IMit einem verzweifelten seufzen sah April zu ihrem geliebten Welpen. "Danke.", stieß sie leise, jedoch erleichtert, aus. "Arved, ich...", sie unterbrach sich selbst. Sie könnte sich tausendmal entschuldigen oder versuchen, es ihm zu erklären, aber es fehlte ihnen an wertvoller Zeit. Sie wollte ihn doch nur beschützen. Nun blickte sie über die Schulter zu Gideon. "Du wirst ihm kein Haar krümmen, verstanden?" Ein letztes Mal blickte sie besorgt zu ihrem Beschützer, bevor sie sich komplett umdrehte. "Er ist kein Tier, verstanden?! Er ist keines dieser Geschöpfe des Instituts. Er ist ein eigenständiges freies Wesen wie du und ich und verlange, dass man ihn auch so behandelt."

"Verlange so viel, wie du nur willst, nur ob wir es auch so tun, ist eine andere Sache." Gideon hob den Kopf an und musterte April eingehend von oben bis unten. "Du siehst erholt aus, wenn ich mir dich so ansehe. Die paar Tage scheinen dir gut getan zu haben." weiterhin mit dem Grinsen im Gesicht, wanderte seine Hand zu seinem Gürtel, als auch schon der Hund erneut anschlug und alles noch weiter heraus zögerte. Seine Hand war ziel sicher zu der Waffe an seinem Gürtel gewandert und genau, dass hatte der Köter bemerkt und hatte den Kopf plötzlich gehoben, wobei er deutlich ansetzte sich auf ihn zu werfen. Es brauchte kein Zeichen, dass die Männer die Waffen beiseite packten und zu viert den Köter erfassten, um ihn von weiteren Aktionen abzuhalten. "Jetzt reiß dich mal zusammen. Durch solche Taten, wirkst du nur immer mehr wie ein verwildertes Tier." Gideon kümmerte sich gar nicht darum, was April sagte und was sie verlangte, für ihn stand sein eigenes Ziel an erster Stelle. So brachte er seine Absicht zu Ende und zog nun seinerseits seine Waffe. "Du sagtest, du würdest alles für ihn tun..." während er sprach, entnahm er das Magazin, überprüfte es kurz, ohne wirklich hinzusehen und ließ es mit einem Klicken wieder einrasten. "Dann können wir deine Bedingungen und meine Absichten, doch ganz leicht verknüpfen." und schon hob der Mann die Waffe und zeigte damit auf Aprils Brust, was natürlich dazu führte, dass die Männer hinter ihr einen aufgebrachten Hund unter Kontrolle bringen mussten. "Wehe du tust ihr etwas an!" rief Arved und zerrte nur umso mehr hin und her, um sich aus den Griffen der fremden Männer zu entwinden. "April, bitte!" flehte er, als würde ein einziges Wort von ihr reichen und alles wäre vorbei. "Nehmt mich an ihrer Stelle!!"
Doch Gideon schnaufte nur gelangweilt. "Es ist ganz einfach. Du warst ungezogen und nun musst du die Konsequenzen deiner Handlung tragen. Verräter dulde ich ebenso wenig wie Hunde. Einer kann überleben und der andere muss sterben, ganz simpel."

