~Willkommen~ |
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Nate stand noch eine ganze Weile so dar, unfähig etwas zu sehen oder den Tränen Einhalt zu gebieten. Man hatte nach einer kurzen Zeit aufgehört ihn zu schütteln oder Fragen an ihn zu richten, da er kaum fähig war zu sprechen. So wirkte es fast als würde sich keiner um ihn kümmern, sondern stattdessen nur um ihn stehen und ihn ratlos betrachten. Bis sich ein ganz besonderer Geruch unter die Anwesenden mischte, wie Nate im Nachhinein bewusst wurde. Denn dieser kam rasch näher und schloss den Jungen ohne lange zu zögern in die Arme, eine Hand auf seinen Kopf gelegt, um ihn beruhigend durch das Haar zu kraulen. „Ganz ruhig, Kleiner.“ Sprach Arthur mit ruhiger Stimme, auch wenn sein Inneres alles andere als entspannt und ruhig war. Er hatte bereits gehört, dass irgendetwas nicht stimmte, doch als ihn wenig später auch noch Luke auf der Treppe entgegen kam und ihn sagte, dass Nate weinte und kein Wort sprach, hatte ihn jegliche Ruhe verlassen. Wie ein Wahnsinniger war er die restlichen Treppenstufen herunter gehechtet, durch die Eingangshalle gerannt und alle Umstehenden zur Seite gedrückt, nur um seinen Bruder schützend in die Arme zu schließen. „Ich bin da, es ist alles gut.“ Er hasste es. Arthur hasste es abgrundtief, wenn er sich in einer solchen Situation befand. Es dauerte eine Weile bis man seinen kleinen Bruder zum Weinen brachte, dies war er sich voll und ganz bewusst, was ebenfalls ein Grund dafür war, dass seine Augen längst nicht mehr von Freundlichkeit zeugten. Doch jedes Mal wenn Nate niedergeschlagen, traurig, verletzt war oder wenn er weinte, fühlte sich Arthur stets als der Urheber des Grundes. Er hatte ihn hier her geholt. Er trug die Schuld an dem schlimmsten Moment in dem Leben seines kleinen Bruders und war danach auch noch unfähig ihn zu trösten. In der Zeit, wo Nate ihn am meisten gebraucht hätte, war er nicht da. Er hatte ihm den Rücken zugewandt, ihn abgewiesen, sich in Selbstmitleid ertränkt. Aus diesem Grund, hatte er sich geschworen ab da an seinen Bruder unter jeden Umständen zu beschützen und ihn nun hier so weinen zu sehen, weckte nun die gleichen Schuldgefühle wie von damals auf. „Was ist denn passier?“ versuchte es nun auch Arthur, den Auslöser für diese Tränen zu ermitteln. Der blonde Junge hatte ebenfalls seine Arme um seinen Bruder geschlungen und sein Gesicht in dessen Brust vergraben. Den Geräuschen nach zu urteilen, schien er aufgehört zu haben mit weinen. Wenig später hob der Junge den Kopf leicht an und ließ zeitgleich die Arme wieder senken. Als er begann mit sprechen, verhinderte ein aufgekommener Schluckauf, dass er klar und zusammenhängend sprechen konnte, sodass er immer wieder eine Pause machen musste. „Es ist meine Schuld.“ Sprach er nach dem dritten Anlauf vollständig aus. „Ich hab sie gezwungen. Ich hätte nicht so nah sein dürfen. Es ist alles meine Schuld.“ Während er sprach zogen sich seine Schultern hoch und er senkte den Kopf, sodass seine blonden Locken nach vorne rutschten. „Sie will mich nur schützen, doch jetzt…. Jetzt hasst sie mich.“ Erneut tropften die salzigen Tränen von seinem Gesicht. „Ich hab sie gezwungen und bin schuld daran, dass sie mich hasst.“ Der Schluckauf wurde stärker. Bei jedem misslungenen Atemzug, zuckte der gesamte Körper des Blonden zusammen.
„Was genau ist denn passiert?“ fragte Arthur weiter. „Redest du von Marú? Warum sollte sie dich denn hassen?“ der ältere Blonde zog die Augenbrauen zusammen. „Nate, heb den Kopf an.“ Befahl er seinem kleinen Bruder mit einem Mal mit ernster Stimme und erntete verständnislose Blicke von den Umstehenden. Bei seinen Worten zuckte der Junge noch stärker zusammen, als so schon. Seine Antwort war ein schnelles Kopfschütteln, nach welchem sich der Kopf noch einmal ein Stück tiefer senkte. „Nate.“ Ermahnte Arthur den Kleineren. „Heb den Kopf an.“
„Nein.“ Schniefte dieser nur, begleitet von einem weiteren Kopfschütteln. Allerdings erhielt er keine weitere Aufforderung. Arthur streckte die Hand aus, packte das Kinn des Jungens und zwang ihn so den Kopf zu heben, sodass er ihm klar ins Gesicht sehen konnte. Die Farbe wich aus seinem Gesicht, als er die verbrannte Haut sah. „Woher kommt das?“ seiner Stimme fehlte nun jeglicher Ton.
Nate entzog ihm trotzig den Kopf und senkte den Blick. „Das ist meine Schuld. Hab… hab mich gestoßen.“
„Lügner!“ fauchte Arthur wütend. „Woher kommt diese Wunde, Nate?!“ wiederholte er schroff. Sam trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Arthur, ich denke nicht, dass du jetzt so mit ihm reden solltest. Er scheint-“
„Ist es denn egal, dass er verletzt ist?!“ Der Blonde starrte den Größeren an. Sam konnte es in dem Blick Arthurs sehen, was er fühlte, weswegen er ihm trotz seiner groben Worten ein sanftes Lächeln schenkte. „Nein das ist es nie, dass ist es nie. Doch ich bezweifle, dass es jemand von uns gewesen sein könnte. Niemand würde ihn verletzten.“
„Ich hab mich gestoßen.“ Beharrte Nate nur, die entschiedenen blauen Augen nun zu den beiden Männern aufgerichtet.
„An einer Kerze, oder was?!“ knurrte Arthur, kein bisschen überzeugt. „Wenn es keiner von uns war, dann ist es doch umso schlimmer.“ Ging er nun auf Sam’s Worte ein.
„Das verheilt doch ganz schnell wieder.“ Mischte sich der Junge erneut an. Als ihn nun alle ansahen, zuckte er nur gleichgültig mit den Schultern. Die Tränen waren aus seinen Augen verschwunden, nur noch nasse Spuren auf seinen Wangen verrieten ihre Erscheinung. „Das hat es doch immer. Was tut es also zur Sache.“ Er wusste selbst, dass er nicht wegen der Wunde geweint hatte, nicht weil sie schmerzte, sondern aufgrund des Schmerzens in seiner Brust.


