Oleana erwiderte sein Lächeln aufrichtig und nickte ihm dankend zu. "Hab vielen Dank, Kien." Auch wenn alle ihre Vertreter es wussten und auch die anderen hoch Gestellten, hielten sie weiterhin an der Verbeugung fest, auch wenn sie um ihrer absoluten Loyalität wusste. Doch mit den Jahren hatte sie es bleiben gelassen, sie darauf anzusprechen, in dem Punkt war wohl jeder etwas starrsinnig. "Ich freue mich, dass du Zeit gefunden hast. Wir sind jetzt auch beinahe komplett, nicht wahr?" ihre blinden Augen glitten über die Anwesenden und nur ein flüchtiges Zucken ihrer Augen, verriet, dass ihr etwas aufgefallen war. "Avan fehlt noch. Aber habe ich ihn nicht zuvor noch gesehen?"
"Er meinte vor Eurem Erscheinen, dass er nachkommen würde." meldete sich die weißhaarige Calidin zu Wort. Sie war bis jetzt keinen Zentimeter von dem Arm des Alphas der Wölfe gerückt und schien diesen Platz auch den gesamten Abend nicht verlassen zu wollen. "Genaueres ist mir allerdings auch nicht bekannt." man konnte Cyan zu gut anhören, dass es sie auch nicht weiter gekümmert hatte. Was andere anging, fehlte ihr bereits in den grundzügen das Interesse. Anders der Mann an ihrer Seite und seine Begleiter.
Caleb und auch die anderen Alphawölfe hatten den Neuankömmling knapp gegrüßt, wenn auch meistens stumm, doch bei der Erwähnung der noch fehlenden Person, hatten die Wölfe an Spannung aufgenommen. Es war der Königin keineswegs entgangen, sodass sich ihr Blick nun mit den stechend grünen Augen traf. Auch wenn es meistens nur in Form eines schwachen Hintergedanken war, so tauchten bei dem Anblick des grünen Augenpaars, stets die Bilder einer verlorenen Freundin auf. Eine Person, welche für die Kälte in den Augen ihr gegenüber verantwortlich war. Die Nymphe wusste, warum die Wölfe einer Begegnung mit Avan gerne aus dem weg gingen: in der Vergangenheit war es oft vor gefallen, dass Wölfe in ihrem Jagdfieber die Grenze zwischen Tier und Nymphe ignoriert hatten. Ein Vergehen, was Avan ihnen immer noch nicht verzeihen konnte, wobei er die gleiche Haltung gegenüber einer anderen Spezie trug, auch wenn er diese wiederum mit wesentlich mehreren teilte, als erstere. Avan nahm seine Position in eben diesem Punkt zu scharf, der ansonsten einen unheimlich ruhigen und ausgeglichenen Charakter besaß.
Die Wölfe wussten um ihre Schuld, doch wurde ihnen bis jetzt noch nie nachgesehen und so mussten sie immer wieder aufs neue die Last ihres Vergehens auf den Schultern tragen.
"Ich bin mir sicher, dass er heute Nachsehen haben wird." versicherte die Königin, nachdem Caleb angeboten hatte, ihnen Platz zu geben, da es immerhin ihr Tag war. "Es ist unsere aller Pflicht, uns nicht von unseren persönlichen Gedanken benebeln zu lassen und immer noch an den Frieden zu denken. Wir können nicht blind unseren Trieben folgen." damit war Oleanas Absicht klar geklärt, während sie jedoch auch Kritik an das Verhalten der Männer äußerte.

"Ist der alte Mann nicht viel zu unoriginell und witzlos, um je das Wort vor der Königin zu erheben?" Cyan spitzte die Lippen, bei ihren Worten. Sie versteckte es nie, dass sie mit der ruhigen Art und Weise des Faunen noch nie klar kam.
Oleana schmunzelte leise bei den Worten der weißhaarigen Frau, da ihre Augen bereits hinter der Gruppe lagen. So erblickte sie ein Gesicht, welches verständnislos eine Braue hoch gezogen hatte und die Frau musterte. "Wen nennst du hier denn bitte 'alten Mann'?" machte der erwartete Gast auf sich aufmerksam, während er seinen Platz neben Kien fand. "Du bist mindestens so alt wie ich, liebe Cyan."