Als man Arved packte, riss April erschrocken den Kopf herum. Sie wollte etwas einwenden, doch Gideon stellte ihr bereits ein Ultimatum. Erschrocken blickte sie dem Lauf der Waffe entgegen, dann sah sie wieder zu ihrem schreienden Hund. In ihrer Brust machte sich ein unsagbarer Schmerz breit, ihr Körper fühlte sich taub an. Sie wusste ganz genau, dass Arved dies nicht überleben würde. Ein Hund ohne Aufgabe war ein toter Hund. Durcheinander blickte sie zu Gideon auf. Ihre Finger verschränkte sie ineinander spielte nervös mit Ihnen, ohne wirklich eine Antwort zu finden. Arved würde sie rächen können. Er musste nicht sofort sterben. Vielleicht überlebte er es sogar. "Einer muss sterben", wiederholte sie gedankenverloren, "du hast recht." Sie lehnte den Kopf in den Nacken, um die Tränen zu bekämpfen. Ein ungläubiges lachen entfuhr ihr über diese Absurdität. "Aber einer überlebt..." Die Worte zergingen ihr auf der Zunge, während sie den Kopf langsam wieder senkte. War es denn wirklich so unvorhersehbar, dass jemand sterben musste? Sie war das Risiko freiwillig eingegangen. Sie hatte das Leben ihrer Mütter gefährdet, ihren Vater enttäuscht, sie hatte Arved zuvor sterben sehen, sie hatte keine Kontrolle über ihre Kräfte, all ihre Freunde hatte sie verraten. Es war ihre Schuld. Sie lehnte ihren Kopf über die Schulter und sah zu Arved, das eigene Schicksal bereits akzeptiert. Auf ihren Lippen lag ein zittriges Lächeln umrahmt von stummen Tränen. "Ich liebe dich wirklich sehr, Arved, weißt du?" Sie hätte ihn gerne ein letztes Mal berührt, ihn geküsst, aber dafür war es nun bereits zu spät. Ihre Lippen formten nur noch einen schwachen Abschied, bevor sie sich zurück an Gideon wandte. "Also gut, ich bin bereit, mach schon, erschieß mich, ich hab es nicht anders verdient. Mach es schnell.", die letzten Worte schrie sie beinahe, sofern es mit ihrer heiseren Stimme möglich war. Schwer schluckte sie und atmete ein letztes Mal tief durch.

Das aussprechen ihrer Entscheidung schien den ganzen Raum um sie mit einem Mal zu verändern. Als wäre es mit einem Mal toten Stille geworden, obwohl der Hund einfach nicht aufhörte mit schreien. Er flehte April an, rief immer wieder ihren Namen, in der Hoffnung irgendwie etwas ausrichten zu können, außer nur ständig herum zu zerren. Auch drohte er Gideon, welcher seine Waffe bereits entsichert hatte und den Zeigefinger siegessicher an den Abzug gelegt hatte. Sein Grinsen war mehr wie ein stummes gehässiges Lachen und seine Augen waren unnatürlich weit aufgerissen, voller Erwartung was gleich geschehen würde. "Man sieht sich, April..." säuselte er und drückte ab. Der Knall ertönte, die Kugel zerteilte die Luft vor sich, doch sie würde nie ihr Ziel erreichen.
Das Geräusch wenn sich eine metallene Kugel in menschliches Fleisch bohrte, hatte Gideon schon so oft gehört und innerhalb kürzester Zeit angefangen, es zu genießen. Natürlich war es ihm nur recht, wenn genügend Leite starben, wenn er abdrückte, doch am besten war es doch immer noch, wenn genau alles nach Plan verlief und die abgefeuerte Kugel genau denjenigen traf, für den sie von vornherein bestimmt war. Arved hatte sich während seiner Rufe immer näher an April heran ziehen können, da die Männer an ihm ab und zu einen Schritt nach vorne machten. Er hatte geplant sie weg zu zerren, sie aus der Schussbahn zu holen, doch er musste schnell einsehen, wie töricht dieses Vorhaben war. Gideon würde noch einmal feuern und noch einmal, solange bis einer starb. Nur einer konnte überleben. In Gedanken rief er sich ständig diesen einen Satz vor Augen, bis er merkte, dass er es geschafft hatte, sich los zu reißen. So stand er, die Arme ausgestreckt, vor April und nahm ihren Platz ein. Er konnte deutlich spüren, wie sich die Kugel durch seinen Körper fraß und damit April zur Überlebende ernannte. Ein bitteres Lächeln, voller Schmerzen, erschien auf Arveds Gesicht. "Endlich... konnte ich dich mal... beschützen... April..." er versuchte das aufkommende Blut hinunter zu schlucken, doch allein das nachgeben seiner Beine zeigte ihm, dass es kein Zurück mehr gab. Er hatte sich hierfür entschieden, um sie zu schützen, so wie sie es für ihn geplant hatte. Das war doch alles verrückt, durfte sie denn nicht einmal ohne Schmerz und Trauer leben? Konnte er sie nicht einmal wirklich davon befreien? //Hab ich es jetzt endlich geschafft?// Trotz dieser Selbstzweifel, wusste er, dass April nun sicher war. Er wollte ihr wenigstens noch sagen, dass er sie liebte und das bestimmt alles wieder gut wurde, doch die Dunkelheit holte ihn schneller ein. Sie verschlang ihn, zerrte ihn hinab, nicht in der Absicht ihn je wieder gehen zu lassen.

