"Nur weil der scheiß Köter noch auf dich hört?!" diesmal war Liron lauter geworden. "Dann ist der doch der Verräter!" der junge Mann ballte die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen. Dieser Köter war nicht nur der Grund, dass sie ständig schmerzen hatte, nein, er musste auch ihr Leben hier zerstören. "Ich mache die beiden kalt. Wer war diese Blonde? Weißt du ihren Namen?"

"Nein, ich habe keine Ahnung." Unsicher berührte sie den Arm ihres Beschützers. "Lass gut sein. Ich habe ihr gesagt, was ich davon halte. Sie hat doch recht... Ich verstehe mich wirklich zu gut mit ihm. Ich... Ich kann ihm nicht weh tun. Er guckt mich immer so an, so... So verzweifelt, hilflos, manchmal auch hoffnungsvoll. Er ruft nach mir und reagiert ungläubig, wenn er mich sieht. Es ist als würde er glauben, ich komme zu ihm zurück und dann wird alles wieder gut, als hättet ihr mich nur entführt und ich wollte das alles nicht." Ein verzweifeltes lachen entfuhr ihren Lippen und sie lehnte den Kopf leicht in den Nacken, damit sie die Tränen zurückhalten konnte. "Es ist schon lustig. Er ist nur ein Hund, ein Tier, nichts weiter, aber es tut so weh..." Sie konnte sich daran erinnern, wie Liron ihr gesagt hatte, sie solle niemandem an diesem Ort von ihren Problemen erzählen und nun schüttete sie gerade ihm ihr Herz aus.

Liron sah sie ausdruckslos an. Es schien als hätte er sich während ihrer Erzählung wieder einbekommen. "Du musst dieses Band los kriegen, sonst gehst du and jenes kaputt." sagte er dann, nach einer Pause. "Der Zwinger hat es geschafft, dass dieses Band entstanden ist, also müsste es ja auch wieder beseitigt werden können." überlegte er. "Wenn nicht, dann ist dein Hund der Grund, warum man dich hier umbringt. Lange reicht der Geduldsfaden von Gideon nicht mehr."

Sie nickte knapp. Niemals würde sie ihm erzählen, dass sie das Band behalten wollte, weil es ihre einzige Chance war, zu wissen, wie es Arved ging. Nicht einmal Liron sollte erfahren, dass sie Angst hatte, ihre letzte Verbindung zu Arved zu lösen und somit allen Kontakt abzubrechen. Ein Hund ohne Aufgabe würde früher oder später daran zu Grunde gehen. Gideon hatte es einst gesagt, sie erinnerte sich. Vielleicht war es das beste das Band zu lösen, auch für ihn. Er würde nicht mehr auf sie warten, sie loyal wie ein Hund zu erwarten, wenn sie zurück kam. Vielleicht würde er streunern bis ein anderer ihn aufnahm, herausputzte und ins Herz schloss. Vielleicht würde er dann auf eben diese Person warten, sie beschützen. April konnte spüren wie in ihrem Herz etwas brach, wenn sie daran dachte. Traurig senkte sie den Blick. "Ich denke, das wäre das beste.", schloss sie den Gedanken und auch das Thema damit ab. "Könntest du dir meinen Hinterkopf kurz ansehen, ich habe Angst, dass etwas blutet.", wechselte sie den Gesprächsgegenstand.

"Nicht dein Ernst?!" lautete Lirons ungezügelte Antwort. "Das fragst du erst jetzt?!" zeitgleich packte er sie an den Schultern und drehte sie so um, dass sie mit dem Rücken zu ihm stand. "So was sagt man zu allererst!" belehrte er sie, während er ihre Haare zur Seite fuhr. Nach genauerem begutachten entdeckte er tatsächlich fast getrocknetes Blut und auch dir dazugehörige kleine Platzwunde. "Ich schwör dir, dafür mach ich dieses Weib fertig. Aber jetzt müssen wir dich ins Arztzimmer bringen, das muss geschlossen werden, doch hier hab ich nix." lautete seine Erklärung. "Außerdem kannst du mir dabei dann gleich erzählen wo du eventuell noch Training brauchst, das solltest du ja während des Auftrags bemerkt haben, wenn was fehlt."

