April sah sich nervös um, als könnte irgendjemand sie beobachten, dann blickte sie wieder zu ihrem Beschützer. Schon jetzt des Weges müde, ließ sie sich auf die Bank fallen und stieß schwer die Luft aus. Ein bitteres Lächeln huschte über ihre Lippen. "Ich würde so gerne springen und durch die Gegend rennen. Schon lange bin ich nicht mehr so weit gekommen. Und doch sehne ich mich schon jetzt nach dem Sitzen. Traurig, nicht?"
Ihr Blick richtete sich skeptisch auf die Türen zu den Duschen. "Es wird doch niemand reinkommen, oder?"

Eilig hob Liron zur Beschwichtigung die Hand in die Luft. "Keine Sorge, ich werde hier draußen warten und aufpassen, dass dich keiner stört." versprach er ihr beruhigend, doch er kam nicht umhin noch etwas hinzu zufügen: "Aber ich werde auch die Tür leicht offen lassen, sodass ich sofort höre wenn etwas nicht stimmt. Falls also etwas schief geht oder du zu starke schmerzen hast rufst du mich besser, sonst platze ich ohne weitere Vorwarnung rein." warnte der junge Mann sie, wobei seine dunklen Augen sie ernst ansahen. "Also mach, dass du unter die Brause kommst. Wir haben auch nicht ewig zeit, danach kannst du gerne springen und hüpfen." nun schenkte er ihr wieder ein lächeln, auch wenn es kurz war, er lächelte.

Dankbar sah das Mädchen seinen Freund an, dann nickte sie. Es störte sie nicht, dass er die Tür ein Stück offen ließ, da sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte. Erst wollte sie etwas erwidern, doch dann ergriff sie einfach die Tüte, die Liron ihr mitgebracht hatte, damit sie es später nicht bereute. Kurz darauf trat sie in den Duschraum und zog sich die stinkende Kleidung vom Körper. Ihre Haut schien dreckig unter ihren Fingernägeln hatte sich neben den Blutresten auch anderes gesammelt. Angewiedert vom eigenen Zustand wandte April den Blick einer der vielen Duschen zu und drehte dann zögernd den Wasserhahn auf. Gleich darauf strömte lauwarmes Wasser aus der Brause und prasselte auf ihr rotes Haupt nieder, bevor die Temperatur stieg. Erleichtert, als wäre sie von einer schweren Last befreit, atmete April auf und schloss die Augen, um den Kopf dem Duschkopf entgegen zu recken und das warme Wasser auf ihrem Gesicht zu spüren. Das heiße Wasser brannte beinahe, doch April hatte llange nichts so warmes an ihrem Körper gespürt und sehnte sich danach endlich wieder Wärme spüren zu können, nach all der Kälte. Langsam perlte der Schmutz von ihrem Körper und doch fiel es April selbst viel zu spät auf, dass sie angefangen hatte mit weinen und sich die Tränen mit dem Wasser vermischten. Sie hatte Angst vor diesem Tag, die ganze Zeit schon hatte sie Angst vor diesem Tag, doch nun merkte sie zusätzlich ein weiteres Mal, was sie alles verloren hatte und wie sehr sie sich nach dieser einen gewissen Wärme sehnte, die ihren Körper verlassen hatte und ihn nun frieren ließ. Verzweifelt stützte sie sich mit beiden Händen an den Fliesen ab und ließ den Kopf hängen, während das Wasser weiter rauschte. War es so schlimm, erneut die Waffe auf sich richten zu lassen? Wenn sie versagte, könnte sie Arved vielleicht endlich wiedersehen...

Liron lehnte wie er es bereits vorhergesagt hatte, gegen die Wand, außen neben der Tür mit der Aufschrift »Dusche«. Immer wieder sah er zu dem Spalt, der sich zwischen Rahmen und Tür auftat, als könne er so sofort hören, wenn es April schlecht erging. Innerlich sträubte er sich dagegen, jetzt los zu gehen, um etwas zu essen zu suchen. Was wäre, wenn aus gerechnet in der Zeit etwas schief ging? Doch gleichzeitig bräuchte sie dringend wieder etwas zu essen. Noch einmal versicherte sich Liron, dass alles gut war, in dem er die Luft anhielt und nach innen horchte. Kopfschüttelnd über sein eigenes lächerliches Verhalten, drehte sich der junge Mann auf den Absatz um und rannte los, in Richtung Küche.