Die nächsten Moment vergingen in Zeitlupe. Ihre Pupillen weiteten sich, ein Schrei durchbrach die Stille, doch es war längst zu spät, ihn aufzuhalten. Sie fasste seinen Arm. Mit dem auftreffen der Kugel machte sich in ihrer Brust ein Schmerz breit, der alle zuvorigen schmerzen übertraf. Wie ein Fisch an Land japste sie. Es war als würde sie keine Luft mehr bekommen, als würde kein Sauerstoff mehr für sie existieren. Man hatte sie ihrer Lebensgrundlage beraubt. "Nein.", entfuhr es ihren Lippen. Um sie herum verschwamm alles, während sein Körper nachgab. Sie versuchte ihn zu fassen, als er zu Boden sank, doch stattdessen fiel sie mit ihm kraftlos zu Boden. Alles was sie sah war Arved. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. "Nein!" Sein Oberteil saugte sich bereits um das Loch in seiner Brust mit Blut voll. Wieder und wieder flehte sie ihn, rüttelte den nun leblosen Körper, während das Blut in ihren Ohren rauschte. Tränen rannen ihr Kinn hinab, verklebten die roten Haare, die ihr nasses Gesicht umrahmten. "Bleib bei mir.", winselte sie leise. "Es wird sicher gleich wieder alles gut, ich beschütze dich, du musst nur durchhalten.", redete sie auf ihn ein als könne sie ihn damit beruhigen. "Es ist vielleicht ein Schuss, aber... Aber das hat sicher nichts zu bedeuten, wenn du jetzt nur bei mir bleibst." Verzweifelt drückte sie die Hände auf die Wunde, als könne sie damit das Blut am rinnen hindern und ihn stabilisieren. Schluchzend sah sie hinab, Tränen tropften von ihrem Kinn auf seinen Körper. "nein!", wiederholte sie entschieden. "Ich verbiete dir tot zu sein, ich befehle es dir!" Doch alles verbieten, flehen und befehlen änderte nichts an den Tatsachen. Verneinend schüttelte April den Kopf. "Du weißt, dass du auf meine Befehle hören musst! Das ist deine Pflicht!", schrie sie den Welpen an, der in ihren Armen starb. Sie fasste sein Handgelenk - kein Puls. Wieder schüttelte sie das rote Haupt, das könnte nicht stimmen. "Das hat überhaupt nichts zu bedeuten." Mit den blutverschmierten Fingern strich sie ein paar Wüste Strähnen aus seinem Gesicht. "Wir kriegen das hin, zusammen." Trotzdem glitten ihre Finger zu seiner Halsschlagader und bestätigten somit ihren vorherigen Test. "Nein.", winselte sie erneut, da es zunehmend realer wurde. Ihr eigener Schmerz raubte ihr beinahe die Sinne, doch sie durfte ihn nun nicht allein lassen. hilflos sah sie auf ihren toten Welpen hinab. "Du kannst mich doch hier nicht allein lassen.", wimmerte sie verzweifelt. "Ich brauche dich doch." Schluchzend presste sie ihr Gesicht an seine Brust, wo sie sonst sein schlagendes Herz erwartet hatte, um sie zu trösten. Dieses Mal erwartete sie nichts. "Komm zu mir zurück.", flüsterte sie, während sie das Gefühl hatte, dass sie jeden Moment an den eigenen Tränen ersticken musste. Sie würde den Jungen dennoch nicht loslassen. Auch die Jacke, die sie trug, sog sich langsam mit seinem Blut voll. Die Jacke, die wenige Sekunden zuvor noch ihm gehört hatte. Tränen vermischten sich mit Blut, doch nichts änderte etwas an der Tatsache, dass der Junge, den sie sosehr liebte nun tot in ihren Armen lag. "Bitte", flehte sie ein weiteres Mal verzweifelt, "bitte lass mich nicht allein, Arved."