Die angesprochene zog eine Grimasse und rückte etwas näher an Caleb, als würde diese Handlung die Tatsachen ungeschehen machen. "Wie gemein, etwas derartiges zu einer Frau zu sagen." gab sie zurück, schaffte es so aber nur, das Lächeln der Königin zu vergrößern.
"Wir haben sehnlich auf dich gewartet, Avan." Der Mann, der nun den Kopf von seiner Verbeugung hob und den Arm, wessen Hand gerade noch auf seiner Brust gelegen hatte, wieder neben seinen Körper sinken ließ, blickte die Königin aus seinen dunklen, ehrlichen Augen an. Auf seiner gebräunten Haut waren die weißen Spuren eines jeden Nymphen sehr gut zu erkennen, auch reichten sie wie Haken über seine Wangenknochen, bis zu der Mitte seiner Wangen. Seine Augen waren ein neckisches Spiel zwischen Schwarz und Gelb, während das schwarz die große Pupille wie ein Dornenkranz ummantelte, zog sich das Gelb an dem Rand entlang und entsandte dünne Adern in die Dunkelheit. Über seiner Stirn, bis hin in seinen Nacken, lag sein dunkel graues Haar, welches kein Zeichen von Alters war. Es wirkte keineswegs spröde oder ausgedünnt, stattdessen wellte es sich in kräftigen Strähnen an den Spitzen. An einem kleinen geflochtenen Zopf, hinter seinem rechten Ohr, trug der Mann zwei Federn, sein wohl einziger Schmuck, bis auf die kurze Kette um seinen Hals, mit einem hölzernen Blatt als Anhänger. Die Federn besaßen die Farben blau und weiß und wurden von ihm schon seit beinahe fünfhundert Jahren stolz getragen. Für den heutigen Anlass trug er seine blaue Robe, wie auch sonst, nur hatte er auf den Mantel und die Holster, sowie Gürtel verzichtet, welche er sonst immer bei sich trug. Seine Robe hatte einen hohen geschlossenen Kragen und besaß an den Rändern einen schmalen goldenen Streifen. Sie teilte sich ab seiner Hüfte in drei teile, wobei das Größte hinten hing, diese reichten ihm bis zur Mitte seiner Oberschenkel. Die Hose dazu war dunkelgrau bis schwarz, seine Stiefel braun. Er hatte auf jede seiner Waffen oder sonstige Verzierungen verzichtet. Und auch wenn es nicht selten vorkam, dass er auf all dies verzichtete, so fehlte doch nun ein entscheidendes Detail an ihm, für welches er bekannt war.
"Wo ist Kaspar?" sprach es seine Königin auch schon auf. Ihr war es nicht entgangen, dass in der kurzen Pause, seine dunklen Augen den Wölfen einen knappen Blick zugeworfen hatten, doch wie Kien bereits vorhergesagt hatte, würde Avan niemals eine Feier seiner Königin mit seinen Ansichten stören.
Beinah ertappt schnellten die Augen des Mannes zurück zu der schönen Frau, wobei eine stumme Entschuldigung in ihnen lag. Schnell tauchte ein bekanntes Schmunzeln auf seinen Lippen auf, welches schüchternde Züge besaß. "Ich hielt es für richtig, ihn für die heutige Feierlichkeit nicht dabei zu haben. So würde es doch nur Aufmerksamkeit erregen." erklärte er die ungewohnten Umstände.
"War er damit auch einverstanden?" die Königin lächelte, bei der Vorstellung, wie sich Kaspar gegen die Entscheidung gesträubt hatte.
"Wer weiß." Avan hob die linke Hand und legte sie auf seiner rechten Schulter ab. "Jedenfalls ist es ziemlich ungewohnt, ihn nicht bei sich zu haben."
"Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass er nicht an deiner Seite ist." murmelte Oleana und rief sich das Bild von dem gestrigen Abend ins Gedächtnis, wo wie immer ein weißer großer Adler auf der rechten Schulter des Mannes vor ihr gesessen hatte.
