Besorgt sah April zu Gideon. Er würde sie doch jetzt nach all dem nicht Hodge ausliefern, oder? Es war nicht so, als würde es wirklich einen Unterschied machen, doch sie wollte die Hoffnung nicht aufgeben, Arved noch einmal wiederzusehen. Sie musste ihn doch im Hauptquartier finden können... Der Blick des Mädchens wanderte weiter zu Boden, streifte den alten nicht einmal. April konnte ihn nicht ansehen, sie wollte es auch nicht. Sie war eine Verräterin auf beiden Seiten, aber Hodge war mehr. Er war Arveds Vaterersatz, er hatte diesen Jungen gemocht, und sie hatte ihn hodge weggenommen. Würde er ebenso leiden wie sie. Ihr Blick ging zu Boden, ohne dass sie sich weiter rührte. Sie würde Gideon seine Geschäfte führen lassen. Sie wusste, dass sie hier war um gedemütigt zu werden.

"Ein Handel also." seufzend lehnte sich der Mann zurück, in der Händen die Untertasse samt ihrer zugehörigen Tasse. Er wollte die Tasse bereits an die Lippen setzten, doch Gideon vereitelte dieses Vorhaben vorläufig. Er war mit einem mal näher an dem Tisch heran getreten und hatte nun mit einem lauten knall seine flache Hand auf den Tisch geschlagen. Seine goldenen Augen fixierten seinen alten Rivalen, welcher ohne jegliche Regung seine Tat zur Kenntnis nahm. "Ich weiß nicht, ob es an deinem senilen Alter liegt, doch du bist verdammt dumm und träge geworden." Gideon grinste zwar, doch seine Worte und seine Stimme waren alles andere als als Belustigung gedacht. "Kommt diese Annahme daher, dass ich dich nicht sofort übers Knie gelegt habe, Gideon? Oder was erwartest du von mir?"
"Was ich erwarte ist zu umfangreich, um es jetzt so einfach zu erklären, aber hier erwartet noch jemand was." Gideon hob seine noch freie Hand und zeigte mit dem Daumen hinter sich auf April. "Aprillein erwartet beschützt zu werden." der weißhaarige Mann machte eine kurze Pause ehe er weiter sprach. "Ihr steht Schutz durch einen Secret Service zu, von denen hast du hier doch so viel." Damit drückte sich Gideon von dem Tisch ab und stellte sich wieder gerade auf. Dort wo noch zuvor seine Hand war, lag nun ein leicht zerknittertes und abgegriffenes Foto. Gleichzeitig schnappte er sich April's Arm und zerrte sie wieder zu sich an die Seite. Nun war das grinsen zurückgekehrt, als er die vereinzelten Blutstropfen auf dem Fotopapier erkannte. "Ihr ehemaliges Haustier kann dieser Aufgabe nicht länger nachkommen."

April hielt den Kopf gesenkt und wartete in kauernder Haltung auf Gideons Vorhaben. Sie zitterte, aber sie wusste nicht, wem genau ihre Furcht gelten sollte. Gideon oder Hodge? Als Gideon auf den Tisch schlug, zuckte sie zusammen und blickte erschrocken auf. Erneut musste sie an den Vortag denken, an den Schuss, dieses laute schreckliche Geräusch, an das viele Blut. Gideons Worte traten nun nur noch gedämpft zu ihr. Er redete von Schutz. Schutz vor was? Wieso noch? Plante er sie an das Institut zu verkaufen, sie auszuliefernden? Nein, so dumm wäre keiner der beiden, einen solchen Pakt zu schließen. Sie sah, wie etwas auf den Tisch gelegt wurde, sie fixierte den Gegenstand und erkannte ihn bereits kurz darauf. Mit weit aufgerissenen Augen taumelte sie einen Schritt auf das Bild zu, doch im selben Moment riss Gideon sie zurück zu sich. Das war sein Blut... Das war ihr Bild. Unruhig fuhr ihre freie Hand zu ihrer Hosentasche, um zu überprüfen ob ihres noch da war und sie fand das gesuchte, doch es erleichterte sie weniger als sie es hoffte. Er hatte Arved die letzte Erinnerung an sie geraubt. Wieso gab er es Hodge?! Es stand nur Arved zu, niemandem sonst! Sie wollte nach dem Bild greifen, doch im letzten Moment hielt sie sich zurück, die starren roten Augen auf die letzte Verbindung gerichtet. Ungläubig formten ihre Lippen seinen Namen, ohne einen Ton auszustoßen, und sie spürte wie sich ihre Augen erneut mit Tränen füllten.