Während sich nun alle um Nate kümmerten, saß das blonde Mädchen weiterhin allein in dem Zimmer und schluchzte leise vor sich hin.
Ihre Gedanken rasten, sodass sie keinen fassen konnte. Lediglich einer wurde immer präsenter und drängender, weshalb sie auch versuchte mit weinen aufzuhören und sich immer wieder, mit zitternden Händen, über ihr gerötetes und erhitztes Gesicht wischte.
Langsam erhob sie sich von dem Bett, mit der Absicht die Tür zu erreichen. Doch mittig, zwischen Bett und Tür, zuckte sie heftig zusammen und hielt in ihrer Bewegung inne.
Sie wollte sich so sehr bei Nate entschuldigen. Für die Verletzung und auch, dass sie ihn einfach hat stehen gelassen, doch eine scharfe Stimme in ihrem Kopf riet ihr davon ab. Sie schrie Marú regelrecht an, dass sie das Zimmer nicht verlassen durfte. Es wäre viel zu gefährlich für alle die hier leben. Sie durfte das Zimmer unter keinen Umständen verlassen.
Hektisch schüttelte sie den Kopf, als würde sie mit einer Person sprechen und machte wankende Schritte zurück zu dem Bett, gegen welches sie stieß und dann in einer sitzenden Position darauf fiel.
Sie starrte verzweifelt die Tür an, während sie auch dabei ansehen musste, wie sich immer Risse auch in diesem Holz bildete.
Sie wollte sich doch eigentlich nur bei Nate entschuldigen.

„Was tut es zur Sache?!“ wiederholte Arthur entgeistert. Es war ihm nur zu gut anzusehen, was er von dieser Aussage hielt und dass er am liebsten etwas zerstören wollte. So war es nicht verwunderlich, dass Sam im gleichen Augenblick seine Hand hob und sie beruhigend auf die Schulter von Arthur legte. „Ich denke nicht, dass es von Nöten ist sich zu sehr hineinzusteigern. Wenn Nate sagt, dass es ihm besser geht…“
„Besser?!“ unterbrach Arthur Sam nur schroff, indem er erneut die vorherigen Worte wiederholte. Die blauen Augen des jungen Mannes schnellten scharf zu seinem kleinen Bruder. Er wusste, dass Nate ihn und auch alle anderen anlog. Er hatte Schmerzen, er würde bestimmt auch gerne weiter weinen, doch er tat es Schulterzuckend ab. Arthur kannte diese Haltung nur zu gut, denn er handhabte solche Lügen seit dem Eintritt in diese Welt. „Ihm geht es kein bisschen besser, als vorher. Er gibt sich nur stark!“ versuchte er es nun auch den anderen offen zulegen. Jedoch schien er der einzige zu sein der wahrnahm, wie Nate bei diesen Worten zusammenzuckte.
„Das kann dir doch egal sein!“ blaffte der Junge nur zurück.
„Nein kann es nicht! Und dir auch nicht. Sonst wärst du wohl kaum heulend hier hergekommen.“
„ich wollte nicht zu euch!“ Nate wollte eigentlich in den Wald. Sich dort verstecken, einfach alleine sein. Bis jetzt hatte er auch die meisten Probleme alleine bewältigen müssen, warum wurde also gerade jetzt so ein Wirbel darum gemacht?
„Warum hast du dann geheult? Warum sollte Marú dich hassen? Erkläre wenigstens deine zusammenhangslosen Sätze.“ Forderte Arthur mit verschränkten Armen.
„Das-“ setzte der Jüngere an, kam jedoch ins stocken. „Das geht nur mich und Marú etwas an.“ Wich er aus. Er bereute es den anderen über den Weg gelaufen zu sein. Nein, das war nicht ganz richtig. Er bereute es seinem Bruder über den Weg gelaufen zu sein. Arthur kümmerte sich selten wirklich um ihn, vor allem am Vollmond zeigt er ihm die kalte Schulter, sollte ihm allerdings etwas zugestoßen sein, dann reagierte er immer viel zu intensiv. Nate war nicht mehr klein und unfähig, dennoch tat sein Bruder so, als müsse er ihn vor jeden beschützen. „Mir geht es jetzt gut, also lass mich endlich in Ruhe.“ Knurrte Nate und wandte sich ab. „Mir geht es gut.“ Murmelte er die Worte erneut, als würde er sich selbst davon überzeugen. Noch kurz warf er den anderen einen Blick zu, welcher ein stummes ‚Danke‘ in sich trug, dann beeilte er sich sein Ziel, den Wald, zu erreichen. Nur dort konnte er wirklich nachdenken. Nicht im Zimmer, nicht mit Arthur in Gesellschaft, nicht in diese Haus. Nur da draußen, wo es ihn stets hinzog. Bereits die neuen Tränen im Auge, drückte sich der Junge von den letzten Stufen schwungvoll ab. Als er landete federten vier Pfoten seine Landung ab. So weit und so schnell er konnte, rannte er in den Wald hinein. Er hatte heute einige Schuld auf sich geladen, welche er nicht mehr so schnell los werden würde.
Arthur starte seinem kleinen Bruder nach. Warum wollte er nicht antworten? Immer noch erfüllt von Wut drehte er sich in brünstig zur Tür des Speisesaals um. Es gab nur noch eine Person, welche ihm seine Fragen beantworten konnte. „Arthur.“ Hielt ihn eine weiche Stimme vom Gehen ab. „Bitte sei nicht so streng mit ihm oder mit dir. Ihr ähnelt euch sehr und vielleicht kannst du am besten verstehen, warum er so handelt.“ Sam appellierte an das Verständnis in Arthur. Dieser zuckte allerdings nur mit den Schultern und machte sich auf den Weg zur Eingangshalle. Natürlich konnte er Nate’s Handlungen verstehen und sogar nachvollziehen, doch konnte er es einfach nicht einsehen. Warum versuchte er sie zu schützen? Es war doch so offensichtlich. Ihre Schuld. Entschieden hielt Arthur vor der Zimmertür von Marú, hob die Faust und schlug einmal kräftig gegen das Holz. „Marú!“ mehr sagte er gar nicht, ehe er auch schon die Klinke hinunter drückte und eintrat. „Was hast du gemacht?“ forderte er auch gleich zu wissen, dabei stieß er die Tür hinter sich, sodass sie lautstark zurück ins Schloss fiel. „Warum überhaupt?! Und warum musste Nate darunter leiden??“ Der Blonde wusste wie töricht sein Handeln nun war. Es war falsch seinen Frust an ihr auszulassen und tief in ihm sträubte er sich auch dagegen, nur musste nun jemand hin halten. Wenn es um seinen kleinen Bruder ging überschritt Arthur stets seine eigenen und alle anderen Grenzen, ohne groß darüber nachzudenken.