Gideons grelle Augen betrachteten ausdruckslos das Geschehen vor ihm. Obwohl er seinen Männern befohlen hatte, die Hund festzuhalten, hatte er bereits damit gerechnet, dass dieser es dennoch irgendwie schaffen würde. Nur dazu wurden sie erzogen: um irgendwann das Schild ihrer Herren zu werden. Doch was diese törichte Erziehung nicht in betracht zog war, dass wenn die Köter tot waren, ihre Herren nun ganz alleine dastanden, ohne Schutz, ohne Versicherung, dass sie wirklich nun sicher waren und einen toten Beschützer vor ihren Füßen. "Wie töricht..." brummte Gideon und steckte seine Waffe weg, die würde er wohl nicht länger brauchen. "Packt die Leiche ein und dann ziehen wir hier ab. Mission erfolgreich ausgefüllt." während er gesprochen hatte, drückte er an seinem Funkgerät die Sprech-Taste, sodass auch alle anderen seinen Befehl mit bekamen. Ein paar der Männer mit ihm im Raum stellten sich zu der wimmernden April, wobei sie deutlich versuchten sie von der Leiche weg zubekommen. Doch sie hatten wenig Zeit es 'normal' zu versuchen, denn bereits wenige Minuten später kam Gideon zurück, der für ein Funkgespräch einige Meter weggegangen war. "Hey! Beeilt euch gefälligst! Wenn sie Stress macht fesselt sie einfach. Wir bekommen bald Besuch. Die Hunde haben anscheinend auch endlich die richtige Spur gefunden." seine letzten Worte wurden von einem breiten Grinsen begleitet. Hodge war einfach alt geworden, er sollte es einsehen, dass er keine Chance mehr gegen ihn hatte.

Einige Männer, die zuvor Arved zurückgehalten hatten, versuchten nun April von der Leiche fortzuzerren. Das Mädchen wehrte sich jedoch vehement und verstärkte die Umklammerung um den lebloseren Körper, während sie herzzerreißend schluchzte. "Nein!", schrie sie stur, während sie versuchte ihren Welpen zurück ins Leben zu holen. Hilflos strich sie dem Jungen durch das zauselige schwarze Haar, während sie immer weiter flehte. "Ich lass dich nicht allein.", säuselte sie immer wieder verzweifelt., auch wenn sie wusste, dass ihre Versprechen nicht viel Wert waren. "Es ist alles gut, ich bleib bei dir."

Gideon hatte für ihre Taten nichts weiter als ein lautes schnaufen übrig. Musst das Mädchen immer so ein Theater machen? So ging der Mann wieder zurück zu dem verheultem Mädchen und beugte sich zu ihr hinunter. "April, wie wäre es, wenn du deinem Haustier die Ehre erweist an einem besseren Ort zu liegen, als hier? Nimm ihn doch einfach mit und stopf ihn aus." Seine letzten Worten besaßen nicht länger die vorgespielte Freundlichkeit wie die vorherigen. Mehr waren Sir eine Drohung, dass er sie nicht noch einmal darum bitten würde. "Entweder du nimmst ihn selber mit oder meiner nehmen ihn und das heißt, dass er wie ein Tierkadaver in eine Tüte gepackt wird. Vielleicht entsorgen wir ihn auch an der nächsten Häuserecke." So richtete er sich wieder auf. "Oder ich verwende die Leiche als Zielscheibe für das nächste Schieß Training." Damit zog der Mann Abermals seine Waffe und zielte auf den leblosen Körper. "Wird's bald?"