Während die Vertreter ihrer Art zusammen gekommen waren, um der Königin ihre Glückwünsche zu überbringen oder auch nur um ihre Anwesenheit zu zeigen, war die Füchsin wieder zurück in dem großen Saal gekehrt. In der Hand ein gewölbter Umschlag und ein Lederband mit einem geschwungen und reichlich verzierten Anhänger. Es wäre für die Frau ein leichtes gewesen an den Rittern vorbei zu gehen und direkt neben ihre Königin zu treten, doch fehlte ihr in diesem Tun das Amüsante. Also entschied Revy sich dafür, sich für ein paar Sekunden hinter den Mann ihrer Begierde zu stellen und ihm einen flüchtigen Kuss auf den Hals zu drücken, ehe sie auch schon wieder weiterging und innerhalb weniger Schritte auf der anderen Seite der hellhaarigen Königin stand. Ohne ein Wort überreichte sie dieser die gewünschten Sachen, erhielt daraufhin ein stummes, aber dankendes Nicken, und trat dann einen Schritt zurück. Sie wollte gerade die Arme verschränken und sich darauf vorbereiten nun eine zeit lang ohne Sinn stehen zu müssen, als ihr Blick neben sich fiel, damit auf ihre nächste Beschäftigung. Ein Schritt zur Seite, mehr hatte es nicht benötig, bis sie neben ihrem engsten Freund stand. Revy hob die rechte Hand und fuhr dem Jungen, aus welchem immer mehr ein Mann wurde, durch das wirre Haar. "Wie wäre es, wenn wir dir mal ne Kurzhaarfrisur verpassen?" raunte sie Killian zu, den Mund zu einem schrägen Grinsen verzogen.

Revy betrachtete den Dunkelhaarigen neben sich. "Sie sind wohl zu deinem Versteck geworden, oder was?" ihr jetziges Grinsen verflüchtigte sich in dem Augenblick, wo sich ein kräftiger Arm um ihren Körper legte. Wie in Trance schloss die rothaarige Frau für den Zeitraum seiner Worte die Augen, als müsse sie sich ihren Klang genau einprägen. Wenn sie mit ihrer Tat einen Fehler gemacht hatte, so beging Cassian nun ebenfalls einen, in dem er ihr nach gekommen war. Die Augen getränkt in dem Begierde, welches nur ihr Gegenüber entfachen konnte, hob Revy den Blick und blickte in das Gesicht, was sie so liebte. "War es das?" sie hatte zwar die Stimme ein wenige gesenkt, doch schlich sich Stück für Stück ein Lächeln auf ihre vollen Lippen zurück. Alles in ihr drang danach, die Arme um seinen Hals zu schlingen und ihn eng zu sich zu ziehen, damit sie ihn endlich richtig küssen konnte. Doch siegte ihr Zwang, Cassian nicht in Schwierigkeiten bringen zu wollen und somit vielleicht auch der Königin zu schaden. So blieb der Gedanke, nur ein bewegtes Bild vor ihren Inneren Auge, während ihr Blick unbewusst sehnlich seine Lippen gefunden hatte.
Avan fand sofort zu seinem bekannten Lächeln zurück und erwiderte den Gruß seines Freundes, auf die gleiche Weise. "Da kann ich dir nur zu stimmen. Das letzte Mal ist doch schon ein ganzes Stück her." der Grauhaarige überhörte die Anspielung gekonnt, auch wenn er in Gedanken breit grinsen musste.
"Jetzt hört ihr euch wirklich an, wie zwei alte Männer." kritisierte Cyan, die grellen Augen verständnislos auf ihre Gleichgestellten gerichtet. "Munter mich auf, Caleb. Ich bin ständig umgeben von so alten Leuten." zog die Dame nun den Mann hinzu, dessen Arm sie seit ihrem Eintreffen annektiert hatte. Dieser warf der Nymphe nur einen belustigten Blick zu. "Das sollten meine Worte sein." Den Kopf in ihre Richtung geneigt, fügte der Wolf hinzu:" Teilst du die Eigenschaft des Alters nicht mit den beiden Herren?" nun blickte der Schwarzhaarige in ein überrascht aufgerissenes Augenpaar. "Ich hasse diese Art an dir." maulte sie eingeschnappt. Als Cyan fast schon hilflos zu den beiden Männern blickte, sah sie nur in ein breites Grinsen. "Verkneif dir das." zischte sie, als Avan es weiterhin aufrecht hielt.

