen Spaß zu stehlen." stellte Gideon lachend fest und führte sie in eine leere weiträumige Halle, in der tatsächlich in der Mitte ein Stuhl und dessen gegenüber ein Spiegel stand. Ansonsten war die Halle leer. "Du setzt dich dort drauf und wirst diesmal nicht drumherum kommen, dich selbst im Spiegelbild anschauen zu müssen. Ich werde diesmal wirklich alles dir überlassen. Entweder du schaffst es oder du versagst und wenn letzteres der Fall ist, dann muss nicht Mal ich dich umbringen."

Zögerlich sah sie sich in der Halle um. "Und wenn ich in den Spiegel sehe, was dann? Muss ich irgendetwas tun?" Kurz sah sie zu Gideon und runzelte die Stirn, ehe sie ihren Blick auf Stuhl und Spiegel richtete. "Was passiert dann?"

"Du setzt dich dorthin und schaust in den Spiegel. Ganz lange und konzentrierst dich darauf, dass du deine Kräfte beherrschen willst und nicht anders herum. Irgendwann wir der Kerl sich zeigen. Hat bei uns allen geklappt." er zeigte ungeduldig auf den Stuhl. "Setz dich jetzt." befahl er.

Langsam setzte sie sich in Bewegung. "Welcher Kerl?", fragte sie beunruhigt, ehe sie Platz nahm. Dadurch, dass sie sich komplett ausgepowert hatte, nur zwei Stunden zuvor, könnte es jetzt gar nicht so schlimm sein in den Spiegel zu sehen, da sie viel zu machtlos war zur Zeit. Trotzdem hob sie wieder nur zögerlich den Blick und sah ihrem dürren, zerknautschten selbst ins Gesicht. Auf ihre Kräfte konzentrieren? Sollte sie diese etwa aktivieren? Sie musste sie beherrschen wollen... Fest klammerte sie sich an den Gedanken. //ich will das schaffen. Meine Kräfte gehören mir, nicht umgekehrt.//, erklärte sie fest in Gedanken, obwohl sie sich fragen musste, was der Humbug sollte.

"Tob dich ruhig aus, du hast den restlichen Tag dafür zeit. Für alles andere bis du eh nicht mehr zu gebrauchen." mit diesen Worten schlenderte Gideon zum Ausgang. "Achso, lass dir den Namen geben, das erleichtert das spätere Training, wenn du einfach den Namens rufen kannst." danach fiel die Tür krachend zu. Sie würde das schon irgendwie schaffen. Alle hatten es bis jetzt geschafft, wenn auch mit unterschiedlichen Konsequenzen. Dazu waren ihre Fähigkeiten zu wichtig, um dass sie sich einfach so von einem launische Element fertig machen könnte.

Wieder fiel die Tür ins Schloss, wieder war sie allein. Gequält sah sie zum Spiegel und stieß leicht mit den Fuß dagegen. Aber wie vermutet, nur ein Spiegel. Sie lehnte sich zurück und versuchte in ihrem Kopf wieder ihr Ziel hervorzurufen. Herausfordern starrte sie ihr identisches gegenüber an. Erst eine Minute, dann zwei, dann drei. Genervt stöhnte sie auf. Es passierte ja sowieso nichts! Frustriert sprang sie auf und der Stuhl fiel um. Verzweifelt fuhr sie sich durchs Haar. War das ein Test? Sie durfte nicht einfach untergehen als Neuling! "Verdammt!", fluchte sie und hielt sich den Kopf als der Schmerz in ihr wieder etwas zunahm. "Reiß dich zusammen! Reiß dich verdammt nochmal zusammen!" Wütend trat sie gegen den Stuhl und beinahe zehn Minuten ging sie nur auf und ab, ehe sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Ein letztes Mal atmete sie tief durch, dann ließ sie sich im Schneidersitz vor dem Spiegel nieder. Streng sah sie sich selbst entgegen. "Ich bin april. Ich weiß, was ich will und ich kriege es auch. Meine Kräfte haben mich nicht unter Kontrolle, denn ich werde sie fest an der Leine führen. Ich bin die, die hier das sagen hat. Ich will endlich die verdammte Kontrolle. Ich habe echt noch andere Sorgen!", erklärte sie ihrem Spiegelbild mit fester Stimme. "Ich bin keine Memme."