Es fiel April schwer sich zu beruhigen, doch biss sie sich nun auf die Unterlippe und drehte sich wieder um. Was, wenn Liron sie hören könnte? Es war erbärmlich. Er war immer für Sie da und trotzdem machte sie es ihm mit jedem Mal schwerer. Sie hatte nachts schon so oft geweint. Sie hatte so oft nach einem Grund gesucht, wieso sie das verdient hatte und wieso man ihr Arved nehmen musste. Oft hatte sie sich dabei erwischt, wie sie nach der Verbindung gesucht hatte. Stundenlang war sie im dunkeln umher getappt, die Hand in das schwarze nichts gestreckt, in der Hoffnung bald Arveds Hand zu greifen, so wie sie es schon oft getan hatten. Aber diesmal blieb die Welt um sie dunkel und kalt. Wann würde sie sich endlich damit abfinden? Es gab keinen Schmerz mehr. Es war, als wäre sie nie entfernt von ihm, beinahe als wäre er ihr ganz nahe und sie müsste den Schmerz nicht empfinden, doch dieses Gefühl gab es nur, weil Arved nicht mehr da war. Gideon hatte recht, es geschah absolut gar nichts, wenn ein Sese sterben würde. Nur ihr Herz vertrug das Leid nicht, dass die gekappte Verbindung verursachte. Zitternd sah sie auf zur Decke und Streckte die Hände aus um etwas vom herab prasselnden Wasser aufzufangen und zu den ausgetrockneten Lippen zu führen. Immer wieder tat sie das, immer verzweifelter nahm sie das Wasser in sich auf. So lange hatte sie nicht mehr genügend getrunken. Erst als ihr Durst halbwegs gelöscht war, lehnte sie den Rücken an die hellen kalten Fliesen und rutschte zu Boden, den Kopf noch immer der Wasserquelle entgegen gereckt. Wann würde man sie endlich befreien von diesem Leben?

"Wer will denn hier zu Boden gehen?" klirrte es in dem Duschraum. "Ich finde das kommende ist wirklich nötig, immerhin können wir so zeigen, daß wir es noch drauf haben." die Stimme schien von allen Wänden zu schallen und doch, als würden durch ihr tausende Spiegel zerspringen. "Du hast viel zu lange gewartet. Du hast MICH Viel zu lange warten LASSEN!" die Stimme wurde schärfer, wie eine Scherbe, welche langsam in das Fleisch schnitt. "Also steh auf und lass uns ernst machen!"

Panisch fuhr der Kopf des Mädchens umher, die Augen tasteten die Umgebung ab, bevor April sich erinnerte, dass sie nie wirklich allein war. Trotzdem zog sie die Beine an den Körper und schlang die Arme darum, um möglichst viel zu verdecken. "Ich kann das nicht mehr.", winselte sie verzweifelt. "Es geht immer alles kaputt... So viel Lärm.. So viele Scherben... Lass es endlich vorbei sein!" Verzweifelt hielt sie sich die Ohren zu und presste die Augen zusammen. "Ich kann nicht mehr! Ich schaff das nicht länger. Lass mich endlich allein!" Sie hatte Arveds Tod so oft durchleben müssen in den letzten Wochen, auch den Schuss auf Johann, das schreien der Kinder als sie die Fenster eingerissen hatte, die zerbrechenden Gläser, zerbrechende Spiegel. Sie konnte nicht nur in Zerstörung leben. Auch reichte ihre Kraft nicht, der körperlichen Belastung standzuhalten. "Du bist wahnsinnig, Ly..."

"Oh nein! Du bist einfach nur zu schwach!" dröhnte die Stimme. "Glaubst du wirklich, du kannst einfach einen Weg beschreiten und auf der Hälfte stehen bleiben? DU hast dich für diesen Weg entschieden!" die Stimme wurde immer wütender. "Wo ist dein versprechen, dass du alles zerstören willst?" als würde sie sich langsam aus einzelnen Scherben zusammen setzten, materialisierte sich die Gestalt, dessen Namen sie so eben ausgesprochen hatte, vor April. Die Stelle welche man bei einem normalen Mensch als Gesicht bezeichnen würde, war nicht länger zu dem sonst so üblichen unnatürlichen Grinsen verzogen. Diesmal glich es einer angewiderten Grimasse. Die Gestalt streckte den dürren Zeigefinger in April's Richtung aus und deutete auf die Stelle, wo ihr Herz schlug. "Dann lass deinen Willen brechen, sodass ich deine Hülle für meine Zwecke gebrauchen kann. Für mehr bist du in deiner jetzigen Verfassung doch nicht mehr fähig!"