Erschrocken schaute die blondhaarige auf dem Bett zu Arthur auf. Man konnte ihr nur zu gut ansehen, wie erschrocken sie von seinem eintreten war. Denn als ihr Kopf hoch schnellte, zuckte sie auch heftig zusammen und einige Risse gruben sich tiefer in das Holz.
"Halt lieber Abstand von mir!" Trotz dass es nach einem Befehl hätte klingen müssen, trug ihr weinen dazu bei, dass es wie ein Flehen klang.
Erst dann wiederholte sie nochmal in Gedanken, was Arthur ihr gerade gesagt hatte.
Nate leidete? Aber hatte er nicht gesagt, dass es ihm gut ginge und seine Verletzung nicht so schmerzte? Also hatte er doch schmerzen. Und das nur wegen ihr!
"Ich wollte Nate nicht weh tun!" Hielt sie dann sofort, weiterhin weinend, dagegen. "Ich wollte das doch alles nicht!" Nicht im Stande Arthur weiterhin anzuschauen vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen und schüttelte heftig den Kopf. "Er wollte doch nur mit mir üben. Damit ich keine Angst mehr haben muss. Und jetzt habe ich ihm weh getan!" Wieder folgte auf ihre Worte ein Kopfschütteln. "Tut ihm die Verbrennung sehr weh?" Diese Frage kam etwas leiser über ihre Lippen, während sie vorsichtig ihre Hände zitternd aus ihrem Gesicht zog und ebenso vorsichtig zu Arthur aufschaute. "Ich wollte ihn nicht verletzten! Das war ein riesiges versehen! Nur weil ich meine Kräfte nicht kontrollieren kann!" Wieder schluchzte sie lauter, während sie ihre Hände wieder vor ihrem Gesicht plazierte, um sich dahinter zu verstecken.

"Warum hast du dich dann auf diesen leichtsinnigen Vorschlag von ihn eingelassen?" er war unfähig seine Wut oder die Lautstärke seiner Stimme zu zügeln. Vielmehr hatte seit geraumer Zeit sein Blut begonnen in seinen Ohren zu rauschen, sodass er nur Fetzen von Marú's Worten verstehen konnte. Doch viel musste er ja auch nicht verstehen, immerhin kannte er die Fakten: Nate war verletzte, aufgrund einer gedankenlosen Idee, Marú war der Urheber dieser Verletzungen und dennoch wollte sein kleiner Bruder das Mädchen schützen. Mehr brauchte der Blonde im Augenblick nicht zu wissen, um seiner Wut keinerlei Einhalt zu gebieten. "Du wusstest, dass du sie nicht kontrollieren kannst und dennoch willigst du ein." ungläubig schüttelte der junge Mann den Kopf. " Du wusstest du, dass er verletzt werden würde. Warum sagst du dann 'Ja'?" Arthur hätte sich m liebsten die Haare gerauft, doch er wollte Antworten. Antworten über ein Geschehnis was er nicht verhindern konnte und aufgrund dessen die Person, welcher er am meisten von allen schützen wollte, leiden musste. Warum beschützte Nate Marú noch, obwohl sie ohne jeden Zweifel für seine Tränen verantwortlich war? Warum verweigerte er jegliche Hilfe, trotz dass er geweint hatte? Es war unfair, dass Arthur nun hier oben stand und das Mädchen für alles verantwortlich machte. Immerhin wusste sie die Antworten auf diese Fragen genauso wenig wie er selbst.dennoch hatten seine Beine ihn hier hoch getragen, einzig und allein aus Eigennützen.