Hodge musste sich den schock Moment eingestehen, indem er unfähig weg zu schauen, das Bild anstarrte. Er kannte es gut, Arved hatte es die ganze Zeit in der Hand gehabt, als er in seinem Zimmer eingesperrt war. Hatte er nicht eben dieses erst verächtlich angeschaut, nachdem er aus seinem Koma erwacht war? Wenn der alte Mann Zweifel an den Worten des Weißhaarigen gehabt hätte, brauchte er lediglich einen flüchtigen Blick auf das längst zerbrochene Mädchen vor ihm werfen. Davor wollte Arved sie doch beschützen. In seiner Zeit als Leiter eines Institutes kam Hodge nicht herum ähnliche Ereignisse vereinzelt mitzuerleben, doch das Ausmaß war noch nie so groß gewesen, als ein SeSe vor seinem Herren gestorben war. er kannte Bilder von SeSe's die nur als Hülle ihren neuen Auftrag annahmen und sich wieder auf eine neue Person spezialisieren mussten. Sie waren kaum noch belastungsfähig geschweige denn für den Außendienst zu gebrauchen. Bis jetzt kannte der alte Mann nur zwei junge Männer die das Verschwinden ihrer Herren 'überlebt' hatten: Florian und Arved. Wobei letztere letztendlich doch davon eingeholt worden war. Dabei war Hodge selbst sogar zu dem Haus am gestrigen Tag hingefahren, um die beide zur Rückkehr zu bewegen, doch die Jäger waren schneller gewesen. Sie hatten nichts als Verwüstung, Blut und den Geruch von Tod zurück gelassen.
Der alte Mann lehnte sich schwer zurück, das Foto zwischen den Fingern. Seine blauen Augen lagen auf der knittrigen Oberfläche, ohne wirklich das Motiv klar zu sehen. "Da April einen Vertrag eingegangen ist, sind wir verpflichtete einen neuen Secret Service für sie zur Verfügung zu stellen." kam er auf den Handel Gideons zurück. "Doch sag mir vorerst, war es von Anfang an geplant, dass er sterben muss?"
Gideon's Grinsen bekam einen Hauch von Hohn, als er auch den Kopf leicht hob. "Ihr Hunde seid mir alle Scheißegal. Es hätte jeder sein können, doch du hast selbst mir geradewegs diese beiden zugespielt. Gib zu, du warst doch auch nur neugierig und gerade zu begeistert, als ich mir unser kleines Püppchen dann auch noch geangelt habe. Hier ist es doch sonst nur so langweilig. Ohne uns Jäger würdest du es gar nicht aushalten." er beugte sich nun nach vorne, als er weiter sprach. "Also, um deine Frage zu beantworten: Der Kerl war mir Scheißegal, doch wenn er so dumm ist, vor den Lauf meiner Waffe zu springen? Solange ich ihn leiden sehen kann, ist mir jeder Körter recht."

Für einige Zeit folgte April dem Gespräch, doch fiel es ihr zunehmend schwerer, die einzelnen Worte zu verstehen und sie festzuhalten. Eine einzelne Träne entfloh ihrem Auge und kullerte das blasse Gesicht hinab. Wieso sprachen sie so als könne man Arved einfach ersetzten? Wieso sollte man ihn ersetzend? Es war nicht der Hund, den April in ihm gesehen hatte, einen Hund hatte sie nie gebraucht. Einzig und allein Arved war es, den sie brauchte. Wieso sprachen sie nun so? Wieso konnte sich Hodge noch fassen? Er sollte wütend sein, oder? "Er war dein Kind.", entfuhr es ihr kratzig und sie sah Hodge an, mit diesem verzweifelten Blick, der sich nach irgendeiner Regung in dem Gesicht des alten Mannes sehnte. Wieso reagierte er nicht. Sie Streckte die schmutzigen Hände nach dem Bild aus. An ihnen klebte noch immer etwas Blut, roter dreck hatte sich unter ihren Fingernägel gesammelt. Das Foto stand ihm nicht zu!

