Arved wusste keine exakte Zeit, er konnte sie lediglich auf etwa zwei bis drei Stunden vergangene Fahrt schätzen, doch sie machten sich nicht mit einer Uhr bemerkbar, sondern mit der Tatsache, dass es immer schwerer wurde konzentriert auf die Straße zu sehen. Immer wieder bleiben seine Augen zu, sobald er blinzelte und er musste sich fast zwingen sie offen zu halten, auch wenn damit die Sicht vereinzelt verschwammen. Er musste zugeben, dass sie weiter gekommen waren, als er geglaubt hatte, doch selbst hier durften sie sich nicht zu sicher fühlen. Hier weit entfernt von der Stadt schien der Kampf zwischen dem Secret Service und den Jägern gar nicht zu existieren. Als wäre dies hier eine noch völlig unschuldige und unberührte Welt. Vielleicht auch von diesem Gedanken angestiftet, entschloss sich Arved für heute eine Unterkunft zu suchen. Zu ihrem Glück passierten sie gerade ein kleines Dörfchen, welches ihnen ein gutes verschlafenes Plätzchen bot. "April?" erkundigte sich der junge Mann, bevor er zu seinem Anliegen kam. Auch wenn er längst den Wagen auf die von ihm ausgewählte Unterkunft zu lenkte. Sie besaß aus seinem größeren Gebäude und einem weitläufigen Gelände dahinter. Auf diesem waren viele kleinere Häuser, Bungalows, verteilt, welche für die Gäste zur Verfügung gestellt waren. "Lass uns für den Rest dieser Nacht hier bleiben."

Müde blickte das Mädchen auf und blickte fragend ihren Fahrer an. Die letzten Stunden waren größtenteils schweigend vergangen, da sie nicht wusste, was sie ihm sagen sollte. Ihr Kopf war zu voll, um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Ab und zu hatte sie Arved beobachtet, die andere Zeit starrte sie aus dem Fenster und betrachtete die dunklen Formen in der Nacht. Als der wagen nun hielt, blickte sie kurz fragend umher und versuchte etwas in der Nacht zu erkennen. "Wo sind wir?"

"Wir werden hier nächtigen." antwortete Arved, auch wenn er selbst wusste, dass dies ihre Frage nicht exakt beantwortete, doch er wüsste keine bessere Antwort darauf. Er löste den Gurt, machte jedoch noch keine Anstalt aufzusteigen. Stattdessen drehte er nun seinen gesamten Oberkörper in April's Richtung und sah sie an. "Ich werde für uns ein Bungalow nehmen, da wir dort ungestört sind. Bleib du derweil hier im Auto sitzen, ich hole dich dann ab. Zusammen würden wir nur auffallen." er sah sie entschuldigend an, während er aus dem kleinen Fach zwischen Fahrer und Beifahrer die schwarz umrahmte Brille zog, die er über die fahrt hinweg wieder abgesetzt hatte. "Ist das in Ordnung?" holte er fragend ihr Einverständnis ein, vielleicht auch um sich selbst zu beruhigen, da er sie jetzt nur ungern aus den Augen verlieren wollte.

Zögernd nickte sie. Ungern wollte sie alleine in dem Auto zurückbleiben, besonders wegen der derzeitigen Umstände. Aber was sollte schon passieren? Seit Stunden fuhren sie bereits umher, ohne einen weiteren Verfolger gesichtet zu haben. "Bitte beeil dich.", bat das Mädchen ihren Beschützer schließlich besorgt. Keine Sekunde länger als nötig wollte sie alleine in dieser Ungewissheit verbringen. Ein letztes Mal ermahnte sie Arved zur Vorsicht, dann drückte sie sich ein wenig vom Sitz ab, um sich zu ihm vorbeugen zu können. Nachdenklich sah sie in seine Augen, bevor sich ihre Lider senkten und seine Lippen ins Auge fassten. "Beeil dich.", wiederholte sie leise und schenkte ihm einen zärtlichen, beinahe schüchternen, Kuss.