Umso mehr Arthur sie mit Vorwürfen überhäufte, umso mehr sackte Marú in sich zusammen. Sie kauerte regelrecht auf der Bettkante, während sie, mit angst erfüllten Augen, zu Arthur schaute. "I-ich dachte, ich würde es schaffen." Verteidigte sie sich schwach, während die Risse immer größer wurden. "Nate hatte mir doch solchen Mut gemacht, dass es klappen würde." Schluchzte sie auf und senkte den Kopf. Nun zitterte sie am ganzen Körper und schüttelte wieder den Kopf. Immer wieder wiederholte sie diese Bewegung, als würde diese Tätigkeit ihr Trost spenden. "Ich dachte doch es würde funktionieren. Ihr müsst doch auch üben, um eure Kräfte kontrollieren zu können!" Warf sie nun ihm Nates Argument vor, in der Hoffnung, Arthur würde sie verstehen können, auch wenn es nicht den Anschein machte. "Denkst du, ich habe geglaubt, ihm weh zu tun?! Ich wollte das doch nicht! Ich würde Nate nie absichtlich weh tun! Es war doch nur ein versehen! Es tut mir doch leid!" Nun war Marú es, die ihre Stimme zitternd erhob und Arthur fast anschrie. "Es war ein versehen, dass ich an mich, an meine Kräfte, geglaubt habe!" Ihr Kopf und somit auch ihre Augen zuckten zu Arthurs Gesicht hoch, doch anstatt, dass sie, wie vorher, immer noch Angst zeigten, waren sie nun voller Wut.
Wut über sich selbst, Wut über ihre Unfähigkeit, Wut, dass Arthur sie für alles verantwortlich machte und sie regelrecht anschrie und Wut, dass sie zu große Angst davor hatte jemanden zu nahe zu kommen. "Versteh es doch bitte! Ich wollte das alles nicht! Ich wollte doch nur, dass ich es schaffe, meine Kräfte zu kontrollieren!" Flehte sie, in einem winselten Ton, der das Holz im Raum ächzen lies.

"Natürlich müssen auch wir üben, doch warum probierst du deine Kräfte gleich an Nate aus?!" Arthur, die Hände zu Fäusten geballt, wollte gerade einen Schritt in Marú's Richtung machen, als eine bekannte Stimme ihn davon abhielt. Sie musste mindestens in der Eingangshalle stehen und dennoch konnte der Blonde sie klar und deutlich hören. Er knirschte mit den Zähnen und verzog die Lippen zu einer Grimasse, sodass es einem Wolf gleich kam, welcher die Lefzen bleckte. "Du solltest sie lieber so schnell wie möglich kontrollieren können." knurrte Arthur, nun die Stimme gesenkt und den Körper halb zum gehen abgewandt. "Sonst bleibt es nicht lange bei einer einfachen, oberflächlichen Brandwunde." er erinnerte sich an Nate's Argument, woraufhin er noch einmal den Kopf über die Schulter, direkt zu Marú richtete. "Er ist ein Unreiner, bei ihm heilt nicht alles immer." damit drehte sich der junge Mann, keineswegs ruhiger im Gemüt, um und marschierte zurück zur Tür, welcher er aufriss und unnötig laut hinter sich zu knallen ließ. Ohne den Blick wirklich vom Boden zu heben, schlug er die Richtung zur Treppe ein, hielt jedoch an deren Beginn. "Was?!" knurrte er in abschätzigen Ton, hob die blauen Augen und funkelte Caleb wütend an. Dieser stand in der Eingangshalle unter ihm und sortierte die ihm soeben gereichte Post. "Was mischst du dich ein?"
"Ich denke nicht, dass du in der Verfassung bist, mich dies zu fragen." antwortete die ruhige, tiefe Stimme Caleb's. "Kaum komme ich nach einem langen Tag nach Hause, muss ich hören wie du hier herumschreist."
"Ich habe meine Gründe!" verteidigte sich Arthur, welcher in der Zeit, in der Caleb gesprochen hatte, die Treppen hinab gestiegen war.
"Natürlich." der Schwarzhaarige nickte nur zustimmend, als würde er diese Gründe völlig nachvollziehen können. "Die haben wir alle." Er betrachtete den entfalteten Brief in seiner Hand, ehe er diesen wieder zurück in den Umschlag steckte und die grellen Augen erhob. Sie fixierten den Blonden ruhig, abwartend, geduldig, auch wenn es an ein Wunder grenzte, dass er nach der vergangenen Woche noch Geduld aufbringen konnte.
"Doch nachdem ich deine 'Gründe' erfahren habe, sehe ich meinerseits keinerlei Gründe, warum du das Mädchen anschreist. Was mischst du dich ein?" gab der Mann nun die gleiche Frage zurück, mit welcher Arthur ihn empfangen hatte. "Ist es nicht eine Angelegenheit zwischen Nate und ihr? Oder ist dies genau einer der Gründe, warum du so aufgebracht bist?" es war deutlich, dass Caleb auf seine Fragen keine Antwort wollte, doch als Arthur dennoch den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, wurde er nur mit einer einzigen Handbewegung zum Schweigen gebracht.
"Du solltest aufhören, dich ständig in Angelegenheiten einzumischen, welche dich einfach nichts angehen. Es sei denn", setzte der Mann mit einer großzügigen Stimme hinzu, "es passiert aufgrund meines Befehls." Die grünen Augen von Caleb wurden schärfer und schmaler, als er weiter sprach. "Es häuft sich immer mehr, dass du überreagierst, wenn es um Nate geht. Doch gerade diese Situation bedarf keineswegs deines Eingreifens."
Arthur senkte den Kopf, die Zähne auf einander gepresst, das gesamte Gesicht verzogen. "Dem Mädchen einen Vortrag zu halten, obliegt mir und ist in gerader einer solchen Situation nicht von Nöten. Es war doch wirklich kaum zu überhören, wie viel Vorwürfe sie sich selbst schon gemacht hat. Ihr Jammern hallt doch durch das gesamte Haus." die letzten Worte klangen mehr wie ein Seufzer, als eine Belehrung.
"Verstanden." brummte der Blonde wortkarg und verkniffen.
"Gut." Caleb holte tief Luft, sodass es sich anhörte, als hätte er ein anstrengendes Kapitel des heutigen Tages endlich erledigt. "Und lass uns bitte nicht ständig, immer wieder die gleichen Diskussionen führen." bat er gespielt.
"Das liegt nicht an mir." brummte Arthur und wandte sich damit ab, um den Weg nach draußen einzuschlagen. Caleb ließ ihn gehen und räumte ihm damit das Recht auf des letzte Wort in ihrer Unterhaltung ein. Aufgrund von Vince skeptischen Blick hob er nur gleichgültig die Schultern. "Ich habe heute weitaus wichtigeres zu tun, als einem Jungspund die Leviten zu lesen. Also lass uns gehen." Vince nickte knapp, er hatte während der gesamten Unterhaltung stillschweigend hinter Caleb gestanden und sich weder gerührt noch ein laut von sich gegeben. Stattdessen hatte er ordnungsgemäß die Pakete gehalten, welche er zuvor einen der Bediensteten abgenommen hatte. Für diese Pakete und deren Inhalt, trugen die beiden Männer eine einwöchige Reise auf den Schultern und sehnten sich lediglich nach einen Tag völliger Ruhe.