Während die blassen bernsteinfarbigen Augen noch vor ein paar Sekunden gierig an den Lippen des Mannes hingen, so verschwand dieser Ausruck, kaum sprach er seinen letzten Satz aus. "Sprint?" echote Revy perplex, da sie mit einer derartigen Antwort nicht gerechnet hatte oder sie wenigstens anderes erhofft hatte. War es seine Antwort auf ihre Neckereien oder auch seine bloße Anwesenheit, so nah vor ihr, doch Revy nahm in diesem Augenblick weder die letzten Worte ihres Freundes war, noch den restlichen Tumult um die Königin. Mit dem Gefühl von Verlust, musterte die Füchsin noch einmal die gewünschten Lippen auf ihren, ehe sie den Blick zu den Augen des Mannes hob, welcher ihr eben diesen ersehnten Kuss verwehrte. "Inwiefern sollte jetzt ein Sprint folgen? Immerhin darf ich die Seite der Königin nicht verlassen." versuchte sie teils fragend, teils versucht überzeugend, entgegen zu halten. Auch wenn sie wusste, dass nur ein klar formulierter Befehl von Cassian genügte und sie würde ohne zu fragen Folge leisten.
Cyan wurde mit ihrem Schmollmund um Jahrtausende zurück geworfen, wie ein trotziges Mädchen verschränkte sie die Arme und weigerte sich, den Verursachern ihreres vermeintlichen Schmerz ins Gesicht zu sehen. "Ihr wisst gar nicht, was es bedeutet, als Frau dem Fluch des Alters zu unterliegen." spielte sie ihr persönliches Drama weiter, ohne zu bemerken, dass sie Caleb bereits abgewandt hatte. Seinem Beta zu, samt den daneben stehenden anderen Männern. Lediglich der Osten der Wölfe, schien dem Gespräch der Nymphen noch zu folgen, auch wenn nur sein Beta mit einem schmunzeln auf den Lippen diese Aufmerksamkeit deutlich machte.
"Denkst du nicht, dass du ein wenig übertreibst? Immerhin tragen wir alle hier das Alter bei uns." Avan schüttelte den Kopf über die Frau. "Da denkt man, du gewöhnst dich allmählich mal daran, aber stets aufs neue kommt das gleiche Thema auf." der Mann lächelte Cyan an. "Kien hat durchaus recht, dein Alter sieht man dir nun wirklich nicht an."
Oleana stand zwar bei den drei anderen Vertretern erhob jedoch nicht sofort die Stimme. Zu sehr hatte sie Gefallen daran gefunden, ihnen einfach nur zuzuhören, auch wenn sie durchaus nun über die Worte aller schmunzeln musste. Niemandem von ihnen sah man sein wahrhaftiges Alter an und doch beschwerte sich Cyanrain stets über angebliche Falten oder Alterserscheinungen. Was wie auch jetzt, oft zur Erheiterung der Gemüter in der Umgebung beitrug. Dabei verschmolzen die Jahre immer mehr in einander, sodass es kaum greifbar war, wie viel Zeit bereits vergangen war. Würde ihr Volk sie nicht als Königin immer wieder aufs neue daran erinnern, so würde sie als Königin auch dieses Fest nicht halten. Was machte schon ein weiteres Jahr? Wenn sich in den letzten fünfzig für sie kaum etwas geändert hatte? Menschen gingen und kamen, Namen wurden erfunden und vergessen. Freunde starben, Freunde wurden gefunden. Doch die Welten drehten sich längst nicht mehr gleichschnell. Das menschliche Leben, glich einem langen Wimpernschlag ihrer Beobachter. Wesen, die nur Rollen in dem Leben der Menschen einnahmen, um wenigstens den Geschmack zu finden, wie es wohl sein mochte, in einer Welt, die so schnell starb. Eine Welt mit so wenig Zeit für ihre Bewohner und mit doch so viel Freude, Farben und Leben.