Ängstlich zuckte April zurück und presste sich fester an die kalten Fliesen. "Ich will nichts mehr zerstören! Es ist alles kaputt! Alles, was ich noch will ist Arved. Du bekommst meinen Körper nicht." Weinend blickte sie zu der unheimlichen Gestalt auf. "Er hat für mich diesen Körper beschützt, nicht für dich! Mein Geist mag gebrochen sein, doch habe ich noch etwas Wille. Lass mich in Frieden!" Verzweifelt suchte sie nach etwas, um ihre Kraft zu verscheuchen, doch hatte sie keine Macht mehr darüber. Jegliche Kontrolle hatte sie längst verloren. Sie überlegte nach Hilfe zu schreien, doch das würde ihr nichts nützen. Niemand könnte sie vor Ly beschützen. Schniefend reckte sie den Den Kopf dem duschkopf entgegen und gab das kämpfen auf, mit dem selben Gebet wie so oft zuvor. "Arved..." Er sollte sie endlich befreien.

Auf ihre kläglichen Worte könnte das Wesen ihr gegenüber nur lachen. "Du bist zu bemitleiden. Du kehrst dich von deinem Hund ab, dann krauchst du wieder zu ihm zurück, dann stößt du ihn wieder von dir und jetzt heulst du ihm nach." Verachtend schnaufend schüttelte Ly den Kopf. "Du hast dich doch schon längst verloren, samt deinen Willen. Also sei wenigstens für etwas nützlich und übergib mir die ganze Kontrolle. Dann kannst du deinen Arved vielleicht wieder sehen." Wieder deuteten die dürren langen Finger auf das am Boden kauernde Mädchen. "Es wäre nur ein simpler Handel."
Liron musterte das klägliche Ausmaß seiner Suche, nach übrig gebliebenen Essen. Er hatte nur knapp etwas Brot und Obst erbeuten können, ehe die Rester entsorgt wurden und er beinahe Gefahr gelaufen wäre, entdeckt zu werden. Als Entschuldigung hatte er noch eilig etwas zu trinken besorgt, ehe er nun wieder vor der angelehnten Tür ankam. Er warf einen flüchtigen Blick in das Umkleide Zimmer, um sich zu versichern, dass auch ja keiner in seiner Abwesenheit betreten hat. Erleichtert, dass dies nicht der Fall war, betrat er selbst nun dieses. "April?" Erhob er nun fragend die Stimme. "Ich bin wieder zurück."

Das Mädchen sah zögernd zu Ly. "Ein Handel?", wiederholte sie seine Worte noch immer schluchzend. "Dann kann ich zu ihm?" April wirkte skeptisch, doch nicht ablehnend. "Kann ich dann wirklich zu ihm? Ist es nur der Körper. Wenn du meinen Körper kriegst, kann ich ihn Wiedersehen, ist es das?" In ihrer Verzweiflung begann sie zu hoffen, dass es wirklich wahr wäre. "Du lügst mich nicht an? All das kann wirklich aufhören." Vor ihrem inneren Auge sah sie Arved, der sehnsüchtig auf sie wartete, um sie endlich wieder in die Arme schließen zu können, der nur das beste für sie wollte. Dabei war er das beste. Das Bild von Arved trieb ihre Tränen weiter an, doch ein hilfloses Lächeln trat auf ihre Lippen.

[i]"Ich Lüge nicht. Gib mir deinen Körper und all der Schmerz wird verschwinden." Allmählich kehrte das schräge Lächeln auf dem Gesicht der Gestalt wieder auf. "Und dann kannst du auch Arved wieder sehen." Die Hand streckte sich dem Mädchen entgegen. "Also ein ganz einfacher Handel,mein Körper gegen Arved."
Liron stellte vorsichtig den Teller mit der 'Beute' auf die Bank ab, während er weiterhin dem kontinuierlichen Rauschen der Dusche zuhörte. Dies verriet ihm ganz klar, dass April noch da war, doch warum antwortete sie ihn nicht? "April?" Fragte er erneut, doch dieses Mal war ihm deutlich die Unruhe anzuhören. Er Schritt vor die Tür zum Duschraum und legte die Hand an die Klinke. "Wenn du nicht antwortest, dann werde ich jetzt rein kommen."