Arved gestand sich ein, dass er in der ersten Sekunde nicht fähig war sich zu rühren, ehe er sich aus seiner überraschte starre lösen konnte. Doch dadurch schaffte er es nur kurz den Kuss zu erwidern, ehe dieser bereits wieder vorbei war. "Das werde ich." versprachen seine Augen, als er sie eine letztes Mal mit jenen fixierte.
Arved ließ die Autotür sacht hinter sich zu fallen und ging anschließend auf das Gebäude zu. Während er ging schob er sich ein weiteres Mal die Brille auf die Nase und stopfte das Portmonee in die hintere Tasche seiner Hose. Nachdem er die Tür aufgestoßen hatte, betrat er einen sehr schlichten, sehr bäuerlich eingerichteten Raum, der wohl eine Art Empfangszimmer darstellen sollte. Doch mehr als zwei alte Ledersessel und ein eigenhändig gezimmerter Tresen, gab es hier nicht. "Ich hätte gerne eines der Bungalows." kam er gleich zur Sache, da für diese Uhrzeit wohl keine Höflichkeit mehr nötig war. Der Mann der hinter dem Holz Kasten eines Tresen saß, hatte bis jetzt auf einen kleinen Fernseher gestarrt, um sich damit wahrscheinlich wach zu halten. Ein Wunder, dass überhaupt noch jemand wach war. "Das wollen alle hier." brummte er, sichtlich schlecht gelaunt, dass er dieses mal die Nachtschicht schieben musste. "Was will der feine Herr denn?"
"Das einfachste, erstmal für eine Nacht." der Mann schenkte Arved einen letzten Blick, ehe er in einen Haufen Papiere griff und etwas ausfüllte, wobei er laut sagte, was er schrieb: "Einzel Bungalow, eine Nacht, Frühstück?" Arved Nichte kurz angebunden. "Und Frühstück. Dann füllen Sie bitte das hier aus." damit reichte der mann den Bogen Papier zu Arved. Während dieser die fragen darauf beantwortete, verursachte der Schlüssel, der nun auf das Holz des Tresen gelegt wurde, ein leiesss klimpern. "Dann wünsche ich einen angenehmen Aufenthalt." verabschiedete sich der Mann zum Schluss, ohne jedoch in irgendeiner Weise höflich oder freundlich zu klingen.
Als Arved zu dem Auto ging, musterte er den Schlüssel kurz. Das müsste fürs erste reichen. Er öffnete die Tür zu April's platz und hielt den Schlüssel zwischen sie. "Viel Höflichkeit kann man um diese Uhrzeit anscheinend nicht erwarten."

Nervös war April im Wagen zurückgeblieben, während die Nacht Arved verschlungen hatte. Es war zu dunkel, um alles zu erkennen, die Gegend war nur spärlich beleuchtet. Unruhig hatte sie sich umgesehen. Im Auto selbst war alles dunkel. Es wäre bestimmt zu auffällig, wenn Licht brennen würde. Im nächsten Moment hörte sie ein Geräusch und vor der getönten Scheibe erscheint ein Schatten. die Tür öffnete sich mit einem klacken. Erschrocken zuckte April zusammen und ihr Blick schoss herum, während ihr Herz einen Satz machte. Arved. Natürlich war es Arved, das hätte sie wissen müssen. Einmal mehr wurde ihr bewusst, dass sie schreckliche Angst hatte. Sie wollte die Hand heben und nach dem Schlüssel greifen, doch als sie spürte, wie stark ihr Körper bebte und ihre Hände zitterten, unterließ sie dieses Vorhaben. Es war nicht nötig auch noch Arved unnütz zu beunruhigen. "Lass uns schnell dort hin gehen.", schlug sie stattdessen vor und stieg aus.

Arved nickte und verriegelte das Auto, nachdem er sich noch seine Jacke aus dem Wagen geholt hatte. Mehr als das, was sie am Leib trugen, besaßen beide nicht, doch für mehr hatte auch die Zeit nicht gereicht.
Ihr Bungalow stand mittendrin zwischen all den anderen und bietet gerade einmal platz für ein Schlafzimmer, ein kleines Badezimmer und keinen bescheidenen Aufenthaltsraum bzw. Wohnzimmer. Die Räume wurden durch einen kleinen Flur verbunden. Als Arved die Tür aufsperrte, kam ihnen eine leicht muffiger Geruch entgegen. Anscheinend war hier lange nicht gelüftet worden. Nachdem die Tür geschlossen ward, wandte sich der junge Mann sogleich an seine Begleiterin. "Am besten du legst dich gleich ins Bett uns schläfst etwas. Ich kann mir gut vorstellen, dass du den Schlaf nötig hast." er lächelte sie sanft an.