Erschrocken sah April auf und breitete schützend die Arme vor dem Jungen aus. "Nein!", schrie sie verzweifelt. "Tu ihm nichts, er ist doch bereits tot!" Besorgt blickte sie über die Schulter zu ihrem Beschützer. Im nächsten Moment kehrte sie zu dem Körper zurück, um sich zu versichern, dass er ihr nicht entrissen werden würde. "Ich kann dich nicht beschützen.", murmelte sie mehrmals leise. "Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt an einem schöneren Ort bist. Ich habe dich nicht verdient, nicht wahr?" Sie presste sich an seinen Körper, doch sie wusste, dass sie ihn loslassen musste. "Ich liebe dich so sehr, Arved." Zärtlich gab sie ihm einen letzten Abschiedskuss auf die Stirn und versuchte ihm das Blut, das sie verteilt hatte, aus dem Gesicht zu wischen. Sie kämpfte gegen das innerliche Zusammenbrechen an und vergoss weitere Tränen über seinem Körper, während sie versuchte, sich zu erheben. Sie konnte den Blick nicht abwenden, aber auch an ihrer Seite wäre er nicht gut aufgehoben. Sie konnte kaum ihren eigenen Körper auf den zitternden weichen Beinen tragen. Wie sollte sie ihren Welpen bei sich halten. "Tut ihm nichts. Er wird sich nicht wehren, oder?", murmelte sie. "Er ist doch nur ein harmloser Welpe... Er hätte nie jemandem etwas getan."

"Natürlich." sichtlich genervt packte Gideon nun die Waffe wieder weg und kehrte sich um. Seine Männer packten den Leichnamen und trugen ihn ihm hinterher zu ihren Wagen. Es waren drei schwarze Wagen, die einige Meter entfernt standen. Einer von ihnen war ein etwas größerer, fast wie ein kleiner Transporter, da dort die meisten drinnen saßen und die Waffen zwischen gestapelt hatten, nun würde in der Mitte die Leiche des toten Hundes liegen. "April wird bei mir im Wagen fahren." befahl Gideon den anderen, da man sie bereits mit in den Transporter stecken wollte. Die goldenen Augen Gideons richteten sich nun streng wieder auf April. "Steig schon ein." er selbst nahm auf dem Beifahrersitz die platz. Mit ihnen saßen nur zwei andere im Wagen, welche auch gleich zu ihnen stießen, sodass die Motoren bereits wenige Minuten aller Fahrzeuge ansprangen. Auch die anderen die sich noch im Wald aufgehalten hatten, waren zu ihnen gestoßen und hatten sich auf ihre zugewiesen Plätze begeben, immerhin würde in wenigen Minuten ein Haufen Hunde hier erscheinen. "Los geht's." gab Gideon das Zeichen, dass sie los fahren sollten.