Zögerlich streckte nun auch April die Hand der Gestalt entgegen. "Arved..." Hoffend glänzten ihre Augen. Irgendwo scheinbar fern von der Dusche hörte sie eine Stimme, die nach ihr rief, doch ihr Herz schlug zu schnell und das Wasser rauschte zu laut. Ihr Blick galt nun einzig und allein Ly. Er könnte sie zu ihm bringen. Sie würde Arved endlich wieder sehen können. All der Schmerz wäre endlich vorbei. Sie könnte auf ewig bei ihm bleiben. Ihr einziger Wunsch könnte sich erfüllen. Arved könnte nicht zu ihr kommen, er würde sie nicht retten können, doch nun hatte sie die Chance, zu ihm zu können. Zurück zu ihrem geliebten Welpen, fernab von all dem Leid, fernab von all der Kälte. Ein Lächeln nahm ihre Lippen ein. "Der Körper gegen Arved..."

Liron hatte, nachdem er die Klinke bereits hinunter gedrückt hatte, um wenigstens ins Innere horchen zu können, noch die letzten Worte von April gehört und damit besaß er einen Grund die Tür nun gänzlich auf zu stoßen. Was er sah war lediglich April, welche die Hand gehoben hatte und entrückt einen Punk in der Luft anlächelte. "April! Was ist denn nur los?" Rief der Junge Mann, da ihm mit ihrem Anblick bewusst wurde, dass sie ihn eigentlich hören müsste. Er eilte zu ihr, stellte das Wasser ab und stellte sich vor Sie. "April, antworte mir!" Rief er nur lauter. Doch mit dem Schritt, den er vor sie gemacht hatte schien der Raum zu pulsieren. Bereits als die ersten Fließen von dem Puls erfasst und aus der Wand gezerrt wurden, bildete sich Liron ein eine schneidende Stimme laut schreien zu hören, ehe die restlichen hellen Fließen bereits in ihrer Fassung an der Wand zersprangen und ihre Scherben quer durch den Raum flogen. Schützend kniete sich Liron vor das Mädchen, wobei er ihre ausgestreckte an in seine Hände nahm und sie eindringlich ansah. "April!"

Mit weit aufgerissenen Augen starrte April ihren Aufpasser an, nachdem dieser nun ihre Aufmerksamkeit erhielt und ihren Blick von Ly löste. Verzweifelt blickten die nassen Augen ihn an, während sie seine Hand umklammerte. Ihr ganzer Körper bebte. "Ich kann ihn endlich Wiedersehen. Er lässt mich zu Arved, er hat es versprochen. Mein Körper gegen Arved. Ich darf endlich zu ihm..." Weinend sah sie den Mann an. "Wieso hast du dich eingemischt? Ich darf endlich zu ihm... Es ist endlich vorbei. Ich brauche nur Arved. Was ergibt es für einen Sinn? Der Handel ist so einfach." Sie schrie auf, als um sie herum noch mehr Fliesen zersprangen, und zog die Beine noch enger an den Körper. "Es könnte endlich aufhören..."

"April von wem redest du? Hier ist niemand!" Probehalber sah sich Liron in der nun demolierte Dusche um. "Und was für ein Handel?" Doch auch wenn er die Fragen laut ausgesprochen hatte, bezweifelte er, das April in ihrem jetzigen Zustand fähig war es ihm verständlich zu erklären. Seufzend drückte er ihre Hand noch einmal. "Ich weiß nicht wovon du redest, aber es kommt gar nicht in Frage, dass du deinen Körper gegen einen Toten eintauschst! Also lass davon ab." Er versuchte zu lächeln, auch wenn die Situation um ihn alles andere als zum Lächeln war. "Lass uns jetzt gehen und dich anziehen, sonst erkältest du dich, bitte." Setzte er bittend nach, in der Hoffnung sie würde von diesem aussichtslosen Plan ablassen.

"Er! Ly!", sie deutete hinter Liron auf die vernichtende Gestalt, bevor ihr einfiel, dass Liron sie nicht sehen konnte. "Meine Kraft.", versuchte sie zu erklären, doch sicherlich hielt er sie nur für wahnsinnig. "Ich kann das alles nicht mehr, Liron. Bitte, zwing mich nicht dazu. Ly hat versprochen, dass er den Körper nimmt und ich dafür zu Arved darf. Das... Das ist doch alles, was ich will. Alle könnten davon profitieren." Flehend blickte sie ihren Beschützer an. "Lass mich zu ihm. Ich will doch nur zu ihm.. Alle können davon profitieren."