Doch statt einer klaren Antwort, erhielt April auf ihr Gesagtes nur ein kichern. Es machte unweigerlich klar, dass diese 'Person' von der es stammt, sich herzlich amüsierte und kein Problem damit hatte, es offensichtlich zu machen. Doch das kichern konnte nicht auf einen genauen Punkt zurück geführt werden. Es schien überall zu sein und doch klang es mehr wie das klirren von Scherben. "Keine Memme?" die Stimme, welche auf das Lachen folgte, besaß ein ähnlichen Tonfall und erinnerte sofort wieder an Glas. "Das sah die anderen paar Male aber ganz anders aus." Mit einem Schlag, veränderte sich das Spiegelbild April gegenüber. Statt, dass sie weiter alleine auf den Boden saß, tauchte hinter ihr mit einem Schlag eine schemenhafte Gestalt auf. Auf den ersten Blick sah es einem menschlichen Jungen gar nicht mal so unähnlich, doch desto schärfer die Gestalt wurde, desto unnatürlich sah sie aus. Ihre gesamte Haut besaß eine weiß-graue Färbung und schien während einer Bewegung fast durchsichtig. Der Oberkörper des "Jungen" war jedoch mit feinen Rissen überzogen, ließ jedoch trotzdem auf eine menschliche Anatomie und Muskelbau schließen. Das Gesicht war von einem breiten grinsen Gezeichnet, was sich im wahrsten Sinne des Wortes von einer Gesichtshälfte zur anderen zog. Die Augen waren mit einem schwarzen Breiten Band abgedeckt worden, wessen lange Bänder hinter der Gestalt ab und zu auftauchten. Die Haare waren strähnig und leuchteten in einer blau-grünen Farbe, doch auch die Haarfarbe schien sich heute nach Licht oder Bewegung ständig zu verändern. Die Gestalt trug eine weiter rote Hose, welche bis zu den Knien hochgekrempelt war. Auch wenn die Hose ihn vielleicht Gerade diesen menschlichen Touch verlieh, schien sie sich voll und ganz an seinen Körper anzupassen. Um die Handgelenke trug er Art Breite Riemen, welche fast den gesamten Unterarm Einnahmen. Sie bestanden aus dem selben Material wie die Augenbinde.
Die Gestalt saß, im Spiegelbild, schräg hinter April, ebenfalls im Schneidersitz. "Und wie willst du mich bitte kontrollieren? Du Angsthase?" klirrte die Gestalt ein weiteres Mal mit ihrer stimme.

April starrte ungläubig ihr Spiegelbild an und riss den Kopf dann zurück, um hinter sich zu sehen. Nichts. Wurde sie nun Entgültig verrückt? Wieder sah sie zum Spiegel, doch die Gestalt war immer noch noch da. "Wer..? Was...? ... Was bist du? Bin ich irre?" Ihn kontrollieren? "Bist du... Bist du der Kerl von dem Gideon gesprochen hat?" Ihr Mund blieb nach dem reden einfach offen stehen und sie beugte sich ein wenig dem Spiegel entgegen. Vielleicht lag sie immer noch im Institut und das war nur ein Traum. "was geht hier vor? Ist das wieder so ein Illusionsquatsch von Gideon?"

Der Junge saß nun genau an der Stelle, wo eigentlich April im Spiegelbild sitzen müsste. Er stützte die langen dürren Finger auf deine Knie ab und verzog den Mund zu einer Grimasse. "Vergleich mich gefälligst nicht mit solch einer billigen Trickserrei." aus dem klirren war nun mehr ein knirschen geworden, als drohte etwas gläsernes in tausend Splitter zu zerspringen. "Ich bin das, was ihr Kräfte oder was weiß ich nennt. Oder hast du geglaubt die sind einfach so da, aus dem nichts." Die Gestalt knickte den langen dünnen Hals ein und fand schnell ihr grinsen wieder. "Oh Nein, ich erlaube dir, mich zu benutzen. Wenn du deine 'kräfte' kontrollieren willst, dann musst du mich kontrollieren."