Die Sonne stand am Rand des Horizonts, als Marú sich aus ihrem Bett erhob, in welchem sie schon mehrere Stunden lag und geweint hatte.
Sie lief um dieses herum und steuerte die Fensterreihe an.
Als Arhur gegangen war, hatte sie sich nicht wieder nach draußen, in den Flur getraut. Erst saß sie weiterhin auf ihrem Bett, dann hatte sie jedoch kraftlos zurück fallen lassen, sodass sie sich auf der großen Matratze auf die Seite rollte, ihre Beine eng an ihren Körper zog und diese dann fest mit ihrem Armen umschloss.
Es waren Arthurs Worte, die sie lähmten und nicht mehr aus Zimmer ließen, so als hätte er mit seinem Verschwinden die Tür hinter sich verschlossen. Der Vorwurf, sie müsste möglichst schnell ihre Kräfte kontrollieren, sonst würde sie wieder Nate verletzten, kreiste in ihrem Kopf herum, wie ein Aasgeier über einem Kadaver und das durfte einfach kein zweites Mal passieren! Das würde sie sich nie verzeihen können.
So kam es, dass sie den restlichen Tag nicht auch nur einen Blick zu der Zimmertür geworfen, oder auch nur eine Sekunde verschwendet hat, daran zu denken, nach unten zu gehen, um Nate zu sehen. Sie könnte ihm einfach nicht unter die Augen treten. Sie hasste sich viel zu sehr dafür, geglaubt zu haben, dass sie es schaffen könnte und mit jeder Stunde fraßen sich diese Gedanken immer weiter in ihren Kopf und Seele.
Doch als sie nun am Fenster stand und nach draußen starrte, hoffte sie insgeheim, sie würde ihren Freund sehen können, wie er aus dem Wald kam oder hinein ging. Doch die ganze Zeit geschah nichts.
Sie würden bestimmt jetzt unten sein und zu Abend essen. Nur Marú nicht. Das verwehrte sie sich auch. Sie konnte jetzt einfach nicht in einem Raum voller Personen sitzen können und ruhig essen. Vor allem nicht bei Arthurs Anwesenheit.
Somit senkte sie, schwer ausatmend den Kopf und schlurfte zurück zu dem Bett, um sich darauf fallen zu lassen. Sie raufte sich durch das zerzauste blonde Haar, ehe sie wieder kraftlos die Hände fallen ließ. Sie war einfach müde von dem ganzen Weinen. Sie hatte solange geweint, bis sie gar keine Tränen mehr übrig hatte und regungslos liegen blieb. Doch nun merkte sie, wie wieder einige Tränen ihre roten Wangen hinab liefen.
Letzten Endes fand sie sich in der Dunkelheit wieder, wie sie zusammengerollt auf dem Bett lag, die Hände vor dem Gesicht, am ganzen Körper zitterte und weiterhin ununterbrochen weinte.