"Niemand profitiert davon, bis auf der Kerl, der Kerl der diesen Irrwitz vorgeschlagen hat." Ein weiteres Mal drehte sich Liron so, dass er die Stelle musterte, an der April eine Person sehen konnte. "April, Arved ist tot. Niemand wird deinen Hund wieder zu dir bringen können, das ist nicht möglich! Was passiert denn mit deinem Körper, wenn er nur noch von dieser Kraft kontrolliert wird?! Du läufst hier doch Amok!" Er packte das Mädchen an den Schultern und zwang sie ihn anzusehen. "Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass du irgendeinem Verrückten deinen Körpern überlässt. Warum hast du bist jetzt durch gehalten, um jetzt plötzlich aufgeben zu wollen. "

"Ich dachte, ich schaff es, aber ich kann nicht mehr.", winselte sie und raufte sich das nasse Haar. Hilflos blickte sie Liron an. "Ich vermisse ihn so sehr. Ich will zu ihm. Vielleicht gibt es einen Weg, den du nicht kennst." Je mehr er auf sie einredete, desto klarer wurde ihr, dass sie den Jungen nie wiedersehen würde. Nun brach sie in lauteres schluchzen aus, schien haltlos. Sonst hatte sie diese Seite immer gut verbergen können und nur nachts, wenn sie allein war ausgelassen. Aber nun wurde sie vor Liron schwach. "Bitte, ich habe nur ihn. Ich will zu ihm!"

"Vielleicht gibt es einen Weg, aber der liegt definitiv nicht darin, deinen Körper als Einsatz für einen Handel zu verwenden." Liron rutschte näher an April, um ihr beruhigend die Arme um den nackten Oberkörper zu legen. "Ich..." Er rang mit den Worten, doch egal was ihm auch einfiel, würde ihr in diesem Moment nicht helfen. "Bitte gib dich nicht auf. Ignoriere diese Gestalt einfach und hör nicht darauf was sie sagt. Diese Viecher säuseln dir immer nur lügen ins Ohr."

Wimmernd schmiegte sich April an Lirons warmen Körper. Tief in ihrem inneren wusste sie vielleicht, dass Ly sie anlog, doch sein Angebot klang so schrecklich verlockend. Ihre Sehnsucht wuchs stetig und ebenso der verzweifelte Wille, alles zu tun, was in ihrer Macht stand. Arved war tot. Sie hatte es selbst ansehen müssen, er war in ihren Armen gestorben und trotzdem wollte sie es nicht wahrhaben. "Ich vermisse ihn so sehr.", wimmerte sie erneut. "Es tut mir leid..."

"Du musst dich nicht entschuldigen." versicherte ihr der junge Mann, während er begonnen hatte sacht rhythmisch über ihren Arm mit seiner Hand zu fahren. "Du hast alles Grund zu trauern, doch es ist auch deine Aufgabe nicht daran zu zerbrechen. Der Hund hat sein Leben geopfert, um deines zu erhalten, lass diese Tat durch deinen Tod doch nicht umsonst sein." nun kam auch er immer mehr zur Ruhe und sah sich, soweit es ihm in seiner Position möglich war, nach einem Handtuch um, womit er sie wärmen und bedecken konnte. Immerhin fiel ihm auf, dass seine Kleidung immer mehr das Wasser von ihrem Körper in sich aufnahm. Es störte ihm nicht unbedingt, immerhin war er es, der diese Umarmung begonnen hatte, doch es würde schwierig werden, seine nassen Klamotten anschließend vor Gideon zu verantworten. Statt sie aber von sich zu drücken, wartete Liron geduldig, nun stand sie erst einmal an erster Stelle, zur Not würde er sich noch schnell ein neues Shirt holen.

An seinem Körper nickte die rothaarige leicht. Sie verstand nicht, wieso er ihr immer noch half, immerhin gab es keinen ersichtlichen Grund dafür. Seine Pflicht war es schon längst nicht mehr, sie zu schützen. Durch seine zarten Berührungen und die von ihm ausgehende Wärme fühlte sie sich geborgen. Nicht, wie bei Arved, aber wesentlich mehr als in all den kalten Nächten zuvor. Sie wünschte sich, dass er sie nicht mehr losließ, dass er sie wärmte bis die Kälte endlich verschwand. In seinen Armen schlug ihr Herz ein wenig ruhiger, nicht so panisch. Sie wünschte sich, wieder mit ihm zusammen zu wohnen. Zu seinem Zimmer zu schleichen und bei ihm zu bleiben, wenn sie schlecht träumte. Sie war nie gut darin auf sich aufzupassen, selbst wenn es Zeit wurde. Sie brauchte jemanden, der sie nicht aufgab. So jemanden hatte sie in Arved gefunden und schließlich auch in Liron. Ihre Finger gruben sich in sein Oberteil. "Danke, Liron. Danke..." Sie war so dankbar, dass er nun hier war.