April schaffte es nicht, den Blick von der Leiche zu nehmen. Irgendwelche fremden schliffen ihren Welpen zu dem schwarzen Wagen und sie konnte nichts anderes als zu sehen. Sie hatte ihre Seele an den Teufel verkauft und musste nun den Preis dafür zahlen. Ohne darüber nachzudenken folgte April den Männern einige wackelige Schritte. Sie wollte nicht, dass dieser Anblick der letzte wäre. Sie wollte nicht, dass Arved Fremde um sich hatte, die ihn nur als erlegte Beute und wertlos noch dazu ansahen, doch Gideons schneidende Stimme hielt sie zurück. So musste April zusehen, wie sich die dunklen Wagentüren schlossen und der Motor gestartet wurde. Nun war es real. Nun war sie allein und hatte ihren Welpen auf ewig verloren. Jeder Zentimeter mehr, den sie getrennt waren schmerzte. Sie war vieles an Schmerz inzwischen gewohnt, doch der Schmerz, der nun in allen Gliedern saß, übertraf alles. Um sie herum begann sich alles zu drehen, als sie die Hand ausstreckte, als könne sie das Gefährt noch aufhalten. Kurz darauf musste sie den Arm kraftlos wieder sinken lassen. Vor ihren Augen flimmerte es. Die Welt verschwamm, ab und zu versank alles für einen Moment in schwarz. Mit schwankenden schritten wankte April zu Gideons Wagen und fiel im inneren auf das Polster des mittleren Platzes. Sie schwieg, ihr Körper zitterte, während sie versuchte den Würgreiz, den sie verspürte, zu unterdrücken. Sie wünschte sich, dass ihr endlich schwarz vor Augen wurde und sie umkippte, doch ihr Körper entschied sich für eine grausame Tortur, die den seelischen Schmerz physisch unterstützen sollte. Wie gebannt starrte April auf die blutigen Hände in ihrem Schoß. Vor ihrem inneren Auge sah sie den Jungen wieder und wieder sterben, sie hörte seine letzten Worte und sie sah sein lebloses Gesicht. Tränen tropften in ihre Hände, ihr Gesicht wurde von dem wirren roten Haar verdeckt. Sie war schuld an seinem Tod, ihre Versprechen waren nichts wert. Es war der erste Abend, an dem sie seit Monaten wieder wirklich etwas gegessen hatte, doch nun bereute sie es. Alles schlug ihr auf den Magen. Sie wollte sich beruhigen, da auch Gideon anwesend war, doch in den letzten Tagen war alles, was sie beruhigen konnte, Arved. Verzweifelt schüttelte das Mädchen den Kopf. Es war noch nicht bereit, den Jungen aufzugeben. Er hätte nicht an ihrer Stelle sterben dürfen. Trotzdem fragte sich April, ob es wirklich richtig gewesen wäre, ihn mit dem selben Schmerz auf dieser Welt zurückzulassen. Er wäre gestorben. Ein sese ohne Aufgabe starb schnell. Jetzt war er sicher. April schluchzte auf und presste dann wieder die Lippen fest aufeinander. Er war endlich sicher vor all den bösen Menschen. Auch vor ihr war er endlich sicher. Er war nicht länger in Gefahr, sie tat ihm nicht länger diese. Schmerz an. Sie hatte ihm viel zu viel zugemutet. Er hatte sie nie lieben dürfen. Und obwohl sie sich dies einredete, sah sie vor sich noch diese blauen Augen, diese ganz bestimmte Farbe, die sie immer nur Annahmen, wenn er bei ihr war. Und sie sah auch, wie sie plötzlich an Lebensenergie verloren. Nun war sie in der Realität. Sie hätte wissen müssen, dass es so kam.

Die Wagen bewegten sich erst schleppend über den Schotterweg, ehe sie auf den besser befestigten Straßen schneller wurden. Sie waren nicht leicht zu übersehen und dieses Mal bemühte sich Gideon auch nicht darum die Fahrzeuge zu verstecken, sodass die ihnen entgegen Kommenden sie gut erkennen konnten. Es waren ebenso schwarze Wagen, doch ihre Insassen waren weitaus unauffälliger gekleidet und waren beiweiten nicht annähernd so bewaffnet. Auch wenn man drei Fahrzeuge mit blauäugigen Personen nur in Anzügen nicht gerade unauffällig nennen konnte. Das erste Fahrzeug beherbergte Hodge, einen Beifahrer und den Fahrer selbst, was reine Platz Verschwendung war und dennoch so typisch für den alten Mann, musste Gideon zugeben, wodurch sein begeistertes Grinsen nur noch tiefer wurde. Er war wirklich so langsam, dass er seinen 'Sohn' noch nicht einmal zur Hilfe eilen konnte, wenn dieser ins Gras biss. Ein leises Kichern war von dem Beifahrersitz zu hören, als sich sein Blick mit dem eines der Köter kreuzte, die im zweiten Fahrzeug saßen. Der alte Mann hatte gar nicht erst zur Seite geschaut, er hatte an Umsichtigkeit verloren. "Fahrt nicht zu schnell." ertönte Gideons klarer Befehl. "Sie werden uns welche hinterher schicken, die sollen doch auch nach kommen können." Der weißhaarige stützte seinen rechten Warm gegen die Kante unter dem Fenster und sah ziellos nach vorne. "Vielleicht wird der alte Knacker dann endlich mal aktiv. Er hat uns viel zu lange warten gelassen."