April folgte Liron und ließ sich von ihm versorgen, ehe sie sich ihrem zukünftigen Training widmeten. Inzwischen waren sie in ihrer neuen Unterkunft eingekehrt. Sie war wesentlich einfacher als die vorige, dafür jedoch näher am Versteck. Ein Zeitvorteil, der ihr die Chance gab möglichst viel zu trainieren und gleichzeit viel Zeit fern von den anderen Jägern zu verbringen. Von Liron hatte sie sich für diesen Tag bereits verabschiedet. Dieses mal war ihnen beiden ein Schlafzimmer gegönnt. Sie verschwand in dem ihren und kroch unter die warme decke. Ein weiteres mal verspürte sie nicht das geringste Hungergefühl. Sie wollte einfach nur schlafen, doch vermutlich blieb ihr auch das verwehrt. Frustriert zog sie sich die Decke über den Kopf. Sie fror schrecklich, als sei es Winter. Unter der decke fühlte sie sich erstmals wieder geborgen und gewärmt. Ruhig schloss sie die Augen. Es war so wie damals, als Arved noch bei ihr lag. Unglücklich strich sie über die leere stelle, wo einst Arved lag. Ob er es verkraften könnte, wenn sie nie mehr zurückkehrte?

Liron stand seinerseits vor dem fertigen bett und betrachtete es skeptisch. Es war doch schon einige Zeit her, seit er ein eigenes Bett besaß, selbst vor April hatte er oft die Nächte auf dem Sofa verbracht, ob nun schlafend oder wach. Als sie hier angetroffen waren, hatte er sich ein einfaches T-shirt übergeworfen und eine Jogginghose angezogen und genau mit diesen Klamotten fiel er nun rücklings auf die weiche Matratze. Immer mehr beschäftigte ihn April und ihr Zustand, sodass er die vorherige Abneigung längst vergessen hatte. Jetzt machte es ihn schon wütend, wenn er nur mitbekam, dass jemand dumm über sie redete. Leise stöhnend, dass er schon wieder zu viel nachdachte, stand er noch einmal auf und zog das Fenster auf. Er brauchte frische Luft, sonst würde er nie zur Ruhe kommen.

hoffnungsvoll versuchte april das Gefühl wieder herzustellen, dass sie blitzartig durchfahren hatte als sie Arved berührt hatte. Vor ihren Augen tauchte sein Bild auf, doch die Wärme hielt kaum an. Wieder glitten ihre Finger zärtlich über die Bettwäsche, als würde er doch noch erscheinen. Sie wollte seinen Geruch in sich aufsaugen, ihm durch das wilde Haar fahren, wie sie es sonst auch immer getan hatte. Er war ihr Hund, ihr Eigentum, ihr Leben. Sie würde nicht zulassen, dass ihm etwas zustieß, auch wenn Gideon drohte. Ja, sie hatte geschworen das Institut zu vernichten, doch Arved war nicht das Institut. Er war doch nur ein hilfloser verwirrter Welpe, der dummen Mädchen seine Liebe schenkte. Er gehörte zu ihr, er war ein Teil von ihr. "Es tut mir Leid, Arved.", flüsterte sie leise. "Ich wollte doch nur das beste..."

Auch im Institut, beziehungsweise im Keller, war langsam Ruhe eingekehrt. Man hatte versucht alles wieder zu richten und zu notieren was fehlte und was zerstört wurde. Arved bezweifelte nicht, dass es nicht lange dauern würde, bis die Leute hier unten alles wieder erneut erforscht und hergestellt hatten, immerhin war er selbst ein Beispiel für ihre Schaffenskünste. Auch er wurde noch einmal einer Untersuchung unterzogen, ehe man ihm anwies zu schlafen, damit er spätestens in zwei Tagen wieder Einsatzbereit war. Die Frage war nur für was.
Mit dieser Frage im Kopf drehte sich der junge Mann auf den Rücken und starrte die kahle Decke an. Er musste ständig an April denken. Wie sie ihm gegenüberstand, wie sie mit ihm gesprochen hatte, wie sie ihn berührt hatte. Als sich die Gedanken über sie, immer mehr aufstauten, sodass er beinahe aufgestanden wäre, um sich sofort auf die Suche nach ihr gemacht hätte, schloss er die Augen. Es gab noch eine andere Lösung, um sie zu sehen und zu berühren.
Arved streckte die Hand nach seiner Herrin aus, vorsichtig und prüfend, noch einmal wollte er sie nicht verschrecken. „Ich bin hier, April…“

April tappte hilflos durch die Dunkelheit als sie plötzlich spürte, wie etwas ihre Hand berührte. Erschrocken zuckte sie zurück und wollte die Augen aufreißen, doch war die Berührung so wärmend und ebenso blind wie die ihre. Leise erklang Arveds Stimme. "Arved." Eilig suchte sie in der Dunkelheit und griff nach dem ersten, das sie greifen konnte. "Du... Du bist hier." Hilflos hielt sie die Hand in der Dunkelheit fest. "Arved... Arved, bist du es wirklich? Geht es dir gut?", forderte sie mit rasendem Herzen zu erfahren.