Revy blinzelte ihren Ehemann immer noch unschlüssig an, erst seine Berührung in ihrer Seite, schien sie aus ihrer Trance zurück zu holen. Das folgende Gesicht, glich einem eingeschnappten Schmollmund und einer herben Enttäuschung, mitten in die bernsteinfarbenen Augen geschrieben. "Gewünscht hatte ich mir etwas anderes." sprach sie offen aus, begleitet von einem tiefen Atemzug, welcher in ihren Schultern widerhallte. "Aber wenn mein Vorgesetzter so darauf besteht..." plötzlich schienen ihre Augen wieder ihr verlangendes Funkeln zurück gefunden zu haben. Denn mit einem schelmischen Heben in ihrem rechten Mundwinkel, wanderten eben diese Augen an dem gut trainierten Körper des Mannes hinab. "Dafür hole ich mir meine Belohnung heute Abend." es war Revy ins Gesicht geschrieben, dass sie ihn noch einmal berühren wollte, doch stattdessen drehte sie Cassian nun den Rücke zu. "Pass mir schön auf unsere Königin auf." die rechte Hand hatte sie kurz erhoben, als würde sie zum Abschied winken.
Oleana schlug lediglich mit den Augen auf, welche von dichten hellgrauen Wimpern umrahmt wurden. Ihr Kopf neigte sich in Killians Richtung, auch wenn sich ihr Blick nicht von dem Dreiergespann löste. "Ich schaue den dreien so gerne bei ihrem ungezwungenen Verhalten zu." antwortete die Nymphe, die Stimme ebenfalls stark gesenkt. Etwas verträumtes besaßen ihre Worte, als sie weiter sprach. "Ob sie sich unter geschäftlichen Gründen bei mir einfinden oder zu einem feierlichen Anlass, wie heute, sie wirken zu jeder Zeit unbefangen und frei von jedem Zwang." es war nicht das erste Mal, dass die Königin ihre drei Vertreter um eben dieses Verhalten beneidete. Es war eine Eigenschaft, die ihr als Larenn Deviyaan nicht gestattet war. Das gleiche Gefühl beschlich sie auch, wenn sie ihren Rittern bei ihren Übungen heimlich zu sah oder wenn sie ihren Umgang beobachten konnte. Nur wenn sie auftrat, verschwand diese Benehmen und machte einer formellen Haltung Platz.
Cyan erhob das Kinn, als müsse sie sich über die Größe an den beiden Männern messen. "Ich werde mich ganz sicher nicht an euren Schultern die Augen rot weinen. Warum sollte ich auch?" ihr Stolz verbat ihr, auch nur im entferntesten an die vergangenen Jahre zurück zu denken, da die Formulierung von Kien nicht aus dem Nichts gegriffen war. "Ihr würdet Augen machen, wenn ihr meine vergangenen Monate mit erlebt hättet."
Avan griente bloß ungläubig. "Du solltest dich nicht allzu hoch aufspielen. Wir waren alle in der letzten Zeit nicht untätig gewesen." Auf einmal setzte der grauhaarige Mann ein besorgtes Gesicht auf, die linke Hand unter das Kinn gelegt. "Kien, jetzt wo du es so erwähnst: Bilde ich es mir ein oder kann man da bereits Falten an ihren Augen erkennen?"
Von ihren zwei Gleichgestellten abgelenkt, hatte die weißhaarige Calidin den Arm los gelassen, an welchem sie die letzte Zeit gehangen hatte. So bekam sie es auch nur wage mit, dass der dazugehörige Mann nun einen Schritt von ihr und damit von der gesamten Gruppe machte. Als der Mann die grünen, schmalen Augen hob, blickte er in eine kleine Gruppe Augenpaare, die nun alle auf ihn gerichtet waren. Abwartend, teils angespannt. "Ich befreie euch hiermit von eurer Pflicht, allerdings bitte ich um Respekt des heutigen Anlass gegenüber." einstimmiges Nicken. Wenn auch mit einer Ausnahme, aber von ihm hatte Caleb auch nichts anderes erwartet.