Hodge sah das Mädchen an, jedenfalls die Hülle, die Arved zurück gelassen hatte. "Das stimmt wohl." der Mann rutschte nach vorne auf seinem Stuhl und hielt dem Mädchen das Bild entgegen, damit sie es mit etwas Anstrengung auch erreichen konnte. "Doch in der Zeit, wo du dich bei den Jägern ausgetobt hast, hat der Junge eine Entscheidung getroffen. Ich habe ihn vor die Wahl gestellt: Ich könnte helfen dich irgendwie wieder daraus zu holen, doch dafür müsste er seinen Dienst bei dir absagen und bei mir bleiben. So müsste weder er noch du die Schmerzen erleiden oder er sich quälen aus Angst und Unsicherheit wie es um dich stand. Doch er lehnte ab." seufzend betrachtete der alter Mann noch etwas das Mädchen. "Er sagte, er würde sich immer für dich entscheiden. So habe ich meinen Sohn also quasi an dich verloren. Wenn er zwischen uns entscheiden müsste, beziehungsweise was er getan hatte, würde er sich immer für dich entscheiden." Hodge erhob sich, nachdem er das Foto einfach auf dem Tisch abgelegt hatte, richtete seinen Anzug und sah mit erhobenen Kopf zu den beiden Eindringlingen. "Den Schmerz einen Sohn zu verlieren begann mit dem Tag, als er sich in dich verliebte." mit diesem Satz erkaltete das Blau der Augen, falls sie zuvor etwas Wärme zugelassen hatten. "Ich werde über den Handel nach denken, Gideon. Doch ich kann nicht von jetzt auf gleich jemanden als Ersatz finden, also muss ich darum bitten, dich noch etwas zu gedulden. Wobei sich die Frage stellte, wen genau der Neue überhaupt beschützen soll und aus welchem Grund du gerade darauf bestehst."
"Man braucht doch immer ein nettes Spielzeug, nicht wahr." Gideon hob ebenfalls den Kopf, sodass sich die beiden Männer nun auf ähnlicher Augenhöhe begegneten. "Ich hoffe du wirst den 'Neuen' nicht zu sehr vermissen."

Gebannt sah die rothaarige Hodge an, als er begann zu erzählen. Mit jedem Wort nahm der Schmerz zu. "Er hat sich für mich entschieden.", brachte sie hervor und wankte etwas, bevor sie sich auf der Tischplatte abstützen musste. Zögernd griff sie nach dem Bild und betrachtete es. So abgegriffen war es bereits, immerzu benutzt. Ihre Sicht verschwamm und zu den blutspritzern gesellten sich nun salzige Tränen. Hilflos wimmerte sie, drückte sich den blutigen Ärmel an den Mund, um nicht lautstark ihre Trauer auszulassen. In der letzten Nacht hatte er sich erneut für sie entschieden. Verzweifelt sah sie zu Hodge und schlug aufgebracht auf den Tisch. "Wieso bleibst du ruhig? Dein Sohn ist tot! Er ist immernoch dein Sohn! Du solltest wütend sein, wahnsinnig vor Schmerz!", schrie sie den Mann unter strömenden Tränen an, obwohl sie wusste, dass Gideon ebenfalls im Raum war. Beide gingen einfach ihrer Geschäfte nach, als sei dies nur ein kindisches Spiel. "Er ist tot, man hat ihn fortgeschafft, mich nicht zu ihm gelassen. Er ist ganz allein, dabei ist er nur ein hilfloser Welpe! Und du spielst hier Poker mit weiteren Leben?!" Sie schlug schluchzend die Arme über den Kopf zusammen und sackte ein wenig ein, das Bild immer noch fest in der Hand. "Ich konnte ihn nicht retten." Hodge hingegen hätte sich nur beeilen müssen.