Liron sah zu April's Händen hinab, während er weiterhin versuchte sie zu beruhigen. "Kein Ding." er legte eine Hand in ihr nasses Haar und strich kurz darüber, ehe er seine Augen ein weiteres Mal auf die Suche nach einem Handtuch schickte. "Lass uns dir jetzt endlich etwas zum anziehen finden, sonst erkältest du dich womöglich noch." teilte er ihr den Grund für seine Besorgnis mit. "immerhin passt im Moment keiner mehr auf, dass auch ja keiner rein kommt." sprach er seinen Gedanken aus, der ihm soeben durch den Kopf schoss. "Kannst du aufstehen?" auch wenn Liron gefragt hatte, positionierte er bereits einen Arm um ihren Oberkörper, da es für ihn außer Frage stand, dass er sie alleine laufen ließ. Dafür hatte er einfach zu viel schlechte Erfahrung mit solch einer Aktion.

Wieder nickte sie und ließ sich von Liron aufhelfen. Handtuch und Kleidung lag noch immer in dem Beutel den er ihr mitgebracht hatte vor den Duschen. April fragte sich ernsthaft, wie sie die Begegnung mit Gideon überstehen sollte, wenn sie bereits jetzt an den einfachsten Dingen scheiterte. Ihr war bewusst, dass es schlimmere Dinge als den Tod gab, und genauso wusste es Gideon. Sie war eindeutig abhängig von Liron, doch dieser könnte ihr nicht helfen, schon gar nicht vor Gideon - das wollte sie auch gar nicht. Zittrig ließ sie sich von Ihrem Beschützer führen, während ihr Blick umher wanderte. Was würde Ly vor Gideon tun?

Liron hielt vor der Bank, worauf die Tüte lag. Erst nachdem er sich einige Mal versichert hatte, dass April auch ja nicht umkippen würde, wenn er sie jetzt los ließ, löste er den Arm von ihr, um durch die Tüte zu wühlen. Zwischen den Klamotten hatte er auch ein Handtuch gestopft, auch wenn es kein besonders großes war, würde es seinen Soll schon erfüllen. Liron drehte sich zu April um und legte ihr vor erst das Handtuch auf die nassen, tropfenden Haare. "Willst du es alleine machen oder soll ich dir helfen? Immerhin solltest du deine Kräfte für nachher aufheben." und schon hatte der junge Mann erneut die arme gehoben und begann ihr Haar zu trocknen.

April ließ Liron machen und setzte gar nicht erst zur Widerrede an. Wenn er sich so um sie kümmerte, fühlte sie sich wieder wie ein kleines Mädchen. Sie erinnerte sich vage daran, wie ihre Mutter sie nach dem Baden immer mit einem Handtuch empfangen hatte. Genau wie Liron hatte sie das Tuch auf ihre damals noch kürzeren Haare gelegt und sie trockengerubbelt, bevor sie das Tuch um ihren Körper geschlungen hatte. War sie denn nun wirklich an diesem Punkt angelangt, wo sie nicht mehr besser war als ein kleines Mädchen, so hilflos, dass sie nicht in der Lage war, die einfachsten Dinge selbst zu tun? Im nächsten Moment hatte April die Hand gehoben und legte sie vorsichtig auf seine. "Ist schon in Ordnung, es geht schon.", erwiderte sie nun sanft und ergriff selbst das Handtuch, um damit ihr Haar zu trocknen. "Du hast schon viel zu viel getan. Ich werde gleich vor Gideon stehen, da sollte ich stark genug sein, auch das hier zu schaffen, oder?" Ihr Blick wanderte zur Seite, um etwas von Lirons Zügen zu erhaschen. "Nach all dem, was du wegen mir durchmachen musst, bist du viel zu gut zu mir.", stellte sie fest und senkte den Kopf. Sie fühlte sich schlecht für die Tatsache, dass ihr in diesem Moment für wenige Sekunden ein leichtes Lächeln gelang - es schmerzte.