Skeptisch sah sich die rothaarige in dem Bungalow um. "Was ist mit dir?", entgegnete sie seinem Vorschlag. Sie hatten beide einen sehr anstrengenden Weg hinter sich und Arveds Nerven waren vermutlich stark strapaziert, da er seit Stunden gefahren war und auch davor im Institut keine Müdigkeit vortäuschen konnte. Sie hingegen war zwar geschafft, doch kannte sie sich selbst gut genug, um zu wissen, dass sie kein Auge zu tun würde. Dafür war sie viel zu aufgeregt. Sie hatte seit Ewigkeiten nicht mehr gut geschlafen, da würde eine Nacht mehr auch nichts ändern. Die Zeit ohne Arved hatte sichtliche Spuren hinterlassen. Tiefe Augenringe, blasse Haut, kraftloses Haar, dürr - ohne Arved war sie eingegangen wie eine Blume ohne Wasser. Sie hatte gedacht, dass all das vorbeigehen würde. Doch jetzt war sie sich da nicht mehr sicher. Sie war vor den wahrscheinlich gefährlichsten Gruppen in diesem Land, vielleicht auch auf der ganzen Welt, auf der Flucht. Allein dieser Fakt würde sie für einige Zeit wachhalten. "Du hast viel geleistet heute, Arved. Du solltest dich ausruhen, vor uns liegen anstrengende Zeiten."

Der Angesprochene haderte innerlich mit sich selbst. Eigentlich hatte er geglaubt diese Nacht ohne Müdigkeit durchzustehen, doch jetzt wo April endlich bei ihm war und die Kraft sie suchen zu wollen, nicht mehr nötig war, spürte er wie wie zuvor ihm Auto sein Körper langsam aufgab. Trotzdem gab er nicht sofort nach. "Solange du dich neben mich legst, werde ich mich hinlegen." stellte er dir Bedingung. Sie jetzt wach zu wissen, würde ihn nicht einschlafen lassen.

Nach kurzem überlegen nickte April ohne ein Wort zu verlieren und tappte kraftlos in das Schlafzimmer. Einmal mehr wurde ihr bewusst, was sie alles hatte zurücklassen müssen. Sie hatte nichts mit sich nehmen können, nur die Kleidung, die sie am Körper trug - und für Aufträge machte sie sich üblicherweise nicht sonderlich schick. Eine schlichtes langes Oberteil und eine enge Hose, in der sie sich gut bewegen konnte, beides in schwarz. Das war nun alles was sie hatte, das und Arved. Schon als sie zu Gideon gekommen war, hatte sie viel zurückgelassen, doch nun war alles fort. Was sollten Sie tun? April war immerhin gerade erst volljährig geworden. Sie hatte ihren eigenen Geburtstag ganz vergessen, als sie unter den Jägern Fuß gefasst hatte. Seit dem Institut hatte sie kaum noch ein Gefühl für Zeit. Innerlich komplett verzweifelt ließ sie sich auf das Bett fallen. Die Bettwäsche hatte einen ähnlich muffigen Geruch wie das Zimmer, aber was erwartete sie auch? Hauptsache sie wären diese Nacht sicher. Ohne weiter nachzudenken zog sie die Schuhe aus und dann ihre Hose und ließ beides neben dem Bett fallen. Das weite t-Shirt war lang genug, um das nötigste zu verdecken. Es war eines der Kleidungsstücke, die sie später von Gideon erhalten hatte, vermutlich hatten sie ursprünglich einem anderen gehört, der Größe nach wahrscheinlich ein Mann. Sie hatte nie deswegen Fragen gestellt und so würde es auch bleiben, da es eindeutig wichtigeres gab. In Gedanken versunken fischte sie den zopfgummi aus ihren Haaren und ließ die locken wieder an ihren Platz über ihren Schultern fallen. Aufrecht blieb sie im Bett sitzen. Ihr Blick war die ganze Zeit über verloren und schien anderen Dingen nachzuhängen. Diesmal starrte sie an das bettende. "Arved? Sie werden uns heute noch nicht finden, oder?"

Arved sah ihr nach, sogar einige Zeit zu, wie sie sich entkleidete sich hinsetzte und all das mit diesem gedankenverlorenen Blick. Erst als sie seinen Namen aussprach, setzte sich sein Körper in Bewegung, als hatte er auf eine Erlaubnis gewartet. "Ich glaube nicht. Wir haben einen guten Vorsprung gut gemacht, sodass wir mindestens einen halben bis ganzen Tag Zeit haben." Als er sie sitzen sah, wurde er sich seinen vorherigen Worten erst wirklich bewusst. Hatte er überhaupt noch ein Recht sie danach zu fragen neben ihm zu liegen, damit er ruhig liegen durfte? Fast schon zögern trat er in das Schlafzimmer und blieb vor dem Bett stehen. "April, ich...ich weiß was ich gerade gesagt habe, doch ich denke es wäre besser, wenn ich dir das Bett abtrete und mir das Sofa nehme." er verfluchte sich in Gedanken, dass er seine nur halbfertig gedachte Idee zu schnell ausgesprochen hatte. "Ich glaube nicht, dass ich nach all dem was geschehen ist, noch verlangen kann, dass du neben mir liegst."