Wieder lagen die ausdruckslosen Blicke der beiden Männer auf dem Mädchen, nur formte sich Gideons schnell wieder in Belustigung um. "Eben, Hodge." stellte er sich auf April's Seite. "Zeigt doch mal ein bisschen mehr Anteilnahme." er schaffte es tatsächlich nicht den Satz vollkommen überzeugt auszusprechen, ehe das letzte Wort fast gänzlich in einem kichern verschwand. "Ohne Mist, es hat sich alle Male gelohnt dir einen Besuch abzustatten. Diese Szene ist Gold wert. Nur zu dumm, dass unsere Zeit knapp bemessen ist." fügte der weißhaarige gespielt bedauernd hinzu. "Aber hey, wir sind ja quasi gleich um die Ecke, vielleicht kommen wir in Laufe der Woche Nochmal auf einen Kaffee rüber." mit einem zwinkern schnappte er sich sein Püppchen wieder und zwang sie somit auch wieder zum aufrecht stehen, ob ihre körperliche Verfassung dies mit machte oder nicht, war ihm dabei völlig gleich. Als beide bereits bis zur Tür gekommen waren, drehte sich Gideon letztlich doch noch ein letztes Mal um. "Ich erwarte deine Antworten in den nächsten zwei Tagen. Das ich schnell ungeduldig werde, muss ich dir zum Glück ja nicht sagen. Aber diesmal bitte einen, der etwas standhafter ist und nicht gleich beim ersten Schuss umkippt." nach einem überschwänglichen Winken zum Abschied, schlenderte der Mann mit seiner Begleitperson den Flur entlang, zur Treppe ins Erdgeschoss. "Lass uns auf dem Weg noch etwas Essen holen! Das Frühstück ist schon wieder eine ganze Weile her, dann können wir gleich deinen lieben Liron etwas mitbringen. Sein letztes Frühstück zieht sich schon eine ganze Weile hin."

Das Mädchen stolperte seinem übergeordneten wehrlos hinterher. Aprils Körper bebte, während die Tränen weiter ihr Gesicht hinab liefen. Hodge hätte ihn retten können. Ein letztes Mal blickte sie über ihre Schulter, doch ihre Sicht war zu verschwommen, um etwas erkennen zu können. Schluchzend wischte sie sich übers Gesicht, bis sie wieder etwas erkannte. Sonst, wenn sie im Institut war, war all der Schmerz plötzlich weg, aber nun wuchs er mit jeder Sekunde. Sie hörte Gideon etwas sagen, doch verstand sie es zuerst nicht ganz. Die Worte brauchten einen Moment bis sie sie wirklich erreichten. "Du solltest ihn gehen lassen. Er kann für all dies doch gar nichts. Er ist doch dein Freund, oder nicht? Du solltest ihn nicht hungern lassen." Sie ging mit Absicht nicht weiter auf das Essen ein. Allein der Gedanke daran bereitete Ihr Übelkeit. Sie sehnte sich danach, endlich etwas essen zu können. Wie lange war es her, dass sie tatsächlich eine ganze Mahlzeit zu sich genommen hatte, Mehr als bloß ein paar Weintrauben? Sie hungerte schon einige Zeit, aber dieser Hunger würde nicht aufhören, wenn sie essen würde. Alles, was sie zu sich nahm, erbrach sie letzten Endes. Es hatte keinen Zweck mehr zu essen. Vielleicht war der Hungertod das, was sie zurück zu Arved bringen könnte...