Caleb war der Königin für die Einladung dankbar, auch genoss er ihre Unterhaltungen sehr, doch ihre Zeit war gekommen. Sie waren angenehme Gäste gewesen, bis nun ihre wahren Freunde aufgetaucht waren. Denn auch wenn sich der Faun sehr bemüht hatte, so war es dem Wolf keineswegs entgangen, dass dieser ihm jedesmal aufs neue einen achtsamen Blick zugeworfen hatte, wenn sich die Gelegenheit dazu darbot. Er mochte vor seiner Königin die Beherrschung perfekt besitzen, doch seine Angewohnheiten und sein Argwohn, würde er vor einem Tier, welches die Missgunst am besten bemerkte, nicht verstecken können.

Revy neigte den Kopf zur Seite, die Augen für den Augenblick seiner Worte geschlossen. Sie spürte seinen Atem auf der Haut, woraufhin sich ein wohliger Schauer über ihren Körper zog. Doch dann drehte sie sich in Cassians Arm, sodass sie ihm wieder ansehen konnte. Ihre Augen wanderten über seinen Oberkörper, über seine Lippe, zu seinen Augen nach oben, ohne diesmal etwas von ihrem Verlangen preis zugeben. "Nein, leicht sind sie nicht." stimmte sie ihm zu. Langsam hoben sich ihre Hände und fuhren genüsslich über seine Brust, bis sie seinen Kragen zu greifen bekamen. "Aber ich kann dir versichern, dass ich für so etwas niemals zu müde sein werde." sie zog sich näher zu ihn. Er hätte sie nicht so nah an sich lassen dürfen, zu stark war nun die Verlockung ihre Pflicht vollends zu vergessen. Während sich die Füchsin auf die vollen Lippen biss, hatte sie ihr Gesicht so nah wie nur möglich an das ihres unwiderstehlichem Ehemann gebracht.
Oleana schwieg, anstatt sofort zu antworten, ehe sie den Mund öffnete, allerdings ohne etwas zu sagen. Zwar hatte sie die Absicht gehabt ihrem Ritter die Entschuldigung entgegen zu bringen, dass sie sich nie so an den Gesprächen beteiligen könnte, wie es die anderen taten. Auch wenn sie es sich wünschen würde, zudem hatte sie auch kaum etwas zu erzählen. Jeder wusste, was die Königin tat, wo sie war, wie sie aussah. Ihr Leben war in den meisten Fällen ein offenes Buch für ihre Untertanen. Doch die Nymphe würde nicht dazu kommen, Killian diesen Gedanken zu offenbaren, jedenfalls nicht heute Abend, nicht in diesem Augenblick. Denn ihre erblindeten Augen bemerkten einen Schatten, welcher sich lautlos von der Gruppe gelöst hatte und nun drohte von der Masse verschluckt zu werden. "Geh noch nicht." die Königin sprach normal, als würden ihre Worte dem Mann an ihrer Seite gelten und nicht jemanden, der einige Meter entfernt, umgeben von einer lauten Masse war. Doch der Wolf verharrte augenblicklich in seiner Bewegung. "Ich würde dir gerne noch etwas geben, Caleb." Sofort drehte sich der Angesprochene herum, die schmalen grünen Augen auf die hellhaarige Frau gerichtet. Während der Mann nun auf sie zu kam, hob sie den Brief und ein kleines, mit Seidenpapier umhülltes Päckchen hoch. Caleb hatte darauf geachtet, einen Bogen um die Dreiergruppe einzuschlagen, um nun vor der Königin zu stehen. Oleana hob den Kopf und hielt dem Alpha die beiden Gegenstände hin. "Der Brief beinhaltet das Gewöhnliche, auch wenn ich noch etwas hinzugefügt habe." während sie dem Brief sogleich aushändigte, zögerte sie mit dem kleinen Päckchen und verursachte so, dass sich die Brauen des Wolfes skeptisch zusammen zogen. Die Königin schlug die langen Wimpern nieder und machte deutlich, dass sie versuchte die folgenden Worte mit Bedacht zu wählen. "Ich weiß, dass du bis jetzt jedes Jahr mein Angebot abgeschlagen hast. Auch hat der Süden damals nie angenommen." sie machte eine Pause, wobei sich dabei ihre Augen langsam hoben. "Ich bin nicht in der Position zu sagen, dass ich weiß, was du jedes Jahr durch machst, aber dieses Jahr kann ich dich damit nicht alleine lassen." ihre schlanken Finger drückten Caleb das Päckchen in die Hand, auf den Lippen trug Oleana ein trauriges, aber hoffnungsvolles Lächeln. "Es sind nun beinahe zweihundert Jahre vergangen. Ihr müsst beide an ihrem Todestag nicht alleine den Schmerz tragen, jeder der sie kannte, ist an diesem Tag in Gedanken bei euch." versprach sie.