"Und wie stell ich das an?", fragte sie ungeduldig. "Soll ich meine Peitsche auspacken und dich willig machen?" Genervt verleierte sie die Augen. Was sollte das nur werden. Vorsichtig Streckte sie den Finger aus und stubste gegen die Scheibe. "Und ich halluziniere nicht?"

"Also wenn du mich mit einer Peitsch treffen kannst, dann erkenne ich dich sofort als Herrin an, aber leiiiiiiider geht das ja nicht." Der Junge sah ihr dabei zu, wie sie die glatte Oberfläche des Spiels berührte. "Eine Halluzination? Ihr Menschen lasst euch auch nix anderes einfallen oder? Gut, dann beweise ich es halt." wieder war es ein knacken geworden, dass was man als stimme bezeichnen könnte. Doch aus der knackenden Stimme, wurde ein knackender Spiegel. Schmale Risse zogen sich über die gesamte Fläche, wodurch das grinsen das Jungen im Spiegelbild noch verzerrter aussah. "Soll ich ihn zerspringen lassen? Du wärst nicht die erste langweilige Herrin, die ich beseitige."

"Unterlass das!", fauchte sie. "Es wäre besser, wenn wir zusammen arbeiten würden." Sie Zwang sich dazu erneut den Rissen entgegenzuwirken und Einhalt zu gebieten. "Noch steckst du in meinem Kopf. Und wenn ich will, dass du mir gehorchst, dann gehorchst du gefällig, sonst such ich ein anderes Mittel. Ich habe wirklich andere Probleme. Da ist das Institut, meine mum, hodge, Arved, Johann, die Leute hier. Ich muss mein Leben auf die Reihe kriegen, da brauch ich nicht auch noch dich!"

Doch die Risse verschwanden nicht. Sie wurden Werder weniger noch mehr oder tiefer. Sie blieben genau so. "Du brauchst mich also nicht? Sehr gut, dann kann ich mir wieder jemanden anderes suchen. Vielleicht wird dein leben dann spannender bzw. du selbst." als hätte sich die Sonne in dem Glas gespiegelt, fuhr eine helle Reflektion über den Spiegel. Danach waren weder noch Risse in der Scheibe noch die Gestalt war wieder zu sehen. "Grüß den Rest von mir..." verklang die Stimme, als würde die Gestalt sich immer mehr entfernen, bis sie nicht mehr zu hören war und völlig verschwand.

Für einen Moment starrte April sprachlos ihr eigenes Gesicht an und versuchte zu realisieren, was gerade passiert war, doch im nächsten Moment packte sie die Ränder des Spiegels und rüttelte daran. "Du kannst jetzt nicht einfach verschwinden! Die killn mich hier! Komm schon wieder raus, du Bastard!", schrie sie die glänzende Oberfläche an, doch nichts wollte geschehen. "Du schuldest mir scheiße viel!" Wütend schlug sie ihre Faust gehen den Spiegel. Dieser zersprang darauf hin, doch die Scherben blieben in ihrer Hand stecken. "Scheiße nochmal!", keifte sie. "Scheiße, scheiße, scheiße!" Das Mädchen sprang aufgebracht auf ihre Füße und trat auf den Spiegel ein. Sie brauchte Ihre kräfte nicht, um Spiegel zu zerstören. "Hie geht es immerhin nicht nur um mich!" Geradezu hysterisch schrie sie auf, ungeachtet der blutenden Hand. "Ihr Typen lasst mich alle im Stich!" Und den Namen von ihm kannte sie auch nur nicht. Wütend tobte sie durch die Halle, während Tränen ihre Wangen hinabliefen, wie das Blut ihr Handgelenk. So hatte sie sich ihr Leben nicht vorgestellt.