doch sollte Marú mit ihrer Vermutung nicht ganz recht behalten. Nachdem Arthur Caleb hinter sich gelassen hatte, war er seinem Bruder in den Wald gefolgt und sich auf die suche nach diesem gemacht. Der Wolf hatte, wie bereits erwartet, auf der bekannten Lichtung gelegen. Die Augen zusammen gepresst und leise winselnd. Es hatte einige Zeit gedauert, bis Nate die gesamte wahrheit schilderte, darauf gefasst noch einmal den Zorn seines großen Bruders zu spüren. Dieser hatte sich jedoch nur an den Kleineren geschmiegt und sich leise für sein vorheriges Handeln entschuldigt. Anschließend, nachdem sie sich dafür die Erlaubnis von Caleb eingeholt hatten, waren die beiden tiefer in das Revier verschwunden und kamen selbst zum pünktlich servierten Abendbrot nicht zurück. Luke und Adrian, welche nach dem Essen stets Laufen gingen, tauchten anschließend mit den beiden wieder auf. Sie hatten selbst für Essen gesorgt und hatten sich in der schützenden Dunkelheit noch etwas ausgeruht, bis die Müdigkeit zum Gebäude führte. Einer nach dem anderen verschwand in seine Zimmer, kaum war das Dinner vorbei gewesen. Auch Caleb, welcher bis dahin noch geduldig unten gewartet hatte, bis die beiden Blonden zurückkehren würden, war vorerst auf sein Zimmer gegangen. Dort hatte er sich seiner Klamotten soweit entledigt, dass er nur noch ein einfaches Hemd und Hose trug, um dann anschließend die Tür seines Gemaches von außen zu schließen. Er hatte Vince die Anweisung erteilt zu ruhen, sodass dieser nicht sofort aus seiner Tür sprang, als der Alpha die Treppen in die unteren Geschosse hinab stieg. Das Haus verlor augenblicklich an Leben, kaum waren die Bewohner nicht mehr auf den Fluren unterwegs. Es erinnerte an die Häuser, in denen er zuvor war. Alleine, nur mit Vince an seiner Seite. Damals hatte er sich noch über diese ruhe gefreut und empfand es schier unerträglich allein daran zu denken, sein Heim mit anderen Wölfen zu teilen. Doch nun musste er sich diesen Wandel eingestehen. Er genoss es immer mehr das Rudel hier zu haben.
Caleb war nun im ersten Obergeschoss angekommen, als sein Blick die dunkle Tür fand, nach welcher er in letzter Zeit oft horchte. Keiner der hier anwesenden konnte es überhören, dass leise schluchzen, was hinter dem Holz hervor kroch. Lautlos seufzen lehnte sich der schwarzhaarige Mann gegen die Wand neben der Tür, verschränkte die Arme und lehnte den Kopf in den Nacken. Das Mädchen hatte durchaus Nerven, wenn es ungezügelt weinte, in einem haus, in dem geschlossene Türen und unterschiedliche Etagen nicht länger schalldämpfend waren. Es würde für ihn keinen Unterschied machen, ob er unten im Keller, in seinem eigenen Zimmer oder hier war, er konnte sie überall hören. Doch was erhoffte dieses Mädchen sich davon, Nächte lang zu weinen, doch am Tag zu tun, als sei nichts dergleichen geschehen. Der Wolf hob alarmierend die Ohren, als er ein leisen Geräusch vernahm. Kael kam die Treppen hinab, anscheinend verspürte er Durst, welcher ihn zur Küche zog. Er hob den Kopf an, als wolle er etwas sagen oder fragen, doch Caleb legte nur wissend lächelnd den Zeigefinger an seine Lippen und deutete mit einem Blick auf die Tür neben sich. Kael verstummte sofort, nickte knapp und signalisierte so, dass er verstand. Überflüssigerweise lächelte er seinem Alpha noch einmal zu, ehe er ganz nach unten verschwand. Nun holte Caleb doch hörbar Luft, drückte sich von der Wand ab und tat es Kael gleich. Marú würde jetzt noch eine Weile weinen. Manche Nächte weinte sie komplett durch, während in manch anderen kurze Pausen waren, weil sich der Körper für einige kurze Minuten den benötigten Schlaf selbst holte. Doch von einer erholsamen Nacht, würde man bei ihr nie sprechen können. Der Schwarze Wolf hatte ihr schon oft beim weinen zu gehört, ob nun vor ihrer Tür oder in seinem eigenen Reich, er war wach gewesen und hatte ihr zugehört. Ohne das sie es wusste, gab es stets jemand, der ihren Tränen lauschte.


Es war wieder eine Nacht, in der sie einen Kampf gegen ihren eigenen Körper führte.
Sie hatte so lange leise geweint, bis ihr Körper mit aller Macht den Schlaf einforderte, den sie brauchte. Doch diese kurze Ruhe hielt nie lange an.
Es hatte nicht lang gedauert, bis sie wieder aufwachte und weiterhin schlaflos, zusammen gekauert in dem Bett lag und aus dem Fenster starrte, bis die ersten Vögel wieder den nächsten Morgen ankündigten.
Die Stimme in ihrem Kopf hatte die ganze Nacht nicht aufgehört, ihr Vorwürfe zu machen. Warum sollte sie auch damit aufhörten? Immerhin war sie an allem Schuld. Warum war sie auch so naiv gewesen zu glauben, sie könnte es schaffen? Das würde sie sich definitiv nicht verzeihen. Das war vollkommen bewusst.
Als ob sie anders als die anderen Mischlinge war, die es ebenfalls nicht schafften sich zu kontrollieren. Das wäre nur ein schöner Tagtraum.
So wie Marú nun dabei war sich selbst zu verachten, drehte sie sich Richtung Tür und starrte diese ohne jegliche Regung an. Mittlerweile war die Sonne aufgegangen und schien warm in das Zimmer, somit auch auf ihren Rücken. Doch auch das nahm sie kaum wahr.
Insgeheim hoffte sie, dass Nate irgendwann vor der Tür stehen würde, anklopfte und ihr mit einem Lächeln im Gesicht, einen guten Morgen wünschte. Doch das würde ganz sich nicht passieren. Er hatte bestimmt zu viel Angst zu ihr zu kommen. Das konnte man ihm ja nicht verdenken.
Und trotzdem starrte sie die Tür an, in der Hoffnung sie würde sich irren. Das sie in ihren Gedanken falsch lag und er es ihr nicht so übel nahm.