"Oh, ich kann ihn durchaus als einen meiner engsten 'Freunde' bezeichnen." übernahm Gideon April's Bezeichnung, auch wenn sie nicht direkt auf das Verhältnis zwischen den beiden Männern zu traf. "Deshalb ist das, was der kleine gerade durchmacht nicht wirklich eine Strafe. Immerhin will ich ihm ja auch gerade Essen bringen." kurz überlegte der Mann, ehe er April auch gleich mit sich die Treppe ins Erdgeschoss nahm. "Ich denke du wirst bald eh in den Genuss kommen, was es heißt, wenn jemand bestraft werden muss, der nicht zu meinen Vertrauten zählt." vergnügt pfeifend hüpfte er die letzte Stufe nach unten, als ihm auch schon der erste Jäger entgegen kam. "Wir haben sie so gut wie möglich verdrängen können. Sie versuchen nur kleine Angriffe, dass sie vor ihrem Herrchen nicht die Fassung verlieren wollen." startete der Fremde auch gleich mit einem Lagebericht. "Schade, ich hätte erwartet, dass Hodge etwas mehr Eifer zeigt. Naja, so sind senile alte Männer halt. Habt ihr wenigstens etwas Essen aus der Küche auftreiben können?" seine letzte Frage ließ den Fremden verdutzt seinen Anführer anschauen. "Frühstück? Wir wussten nicht-"
"Schoooooon gut." unterbrach Gideon ihn, legte einen Arm um April und klopfte auf ihre Schulter. "Wir müssen eh los, dann müssen wir es wohl unterwegs irgendwo besorgen. Mindestens ein Supermarkt müsste ja auf dem Weg liegen. Stimmst?" das Gideon nun sein Wort an seine Begleiterin richtete war eher belanglos, es war ihm durchaus klar, dass sie ihm darauf nicht antworten würde. Sie hing in Gedanken bestimmt wieder dieser Leiche nach. "Dann pfeift mal alle zusammen, wir schieben unsre Ärsche nach draußen." gerade als sich der Weißhaarige Mann umdrehte und los schlenderte, ertönte aus dem hinteren Teil der Eingangshalle, in welche sie durch die Treppen gekommen waren, eine helle Stimme eines Jungen. Der Ruf galt nicht ihm, noch nicht einmal den Jägern im gesamten oder war es eine dieser verzweifelten Fragen wie, warum sie das taten, was sie damit bezweckten. Immer die gleichen langweiligen Fragen. Doch dieses Mal war es anderes.
"April!" lautete der Ruf eines ebenfalls weißhaarigen Jungen. Auch seine Haare waren etwas länger als gewöhnlich und eine Haarsträhne rutschte ihm stetig ins Gesicht, als er seine hellen Augen vorwurfsvoll auf die Personen richtete, die gerade dabei gewesen waren, das Gebäude zu verlassen. "Wo willst du bitte hin?" der Junge schien spontan los gerannt zu sein, denn erst einige Sekunden nach dem mutigen Auftritt des Jungens, kam sein Hündchen an gelaufen. Man konnte sich sofort nur so das warnende knurren des Hundes vorstellen, als dieser seine Position hinter dem Jungen einnahm.

April ließ Gideon reden so viel er wollte. Sie wusste, dass auch ihr noch eine Bestrafung zugedacht wurde, trotzdem er ihr bereits große Schmerzen zugefügt hatte, trotzdem er ihr bereits den größten Teil ihrer selbst genommen hatte. Jeder Schritt schien nun eine Zumutung für die Rothaarige, aber sie gehorchte ihrer Begleitung bei jeder Anweisung.In Gedanken war sie noch bei ihrem Gespräch mit Hodge. Für einen winzigen Moment schien er wirklich menschlich, zumindest hatte sie eine Spur einer Gefühlsregung erkennen können, sei es nun sein eigenes Leid oder nur Mitleid gewesen, dennoch war es zu wenig in ihren Augen. Er hatte seinen Sohn verloren. Es war nicht so, als hätte er nicht andere Kinder. Hier gab es viele Seses. Vielleicht sah er sie alle als seine Kinder, doch Arved... War er nicht immer besonders gewesen für ihn? Er sagte, er hätte Arved schon lange an sie verloren. War es sinnlose Eifersucht, die ihn hat aufgeben lassen? War es das gewesen, weshalb er an jenem Abend nicht schneller gewesen war? War es ihre Schuld, dass Hodge aufgegeben hatte? Unweigerlich führten alle Antworten wieder zu ihr, zu ihrer Schuld. Es war alles ausgelöst wurden von ihrem egoistischen Handeln. Arved musste dafür sterben, Liron musste dafür zahlen, Hodge wurde dafür schwach, ihre Mutter sah sie nicht länger, obwohl sie alles aufgeben musste. Schmerzlich seufzte das Mädchen und hing erneut den Bildern vom Vortag nach. Sie hatte immer geahnt, dass sie der Grund wäre für seinen Tod, doch sie dachte, sie hätte mehr Zeit bis - Ein Ruf nach ihr riss sie aus den Gedanken.
Fragend drehte sich das blasse Mädchen um und erstarrte. Die grünen nassen Augen weiteten sich erschrocken als sie den Jungen vor sich erkannten. "Johann.", murmelte April fassungslos. War er jetzt wahnsinnig geworden?! Besorgt blickte sie zu Gideon, um aus seiner Miene lesen zu können. Ihr Blick glitt weiter zu Soshi und obwohl es Johann war, der sie ansprach, sah sie weiter den Sese an. "Bist du wahnsinnig?!", knurrte sie den hochgewachsenen Mann an. "Bring ihn weg von hier!" WIe konnte er zulassen, dass dem Kleinen etwas zustieß?! Gideon war hier um zu spielen, doch seine Spiele waren garantiert nichts für Johann. Zittrig griff sie nach einem Zipfel von Gideons Jacke. "Lass uns bitte gehen..", wandte sie sich leise an ihn. Sie wollte nicht mit noch mehr Menschen konfrontiert werden.