April bekam nicht viel von der Fahrt mit. Sie erkannte, dass es die Hunde waren, die ihnen entgegen kamen, wie es bereits vermutet wurde. Sie bemerkte auch, dass der Wagen erst unmittelbar vor dem Hauptquartier schneller wurde, doch sie war viel zu sehr beschäftigt, die Realität zu verleugnen. Ob Soshi und Flo auch unter den vielen Seses waren? Ob sie nachvollziehen konnten, was passiert war? Würde Hodge es verstehen? Würden sie weiter nach ihr suchen oder gaben sie irgendwann auf? Sie hatte so viele Fragen, doch schienen sie alle so nichtig neben dem Schmerz, den sie verspürte.Sie wünschte sich Arved zurück. Er hatte ihr immer gut zu geredet und ihr versprochen, dass alles gut wurde. Er hatte sie in den Armen gehalten, damit sie nicht allein war. Er hatte sie nicht aufgegeben, auch wenn dies alles gewesen war, was sie wollte. Er hatte sie endlich so geliebt, wie sie ihn, das erste Mal. Ihre Lippen formten lautlos seinen Namen zu einem Gebet, wieder und wieder stieß sie das stille Flehen nach ihm aus, aber er würde nicht zurückkommen. Sie hätte auf Hodge hören sollen. Eine Beziehung mit einem Sese war falsch. Aber Arved war kein Sese. Arved war ihr Welpe.
Der Wagen hielt, doch April bekam es gar nicht mehr mit. Erst als man sie an der Schulter fasste und aufforderte auszusteigen, kam sie dem Befehl nach. Sie waren in einer der oberen Hallen angekommen, ab nun musste man den Aufzug nehmen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, die Hallen waren noch grauer und trostloser geworden. Anfangs hatte sie in den Jägern ihre Hoffnung gesehen, dies hatte sich jetzt doch geändert. Ob sie im Institut war oder hier oder wo auch immer, es würde nichts ändern. Sie suchte nur einen Ort aus, an dem sie schließlich eingehen würde wie eine Blume ohne Wasser. Es war nur ein Ort, der ihre auslaufende Lebensenergie auffing. Das Schicksal hätte sie Arved nicht gewünscht.

Die Männer die nun aus den Fahrzeugen strömten waren stattdessen sehr gut gestimmt und unterhielten sich ausgelassen, warum auch nicht? Die letzten Tage drehten sich nur um das Aufspüren der Verräterin und des überwältigen des Hundes, beides hatten sie an diesem heutigen Abend erfolgreich abgeschlossen. Eine erfolgreiche Mission zog immer eine fröhliche und entspannte Stimmung mit sich. Jeder der Männer trug seine eigene Waffe mit sich, wobei zwei unter ihnen noch einen schwarzen plastischen Sack zwischen sich trugen, in dem sich die Leiche des erlegten Tiers befand. Die erste Fuhre des Aufzuges wurde gefüllt, in der auch die Leichen-Träger. Das Gitter wurde zu gezogen und mit einem quietschendem Geräusch senkte sich der metallene Aufzug in die Tiefe.
Gideon war ebenfalls längst ausgestiegen und nachdem er sich einige wenige Minuten Aprils herum schleichen angeschaut hatte, gab er das bloße zuschauen auf. Mit raschem Schritt war er neben ihr, packte sie fest am Arm und zog sie mit sich zur Gittertür, hinter welcher jeden Augenblick die leere Aufzugs Plattform auftauchen würde. "Langsam reicht es mir wirklich." knurrte er. "Dein früheres Handhaben hast du mit deiner letzten Aktion verwirkt, also mach dich schon mal auf dein neues Leben bereit."