Während Marú oben in ihrem Bett ihren Gedanken nach hing, hatte unter ihr längst das alltägliche Treiben erneut begonnen. Noch war es immer noch mitten in der Woche, sodass alle anderen ihrer Routine folgten. Doch konnte es von außen noch so friedlich wirken, so waren einige doch mit den Gedanken bei dem gestrigen Ereignis. Nate nagte gedankenversunken an der Unterlippe, während er erfolglos versuchte mit der Gabel sein Brot zu halbieren. „Nate!“ riss ihn sein Bruder, an seiner Seite aus den Gedanken. Verständnislos, warum er die Stimme so erhoben hatte, hob der Blonde die blauen Augen und sah zu Arthur auf. „Was gibt es?“ Als Antwort deutete dieser nur auf den Teller von Nate, wo er die einzelne Brotscheibe fast vollständig zerdrückt hatte. „ich habe seit einiger Zeit versucht dich anzusprechen, doch du hast einfach nicht reagiert. Was ist denn nur los? Wo hängst du denn mit den Gedanken?“
Nate legte die Gabel beiseite, ohne sich wirklich seiner tat bewusst zu sein und hob unschlüssig die schmalen Schultern. „Ich bin immer noch etwas kraftlos durch gestern.“ murmelte er, was auch zum teil der Wahrheit entsprach. Leise Schmunzelnd hob Arthur die Hand und fuhr kurz brüderlich Nate durch das dichte Haar. „Das glaube ich dir gerne. Wir sind ganz schön weit gekommen, nicht wahr.“ er hob den Blick, ehe ihm noch etwas einfiel. „Ach, und vergiss nicht, dass heute Nachmittag die Elfen kommen.“ erinnerte er nun den Kleinen. Dieser hob sogar den Kopf an, doch als sich ihre Blicke kreuzten, vermisste Arthur das begeisterte funkeln in den sonst so leuchtenden blauen Augen seines kleinen Bruders. „Schon wieder?“ er wirkte gar nicht richtig wach. Viel mehr, als wäre er unendlich müde und könne sich gerade noch so wach halten.
„Freust du dich etwa nicht auf Narcis?“
„Doch, doch...“ die Augen des Jungen waren leer und zeugten von keinerlei Emotionen. Es war lange her, dass Arthur seinen kleinen Bruder in einem solchen Zustand zu Gesicht bekommen hatte und eigentlich hatte er stets die Hoffnung gehegt ihn nie wieder so sehen zu müssen. Er holte tief Luft und legte seine Hand sanft auf die Schulter von Nate. „Na los, du musst dich allmählich fertig machen.“ ohne eine Erwiderung erhob sich der Angesprochene und verließ den Speisesaal. Als sich anschließend Arthur von seinem Platz erhob und Anstalt machte den Saal ebenfalls zu verlassen, konnte er den scharfen Blick seines Alpha's im Rücken spüren. Er musste kein Wort sagen, keine Bewegung ausführen, kein Geräusch auslösen, doch seine Augen schienen heute tatsächlich vor zu haben den Jüngeren zu erstechen. Der Blonde erklomm zwar die Treppen, doch kam er nicht weiter als das erste Geschoss. Zuvor hatte er noch etwas kleines aus der Eingangshalle mitgehen lassen, ehe er nun vor der bekannten Tür stand, die Hand hob und vorsichtig klopfte. „Marú?“ fragte er, unterwürfig, schuldbewusst und sich ebenfalls bewusst, welche Person gerade definitiv mithörte.


Erschrocken zuckte die junge Elfe, hinter der verschlossenen Tür, zusammen. Für einen Augenblick dachte sie, es wäre Nates Stimme die hinter der Tür hervor kroch, doch die Stimme, die zu ihr hervor drang war tiefer.
Nach einem kurzen Moment konnte sie jene Stimme einordnen, weshalb sie auch nicht gleich aufstand.
Was wollte Arthur von ihr?
Nach dem gestrigen Ereignis, war er die letzte Person, auf die Marú treffen wollte. Er hatte doch schon gestern alles gesagt, was sie falsch gemacht hatte, was wollte er da noch von ihr?
Sich immernoch fragend stand Marú letztlich auf und ging zu der Tür. Man konnte dabei das leise tapsen ihre nackten Füße auf dem Boden hören.
Vorsichtig ergriff sie die kühle, eiserne Türklinke und erlöste den jungen Mann hinter der Tür.
"Was willst du?" Fragte die Blonde mit kratziger Stimme, wobei sie den Blick nicht zu seinem Gesicht erhob, sondern starr geradeaus schaute.
Wenn man auch nur einen kurzen Blick auf sie erhaschte, erkannte man sofort, dass diese Nacht einige Spuren hinterlassen hatte. Ihr Haar fiel ihr unordentlich über die Schultern, sie trug immernoch dasselbe Kleid wie gestern und unter ihren hellen Augen verliefen dunkle Schatten.
Als sie nun so auf eine Antwort von Arthur wartete, verschränkt sie ihre Arme vor dem Körper und zog leicht ihre Schultern hoch.
Es lag nicht daran, dass Marú Arthur nicht sehen wollte und ihm das damit symbolisierte, sondern eher daran, dass ein kalter Windzug sie streifte und sie zum frösteln brachte, was ihre Müdigkeit unterstrich und sie leicht zitterte.