Erleichtert atmete der junge Mann auf und lächelte bekräftigend. "Mir geht es gut, mach dir keinerlei Sorgen um mich. Doch wie geht es dir?" die Sorge klang aus seiner Stimme heraus. "Ich traue den anderen an deiner Seite nicht... Haben sie dir auch nicht weh getan?" seine freie Hand streckte er ebenfalls aus, um damit sanft ihre Schulter zu berühren. "Ich hab eich so vermisst... Und als du heute da warst" ein bitteres leises lachen ertönte. "Ich hatte einfach alles vergessen. Dabei..." er musste an ihre Begegnung davor denken. Hatte er nicht zuvor gewollt, dass sie ihn hasste? Hatten sie nicht beide das gewollt? Sie beide wussten nur zu gut, dass das was sie gerade taten, alles nur viel schlimmer machen würde. Obwohl sie wussten, dass sie verbrennen würden, flogen sie wie Motten zu der warm und hell brennenden Kerze.

April trat näher lehnte sich an seine Schulter. "Du bist in Gefahr, Arved.", flüsterte sie Zusammenhangslos und wechselte so das Thema. Sie wollte jetzt nicht über den Auftrag reden, das würde es nicht ändern. "Es tut mir so leid, Arved, so schrecklich leid. Ich kann nicht zurück kommen. Ich bin eine von ihnen, ich gehorche Gideon.", murmelte sie. "Er wird dir wehtun, er will dich aus dem Weg schaffen.... Wir müssen damit aufhören, Arved, sonst wird es dich das Leben kosten. Das kann ich nicht zulassen."

Arved legte seine Arme um April und drückte sie etwas an sich, nicht zu stark, da er sich immer noch fürchtete, dass sie es dann nicht mehr ertragen könnte. "Aber hier sind wir doch ungestört...? Auch hört so das Schmerz auf. Außerdem kann ich es nicht sein lassen nach dir zu suchen. Nicht wenn du immer wieder so zum greifen nah bist." während er sprach, verstärkte sich seine Umarmung und sein Blick wurde entschlossener. Er musste sich doch anhören wie ein Teenager: auf der einen Seite wollte er ihr jeglichen Schmerz ersparen und sie nicht in Gefahr bringen, doch gleichzeitig schaffte er es nicht, sie los zu lassen. Wenn die Jäger sich auf ihn fixierten, dann ließen sie vielleicht die Zweifel an April fallen. Doch was kam danach?

"Vielleicht wird es Zeit, dass du dir jemanden suchst, auf den du besser aufpassen kannst.", begann das Mädchen zögernd. "Ich kann dich nicht beschützen, Arved. Ich will... Ich will es wirklich, doch sie erlauben es mir nicht. Ich kann es niemandem sagen, ohne angeprangert zu werden. Allein der Auftrag heute hat mir unheimlich viel Ärger gebracht. Ich bin eine verräterin auf beiden Seiten. Wie soll ich dir helfen? Vielleicht ist es wirklich Zeit." Entgegen ihrer worte drückte sie sich fester an ihren Beschützer und Strich ihm zärtlich durch das Haar, wie sie es sich gewünscht hatte. "Ich wollte doch eigentlich, dass du mich hasst... Dann wäre es viel leichter."

"Das wollten wir beide..." danach machte Arved eine Pause ehe er fortfuhr. "Hör auf mich zu beschützen, dass musst du nicht länger. Diese Aufgabe wurde mir zuteil. Führe die Befehle aus, wenn du denkst, dass du es willst, aber nimm dabei keine Rücksicht auf mich. Da es scheint, dass du nur dann nicht mehr Ärger bekommst." sehnsüchtig vergrub er seinen Kopf an ihrer Schulter und hielt sie so eng an sich. "Ich werde immer bei dir sein."