Der schwarzhaarige Wolf hatte die Augen auf das Päckchen in seiner linken Hand gerichtet, ehe er sie auf die Frau richtete, die wohl mehr wusste oder ahnte, als sie den Anschein machte. Es war ihm für einen Augenblick anzusehen, dass er nach den richtigen Worten suchte, ehe ein schwaches Lächeln in seinen Mundwinkeln auftauchte. "Danke, Oleana." mehr war nicht nötig, mehr brauchte die Königin nicht, denn während genau dieser zwei bedeutenden Worte, erkannte sie in den grünen Augen, den Jungen von vor so vielen Jahren wieder. "Versprich mir, dass du dich jederzeit an mich wendest, wenn du Hilfe benötigst."
Gerade, als Caleb nicken wollte und ihr ein Versprechen eingehen wollte, welches er nie halten würde, wurde er auch schon von einer hellen Stimme unterbrochen. Cyan hatte auf Avans Worte tatsächlich ein grimmiges Gesicht gezogen, die Arme vor der Brust verschränkt. Beide Männer wurden es nie müde ihr Witze über sie zu machen. Doch als Kien sie zum lächel aufforderte hatte sie seufzend nachgegeben, ihre Stirn von der empörten Falte befreit und schwach und leicht genervt gelächelt. Nur hatte sich ihr Gesicht mit einem Augenblick verändert, als sie Caleb bei ihrer Königin entdeckt hatte, welche ihm soeben ihre Hilfe zu jeder Zeit anbot. Sofort beeilte sie sich an Calebs Seite, um sich neugierig nach dem Grund erkundigte, warum denn der Absolute Alpha die Hilfe der Königin der Nymphen benötigte. Jedoch war es nicht Caleb selbst, der ihr antwortete, stattdessen lag dessen Blick auf eine weiße Verpackung in seiner Hand. Nein, Die Königin antwortete ohne zu zögern, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. "Ich habe ihm meine Hilfe für seinen neuen Schützling angeboten." diese Worte waren nicht gelogen, auch wenn sie etwas aussprachen, was lediglich in ihrem Kopf existiert hatte. Sie hatte Caleb tatsächlich mit ihrem Angebot, auch deutlich machen wollen, dass er auch aufgrund seines Schützlings zu ihr kommen könne.
"Und dafür bedanke ich mich." ging Caleb darauf ein.
"Caleb wurde ein Elfen Mischling zugeteilt?" rief Cyan überrascht. "Wie ist er? Warum hast du ihn denn nicht mitgebracht?"
Der Wolf sah nun in zwei neugierige Augenpaare, da anscheinend selbst die Königin diese Fragen hatte.
"Der Mischling ist weiblich." antwortete er nun knapp. "Und er gehört nicht auf einen solchen Ball."
"Aber warum denn nicht?" Enttäuschung sprach aus dem Gesicht der Calidin. "Ich würde sie so gerne kennen lernen. Den Schützling, welcher Caleb Grayson zugeteilt wurden ist. Du musst sie uns einfach vorstellen!" bestand Cyan mit Nachdruck darauf.