Arthur hatte geglaubt, dass ihn seine Fähigkeit die Worte nach seinen Willen zu beugen, auch dieses Mal nicht enttäuschen würde. Doch stattdessen musste er feststellen, wie sie ihn gnadenlos im Stich ließ. So schnappte er fast schon erschrocken nach Luft, als Marú die Tür öffnete und ihn ansprach. Ihre Erscheinung erinnerte ihn automatisch an all die Wörter, mit welchen er sie gestern beschuldigt hatte und für etwas schuldig gesprochen hatte, was sie selbst nicht wollte. Der Schmerz des gestrigen Tag ließ ihn verstummen, sodass eine lange Pause entstand. Der blondhaarige Mann holte innerlich tief Luft, schloss kurz die Augen und öffnete den Mund. Er war hier hergekommen um sich zu entschuldigen, um sein Unrecht kund zugeben, um sie von den Lasten zu erlösen, nicht um sie weiterhin zu quälen. "Ich verschwinde sofort wieder aus deinen Augen, nur... hör mich kurz an." begann er, etwas ungalant. "Ich entschuldige mich aufrichtig für alles, was ich dir gestern gesagt habe. Dass ich dich gestern grundlos so angeschrien habe und dir noch mehr Kummer bereitet habe, als du selbst bereits ertragen musstest. Ich... ich war völlig im Unrecht." der junge Mann hatte den Kopf gesenkt und wich jeglichen Blickkontakt aus, viel mehr sah er zu wie seine Hände einen Umschlag zwischen den fingern zerdrückten. "Ich weiß, dass eine solche einfache Entschuldigung bei weitem nicht das gesagte wieder gut macht, auch nicht den schmerz den ich dir bereitet habe, doch... vielleicht..." der Blonde hob ruckartig den Kopf, um der Elfe in die Augen zu sehen, in der Hoffnung sie würde verstehen, was er erfolglos versuchte zu sagen. Doch schnell senkten sich die noch eben Hoffnung erfüllten blauen Augen unterwürfig. Erneut wurden die Hände angestarrt. "Mir ist es gleich, was mit mir ist, doch bitte verzeih Nate." sprach er nach einer kurzen Pause weiter. "Er hat die gesamte Nacht nicht geschlafen und war heute Morgen kaum ansprechbar. Er trägt keine Schuld und dennoch muss er leiden. Bitte verzeih ihn. Wenn es hilft, dann gib allein mir die Schuld!" lautete sein eiliger Vorschlag, welchen er jedoch aus völligem Ernst vortrug. "Doch erlöse Nate. Gib ihn eine Chance wieder zu lachen, mit dir. Ihr müsst beide nicht so leiden, wegen mir." den letzten Teil des Satzes hatte Arthur nur noch geflüstert. Immer mehr vermischte sich die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Blonde war immer unfähiger die Bilder vor seinem Auge auseinander zu halten. Ruckartig kam er wieder zur Besinnung, hob schnell die Hand und hielt dem Mädchen den nun zerknitterten Umschlag hin. "Dieser ist an dich adressiert, ich sollte ihn dir zustellen. Er ist von deinen Eltern. Nimm," Arthur schluckte leise. "Nimm ihn wenigstens, anstelle meiner Entschuldigung, an."


Ein kleines, wenn auch leicht gequält aussehendes, Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie eine Hand ausstreckte und den Brief entgegen nahm. "Danke." War das erste Wort von ihr nach seinem Vortrag.
Schnell verschränkte sie ihre Arme wieder vor dem Körper und presste sie jetzt sogar noch enger an ihren Körper als vorher.
Wieder entstand nun eine Pause, in der die Stille angespannt zwischen ihnen hing. " I-ich nehme deine Entschuldigung an." Erlöste sie den Blonden vor sich endlich, wobei ihre Stimme immernoch rau war. "Es ist nicht so, als würde ich Nate für alles verantwortlich machen. Ich wusste nicht, dass Nate darunter so leiden würde. Ich will ihn doch nur schützen!" Nun war sie es, die ihrem Blick zu Arthur hob. "Es ist nicht gut, wenn er mit jemanden wie mir ständig zusammen Zeit verbringt. Ich bin viel zu gefährlich für ihn. Selbst jetzt, wenn ich mit dir reden, könnte ich dich verletzen. Ich weiß ja nie, wann sich meine Kräfte äußern." Betrübt senkte sie den Kopf. "Du hattest gestern recht, mit dem was du gesagt hatte." Nun war sie es, die mit jedem Wort immer leiser wurde. "Kannst du Nate bitte von mir ausrichten, dass er nichts falsch gemacht hat und ich ihn auch nicht böse bin. Er soll sich keine Sorgen machen." Sie musste bei den Worten stark mit sich kämpfen, dass sie nicht wieder anfing mit weinen, da sie spürte, wie die Tränen sich wieder hervorragende kämpften. "Ich brauche im Moment einfach nur meine Ruhe. Ich muss meine Kräfte einfach unter Kontrolle bekommen und..." Als sie weiter reden wollte, sah sie im Augenwinkel wie Tür wieder kleine Risse bekam. Sofort hob sie den Blick zu Arthur und schaute ihn entsetzt an. "Es ist schlimmer geworden. Meine Kräfte reagieren jetzt noch sensibler als sonst. So kann ich Nate einfahren nicht unter die Augen treten. Ich werde ihm nur nochmal weh tun!" Schnell wischte sie sich mit einer Hand über die Augen, um die Tränen zu verstecken, die sich über den Rand ihrer Augen gekämpft haben.

Arthur erkannte nun die Angst von Marú, vor welcher er gestern die Augen verschlossen hatte. Er hätte sie gerne in seine arme geschlossen, doch er glaubte weiterhin, dass er sich das Recht dafür nun verwirkt hatte. "Nate hat mir gestern die ganze Wahrheit gesagt. Es dauerte zwar eine Weile, doch er mir am ende endlich die Wahrheit gesagt." Als Marú ihn versicherte hatte, dass sie ihm verzieh, war dem jungen Mann ein Stein vom Herzen gefallen, auch wenn er sich immer noch nicht in Sicherheit wiegen konnte. "Er... wir wissen, dass du deine Kräfte nicht direkt kontrollieren kannst, doch haben sie sich je gegen uns gerichtet? Gestern hast du doch das erste Mal wirklich versucht die Kräfte zu bändigen, da verlangt keiner von dir, dass es sofort funktioniert." Der Blonde holte tief Luft, als bereite er sich auf etwas vor, dann hob er den Kopf und mit ihm den Blick. Er sah Marú voller Überzeuge und Glaube an. "Nate und auch ich glauben daran, dass du uns keinerlei schaden zufügen wirst. Verzeih, dass ich daher diese unangebrachten Worte zu dir gesagt habe." erneut musste er sich entschuldigen. "Nate wird immer dein Freund bleiben, dies ist auch seine größte Angst in diesem Augenblick, dass du ihn abweisen würdest und er wieder alleine wäre. Und ich... ich werde wohl wieder klein Anfangen müssen es mir zu verdienen, nicht wahr?" er versuchte zwar zu lächeln, doch es wirkte nur wie ein misslungener Versuch die eigene Traurigkeit zu überspielen. Sonst war er unschlagbar sein Inneres zu verstecken und tief einzusperren, doch Nate's Zustand schaffte es stets jede Fassade einbrechen zu lassen.


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