Soshi funkelte April zur Antwort nur böse an, da er nicht umhin kam sich in seinem stolz als Sese gekränkt zu fühlen. Als hätte er das nicht schon die ganze zeit gemacht?! Wenn es nach dem kleinen Hitzkopf hier gehen würde, wäre er längst eigenmächtig los gerannt, um das Mädchen zu suchen. Da konnte er sich gleich zu Arved stellen, doch Johann war Soshi im Vergleich zu Arved, wichtig. Und dennoch, als er seinen Griff um dessen Schulter verstärkte, riss sich der kleine los und machte abermals ein paar Schritt hinter April her. "Übergeh mich jetzt ja nicht wie ein kleines Kind was beschützt werden muss!" rief der Junge seiner ehemaligen Freundin hinterher. "Denn das muss ich ganz bestimmt nicht! Also antworte endlich!" verlangte er ein weiteres Mal. "Wo willst du hin?!"
Gideon ließ sich in kleinster Weise von April weg bewegen. Stattdessen verschränkte er die Arme, stellte sich so, dass er auch ja beide im Auge haben konnte und verfolgte die Szene mit einem vergnügten grinsen. "Eben, April." stieg er in das amüsante Spiel mit ein. "Wo willst du denn hin? Der Kleine hat dich was gefragt."

Verzweifelt sah April sich um und rang mit Worten. Dass von Gideon keine Hilfe zu erwarten war, hätte sie eigentlich ahnen müssen. "wo ich hin will, fragst du?", ging sie nun also auf Johann ein. "Ich geh dort hin, wo ich hergekommen bin. Du wirst doch sicher wissen, wo das ist. Seit Monaten bin ich dort, ich lebe dort. An diesen Ort hier, an das Institut,bindet mich immerhin nicht mehr das geringste." Jetzt machte auch sie einen Schritt auf den Jungen zu. "jetzt sei doch nicht naiv, du weißt, dass ich nicht mehr hier her gehöre." Die rothaarige versuchte ganz ruhig zu klingen, doch ihre Stimme zitterte stark. "Das Band zwischen einem Hund und seinem Schützling ist schon eine interessante Sache, nicht? Es bindet, den einen mehr, den anderen weniger, aber nicht länger bindet es an diesen Ort." Ihr warnender Blick legte sich nun abermals auf Soshi, doch schon wandte sie den Blick wieder von beiden ab. "was erwartest du zu erreichen, Johann? Was immer es ist, gib es auf."