April nahm seine Worte wahr, doch sie reagierte kaum. Sie hatte Angst und sicherlich hätte sie weiter gefragt und protestiert, wenn dies der einzige Umstand wäre, doch die Wirklichkeit sah anders aus. Sie wehrte sich nicht gegen den Griff und auch nicht gegen die bedrohlichen Worte Gideons. Ihr Blick hing leer im Raum, während ihre Gedanken den Plastiksack nachhingen, den man bereits nach unten geschafft hatte. "Was werdet ihr nun mit ihm anfangend?", fragte das Mädchen, ohne auf Gideons Worte einzugehen. Die rothaarige wusste genau, dass es keinen Sinn hatte zu fragen, ob sie ihn noch einmal sehen dürfte. "Er ist tot, was wird nun mit ihm geschehen?"

Der weißhaarige Mann schob das Mädchen auf die Plattform, welche wieder zurück zu Oberfläche gekommen war. Mit ihnen betraten auch der Rest diesen, sodass dies das letzte Mal sein würde, dass sich der Aufzug zur Oberfläche bewegte. "Na was mit Leichen halt passiert." lautete Gideons Antwort. Das abermalige klappern des Gitters, was zur Seite geschoben wurde, zeigte, dass sie an ihrem ersten Ziel angekommen waren. "Wer weiß, vielleicht werden wir mit ihm irgendwann unsere Hallen heizen." überlegte Gideon nach einer kurzen Pause laut, währenddessen er April unablässig mit sich zog. Er nahm sie mit sich durch die Flure, führte sie durch einige bekannten Hallen, bis er in einem weiter hinterem Bereich angekommen war. Es war ebenso eine Halle, wenn auch einer der kleinsten. Von ihr gingen viele einzelne Türen ab, hinter welchen sich ein kleiner Zwischenraum befand, ehe ein weiteres Zimmer sich dahinter eröffnete, wenn es auch mehr wie eiserne Zelle war. Gerade mal eine kleine pritsche und ein provisorischer Abstelltisch hatten Platz, ehe bereits die hohe graue Wand das Ende der Zelle bedeutete. Jeder Raum hinter den ganzen Türen beherbergte diese Abfolge und genau solch einer, würde Aprils neues zu Hause sein. Gideon schob eine der Türen auf und stieß das rothaarige Mädchen hinein. "Meiner Meinung nach, ist dies immer noch zu gut für dich, aber naja... sei froh, dass es Leute gab, die für dich ein gutes Wort eingelegt haben. Komm hier erstmal zu Besinnung, dir wird eh noch jemand Gesellschaft leisten." dieses Mal klang der Mann noch schlechter gelaunt, als zuvor, als würde die zweite Tatsache ihn mehr beschäftigen, als ihr Zustand und ihre Umstände.

Das Mädchen stolperte in die Zelle und kam schwankend zum stehen. Nur flüchtig blickte sie sich in dem engen Raum um. Sie hatte bereits geahnt, dass man sie nun nicht mehr aus dem Hauptquartier lassen würde. "Jetzt sperrst du mich also ein... Verstehe...", war alles, was sie dazu zu sagen hatte. Sie ging einige Schritte tiefer in den Raum. Gesellschaft? Hellhörig drehte sie sich um, doch auch dieses Mal hatte sie nicht viel für das Thema übrig. Sie wollte darum bitten, Arved begraben zu dürfen, ihn vielleicht zumindest ein letztes Mal zu sehen, anstatt Gideon den Körper zu überlassen, doch war es unnütz und sie würde keine wahrhaftig ernst gemeinte Antwort erhalten. Mit schwankenden Schritten ging sie der Pritsche entgegen und ließ sich langsam darauf nieder. "Wer hat die sinnlose Aufgabe auf mich aufzupassen?"