Die Füchsin hing dem Kuss in Gedanken noch einem Wimpernschlag nach, ehe sie die bernsteinfarbigen Augen wieder öffnete. "Und wie ich es dir verspreche." erwiderte Revy auf seine Worte, mit deutlichem Nachdruck. "immerhin waren wir beide die letzten Tage ganz schön beschäftigt." während sie sprach, zogen ihre langen Finger den Kragen seines Hemdes nach. Als hätte sie ihn wieder gerichtet, nachdem sie ihn durch ihr ziehen, etwas verschoben hatte, ließ sie ihre Hände nun langsam wieder sinken. Auch wenn sie dabei den gleichen Weg hinab nahmen, wie sie erst nach oben genommen hatten: über Cassians Brust. Dabei waren ihre Augen die ganze Zeit auf ihre Hände gerichtet, ehe sie plötzlich innehielt und wieder seinen Blick suchte. "Das heißt du schuldest mir diesen heutigen Abend beinahe." ein schräges Grinsen beherrschte nun ihre Lippen. Eine Tat, die sie weit aus jünger aussehen ließ, als sie wirklich war.
Beinahe mit leidendem Blick nahm Caleb nun die dritte Person zu Kenntnis, welche wohl der gleichen Ansicht war. Was fanden die Nymphen nur so interessant an einem Mischling seitens der Elfen? An ihnen gab es keine einzige interessante Eigenschaft. Um so erleichtert war der Wolf, dass der dritte der Vertreter der Nymphen, sich nicht an der Runde beteiligte, sondern dem Treiben lediglich als stummen Beobachter beiwohnte. Allerdings stellte er damit auch keine Hilfe für den Wolf dar. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Mischling keinerlei Ambitionen hegt, sich groß mit anderen 'Welten' zu beschäftigen."
"Umso wichtiger, ihr zu zeigen, wie schön es bei uns ist." Cyan schien sich durch Kiens Zuspruch nur bekräftigt fühlen, da sie keinerlei Andeutungen machte, nachzugeben. "Ich bin mir sicher, dass unsere Welt viel ruhiger und entspannter ist, als die der Wölfe. In welcher sie nun gezwungener Maße leben muss."
Gerade wollte die Königin Cyan für ihre Wortwahl rügen, doch der sanfte Blick des Alphas ließ sie schweigen. "Da mag etwas wahres dran sein." gestand dieser nun sogar ein. "Aber wir können ihnen auch den nötigen Schutz versprechen."
"Wir wollen dich zu nichts zwingen." schaltete sich Oleana ein, nachdem Cyan geschwiegen hatte. "Doch vielleicht würde dem Mädchen eine kleine Ablenkung gut tun. Es muss viel Stress bedeuten, aus den gewöhnten Umständen gerissen und in eine völlig fremde Welt geworfen zu werden." kurz betrachteten die blinden Augen den dunklen Wolf, ehe die Frau fortfuhr. "Es bedeutet Ablenkung für sie und für dich, Caleb. Zudem," die Hellhaarige hob die rechte Hand an und deutete mit dem ausgestrecktem Zeigefinger auf den Briefumschlag in seiner Hand. "Ich hätte eh noch etwas mit dir zu besprechen, was ich nicht niederschreiben konnte, sodass die Umstände dich eh zurück zu uns führen würde."
Das glückliche Lächeln von Cyan besiegelte die Niederlage von Caleb. Er war sich bewusst, dass die genannten Umstände der Königin auch hätte warten können, doch schien sie sich selbst auf ein Treffen mit dem Mischling zu freuen.
"Ich werde mich melden, sobald ich einen geeigneten Zeitpunkt gefunden habe." die Calidin quietschte vergnügt auf und fiel dem Wolf um den Hals, als hätte dieser ihr einen Antrag gemacht. "Hab vielen Dank, Caleb." und schon wurde ihm ein Kuss auf die Wange gedrückt, ehe er wieder freigelassen wurde. Er würde es bereuen, dem war er sich zu hundert Prozent im klaren. Sobald er den Mischling an seiner Seite hatte, sei es nun draußen oder in seinen eigenen Wänden, es endete nie, wie er es sich gewünscht hatte.