"Hör auf so zu reden!" brüllte der Junge ihr nach. Er wusste selbst nicht genau, warum er nun so die Fassung verlor, doch die Tatsache, dass sie wieder abhauen wollte, machte ihn rasend. "Was ich erwarte zu erreichen? Ich will erreichen, dass du endlich die Augen aufmachst! Doch du versteckst dich ständig, läufst sogar aus Angst dem Feind in die Hände! Ich..." plötzlich geriet er ins stocken, ehe er mit lauter Stimme hinzufügte: "Ich will nicht wieder zusehen, wie du einfach alleine alles schulterst und abhaust. In dem Glauben ich sei zu schwach, um damit fertig zu werden! Ich will, dass du bleibst. Doch das scheint wirklich völlig unmöglich!" Johann merkte, wie sich seine Hand kaum merklich erhoben hatte, in die Richtung eines Mädchens, was er glaubte einst als Freundin bezeichnet zu haben, doch anscheinend war auch dies längst vergangen. Als er diese Bewegung realisierte, zog er die Hand eilig zurück und krallte sich mit der anderen in seinen Oberarm. "Ich werde es nicht aufgeben!" nuschelte er. "Du glaubst vielleicht, du bist reifer als ich, aber da täuschst du dich!" dieses mal war er wieder lauter geworden. "Ich werde dich zurück holen, verlass dich drauf!" noch während er sprach, hatte der Junge damit zu kämpfen, nicht gänzlich von seinem SeSe weggezerrt zu werden. Immer wieder schüttelte er die Hand ab und versuchte wieder in Richtung April zu gelangen. "Ich werde dich niemals aufgeben! Und dabei ist mir es scheißegal was für ein Kerl dich festhält!"
Gideon pfiff leise, als er ganz klar angesprochen wurde. "Der Kerl hat es Faustdick hinter den Ohren, beachtlich." lobte er den kleinen, schmunzelnd. "Du kannst jederzeit zu uns kommen, Kleiner." rief er dem Jungen zu. "Typen mit einer Entschlossenheit wie deiner, können wir immer gut gebrauchen. Ein Mitglied hat nämlich genau diese verloren." grinsend nahm er das knurren des Hundes zur Kenntnis, der sich schützend nun vor seinen Herren aufbaute. "Haustiere müssen leider draußen bleiben, verzeih." entschuldigte sich der weißhaarige Mann.

April nahm Johanns Standpauke mit gesenktem Haupt hin. Wenn er so sprach, klang er genauso hitzköpfig wie Arved es immer war, wenn er sie versucht hatte aufzuhalten. Verzweifelt suchte sie nach einer Antwort, doch seine Worte brannten sich in ihre Gedanken. Sie presste die Lippen fest aufeinander, um nichts unüberlegtes zu sagen, während sie die Hände zu Fäusten ballte. Schließlich lehnte sie den Kopf in den Nacken, damit keine Träne die Winkel ihrer Augen bezwingen konnte und über ihr Gesicht lief. Sie hatte keine Verteidigung mehr, auch keine sinnvolle Begründung, weshalb sie überhaupt noch irgendetwas tat.
"Hör auf.", winselte sie nun weitaus gequälter als sie zuvor klang. "Du verschwendest deine Energie." Wieder ging sie einen Schritt auf den schreienden Jungen zu. In ihrer Hand hielt sie das noch immer das Foto, wobei sie es in ihrer Aufregung noch stärker zerknittert hatte. Nervös spielte sie mit dem Bild in der Hand, drehte es einige Male, betrachtete es nur unaufmerksam, bevor sie die tränengefüllten Augen wieder auf ihren Freund richtete. "Er ist tot, Johann.", fügte sie nun mit leiser Stimme hinzu. "Er... Er hat sich vor mich gestellt, als man geschossen hat... Ich..." Wieder drehte sie das Bild in ihren Fingern zittrig hin und her. "Das sollte so nicht sein... Es hätte mich treffen sollen... Und jetzt ist er weg..." Unglücklich blickte sie den kleinen an. "Er ist einfach weg... Und er kommt nicht wieder... Niemals mehr.." Sie spürte wie ihre Beine ein Stück nachgaben, doch sie schaffte es, stehen zu bleiben. "Ein hilfloser kleiner Welpe..." Ihre Stimme wurde immer leiser und wieder lehnte sie das rote Haupt in den Nacken. "Du verschwendest deine Energie. Nutze sie lieber, um soshi im richtigen Moment retten zu können." Damit richtete sie ihren Blick auf den knurrenden Hund.