Beinahe streng blickte sie zu ihm auf, aber in ihren Augen lag auch ein Hauch von Furcht. "Arved...", begann sie ermahnend, doch dann seufzte sie und besann sich zu einem sanfteren Ton. "Arved, wenn wir uns nicht missverstehen, dann sind wir gerade soetwas wie... Ja... Durchgebrannt. Du bist jetzt nicht mehr mein Sese, du bist einzig und allein Arved. Und wenn du dich nicht sofort zu mir legst und dich ausruhst, dann werde ich hier wahnsinnig." Sie drehte sich auf die Knie, kletterte das Stück zu ihm an die Bettkante und kniete sich dort vor ihren Beschützer. "Bitte... Du bist nicht mein Angestellter."

Der junge Mann sah noch einen Augenblick zu ihr herab, ohne eine Regung zuzulassen. Seine blauen tasteten jeden Zentimeter von ihr ab, ohne dabei ihr Gesicht zu verlassen. Ein weiteres Mal prägte er sich alles an ihr ein, als wolle er anschließend ein Portät von ihr zeichnen. Dabei spürte er kaum, wie er langsam die Hand hob und damit Anstalt machte eine Strähne ihres roten Haares zu berühren. Sie konnte noch so wenig Schlaf hinter sich haben, noch so rote Augen vom Weinen haben, für ihn würde sich an ihrem Aussehn wohl nie etwas ändern. Erst als seine Augen an ihren Lippen hängen geblieben waren, erwachte er aus seiner Trance, die ihr Anblick in ihm ausgelöst hatte. Kurz bevor er sie berührte hielt seine Hand inne und wurde kurz danach gänzlich zurück gezogen, ohne ihr Vorhaben ja beendet zu haben. Er sollte sich zu ihr legen, rief er sich in Gedanken wieder hervor. Bevor er sich auf die Matratze sinken ließ legte er seinen Schlüssel und das Portmonee auf dem kleinen Tisch neben dem Bett ab. Noch kurz verweilte er sitzend, ehe er sich endlich auf den Rücken legte und den Blick zur Decke wandte. Er kam nicht umhin leise auszuatmen, da es sich besser als gedacht anfühlte wieder etwas weiches unter sich zu spüren, an dem man nicht festgebunden war.

April hatte leicht die Stirn gerunzelt, als Arved wortlos verblieb und sein Blick über sie glitt, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf seine Hand. Sie zuckte nicht, eigentlich sehnte sie sich eher nach seinen Berührungen, doch er zog sie zurück, immernoch schweigend. Sie tat es ihm gleich. Vielleicht war dies für ihn kein Moment, der Worte brauchte. Als er nun bei ihr lag, bettete sie ihren Kopf auf seiner Brust und sah über das fußende hinaus, während die Stille ein wenig weiter wirkte. Sie hatte keinen genauen Punkt, an den sich ihr grünes paar Augen heftete und doch hing er etwas nach. Es war schön an seiner Seite zu sein, schöner als in den Träumen, nur die Stille bedrückte sie ein wenig. Es war endlich kein Schmerz da, keiner der sie beobachtete, unter Druck setzte, aber hatten sie sich nichts zu sagen. "Hast du Angst?", brach April schließlich mit rauer Stimme die Stille, um endlich wieder zu hören, wie er mit ihr sprach. Er schien angespannt, was nicht verwunderlich war.

Arved hatte seinen Arm um sie legen wollen, doch auch hier zögerte er. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er den innerlichen Kampf gewann und sein arm seinen Platz um sie einnahm. Wahrscheinlich hätte er noch weiter geschwiegen, einfach um ihre tatsächliche Nähe zu genießen, doch als sie ihre Stimme erhob, kehrte sein Blick zu ihr zurück. Leicht schmunzeln nickte er. "Ja, die hab ich." antwortete er wahrheitsgemäß. "Auch wenn ich dich endlich bei mir habe, habe ich immer noch Angst." man konnte hören, wie ironisch und fast wie idiotisch er das empfand. "Ich habe Angst du könntest wieder verschwinden, ohne das ich etwas ausrichten kann. Ich kann dich nicht noch einmal kampflos hergeben, das könnte ich mir selbst nicht verzeihen."